Leitsatz
1. Aufwendungen für einen zugleich als Büroarbeitsplatz und als Warenlager betrieblich genutzten Raum unterliegen der Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer, wenn der Raum nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, vor allem aufgrund seiner Ausstattung und Funktion, ein typisches häusliches Büro ist und die Ausstattung und Funktion des Raums als Lager dahinter zurücktritt.
2. Wird der betrieblich genutzte Raum nicht überwiegend durch seine Funktion und Ausstattung als häusliches Büro geprägt, so ist bei der Berechnung der Raumkosten der betriebliche Nutzungsanteil im Verhältnis der Fläche des Raums zur Gesamtfläche aller Räume des Gebäudes einschließlich der Nebenräume zu ermitteln (Fortführung des Senatsurteils vom 5.9.1990, X R 3/89, BStBl II 1991, 389).
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG
Sachverhalt
Der Kläger ist Handelsvertreter für Werbe- und Dekorationsmittel, Preisausstattungssysteme und Verpackungsmittel. Er nutzte einen im Keller seines Einfamilienhauses gelegenen 35 qm großen Raum sowohl als Büroarbeitsplatz denn auch zur Lagerung seines Warensortiments. Er ermittelte die auf diesen Raum entfallenden Gesamtkosten mit 12.694 DM.
Hiervon machte er den nach seiner Berechnung auf die Lagerfläche (25 qm) entfallenden Anteil (9.067 DM) in vollem Umfang und den auf die Fläche des Arbeitsbereichs (10 qm) entfallenden Anteil (3.627 DM) i.H.v. 2.400 DM als Betriebsausgaben geltend.
Das FA berücksichtigte dagegen nur insgesamt 2.400 DM als Betriebsausgaben. Die Klage blieb vor dem FG erfolglos. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Entscheidung
Der BFH wies zunächst darauf hin, dass der zu unterschiedlichen Zwecken genutzte Raum einheitlich zu beurteilen sei. Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen unterlägen nur dann der von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG statuierten Abzugsbeschränkung, wenn der Raum nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, vor allem aufgrund seiner Ausstattung und Funktion, ein typisches häusliches Büro sei und die Ausstattung und Funktion des Raums als Lager dahinter zurücktrete.
Insoweit komme es auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls an. Entscheidend sei dabei, welche der beiden Nutzungsarten dem Raum nach seiner Funktion und Ausstattung das Gepräge gebe.
Dies habe das FG im zweiten Rechtsgang aufzuklären und zu beurteilen.
Hinweis
1. Ob ein Raum als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 23.9.1999, VI R 74/98, BStBl II 2000, 7). Das häusliche Arbeitszimmer ist typischerweise mit Büromöbeln ausgestattet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 28.8.2003, IV R 53/01, BFH-PR 2004, 44).
Die Ausstattung mit einem Schreibtisch ist indessen nicht zwingend erforderlich. Ebenso wenig muss der Raum für die Verrichtung menschlicher Arbeit von einer gewissen Dauer hergerichtet sein. So kann etwa ein beruflich genutzter Archivraum, in dem Bücher, Akten und Unterlagen aufbewahrt, gesichtet und herausgesucht werden, der vorbereitenden und unterstützenden Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dienen und dadurch (Teil-)Funktionen erfüllen, die typischerweise einem häuslichen Arbeitszimmer zukommen.
Andererseits sind Räume, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, auch dann nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, wenn sie ihrer Lage nach mit den Wohnräumen des Steuerpflichtigen verbunden und deswegen in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 19.9.2002, VI R 70/01, BFH-PR 2003, 88; BFH-Urteil vom 19.3.2003, VI R 40/01, BFH/NV 2003, 1163, betr. Lagerraum).
2. Dient ein Raum – wie im Streitfall – unterschiedlichen Zwecken, so ist nicht etwa eine Aufteilung nach den auf die unterschiedlichen Nutzungsarten entfallenden Flächen vorzunehmen. Vielmehr ist eine einheitliche Beurteilung geboten. Entscheidend ist, welche Nutzungsart dem Raum entsprechend seiner Funktion und Ausstattung bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls das Gepräge gibt.
Das Besprechungsurteil legt ausführlich die hierbei maßgebenden Kriterien dar. Dabei können in diese Abwägung insbesondere einzubeziehen sein
- die funktionelle Bedeutung der jeweiligen Raumnutzung für den Betrieb des Steuerpflichtigen, also die Frage, ob der Betrieb als solcher in stärkerem Maß durch Lagerhaltung oder aber überwiegend durch Bürotätigkeiten geprägt wird,
- der räumliche und zeitliche Umfang der jeweiligen Nutzung sowie
- der bei Inaugenscheinnahme der Raumausstattung objektiv vorherrschende Gesamteindruck, der sich danach bestimmt, ob der Schreibtisch bzw. die Büroeinrichtung oder ob nicht vielmehr die aufgestellten Regale, Stau- und Ablagevorrichtungen die den Raum prägenden Möbelstücke darstellen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.11.2006, X R 1/05