Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Die unrichtige Auslegung eines Antrags, der eine Unterschreitung des Aussetzungsantrags zur Folge hat, stellt keine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG dar und kann demzufolge nicht nach § 133a FGO gerügt werden.
Sachverhalt
Die Antragstellerin (Astin.) wendet sich mit der Anhörungsrüge gegen den Beschluss v. 23.7.2012, 7 V 2641/11, mit dem die von ihr beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) diverser Steuerbescheide in vollem Umfang bzw. zum überwiegenden Teil angeordnet wurde. Sie ist der Meinung, dass FG habe ihren Antrag, der die AdV der Bescheide ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zum Gegenstand gehabt habe, rechtsfehlerhaft dahingehend ausgelegt, dass sie die AdV (nur) für die Dauer des Einspruchsverfahrens beantragt habe. Als Folge habe das FG die (teilweise) Gewährung der AdV nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuern zurückbezogen. Zudem habe das FG sich nicht mit allen Einzelheiten des umfangeichen Vortrags in der Antragsbegründung auseinandergesetzt.
Entscheidung
Das FG entscheidet, dass die Anhörungsrüge unbegründet ist. Eine unrichtige Auslegung eines Antrags, der eine Unterschreitung des Aussetzungsantrags zur Folge hat, stellt keine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör dar, sondern eine Verletzung von § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO.
Mit ihrer Rüge, das Gericht habe sich in der Begründung der AdV-Entscheidung nicht mit allen Einzelheiten des Vortrags auseinandergesetzt, kann die Astin. ebenfalls nicht nach § 133a FGO gehört werden. Art. 103 Abs. 1 GG normiert keine Pflicht des Gerichts, sich in der Begründung der Entscheidung in einem Aussetzungsverfahren, in dem eine summarische Prüfung stattfindet, mit allen Einzelheiten eines hundertzehnseitigen Vortrags zuzüglich umfangreicher Anlagen ausdrücklich auseinanderzusetzen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG setzt die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG besondere Umstände voraus, die verdeutlichen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist.
Hinweis
Die Anhörungsrüge ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf. Sie ermöglicht dem Gericht, das eine an sich unanfechtbare und deshalb mit der Bekanntgabe formell rechtskräftige Entscheidung getroffen hat, eine nachträgliche Selbstkontrolle und ggf. eine die Rechtskraft der bereits getroffenen Entscheidung beiseite schiebende Fortsetzung des Verfahrens. Voraussetzung hierfür ist, dass das Gericht zu der Erkenntnis gelangt, dass der Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in dem bisherigen Verfahren nicht gewahrt worden ist.
Link zur Entscheidung
FG München, Beschluss vom 18.09.2012, 7 V 2459/12