Dipl.-Finanzwirt (FH) Willi Dittmann
Rz. 577
[Kinderfreibetrag und Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung → Zeilen 10–15, 38–43]
Jedem Elternteil steht für jedes Kind ab 2023 ein Kinderfreibetrag von jährlich 3.012 EUR zu (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG; verdoppelt 6.024 EUR). Der "einfache" Freibetrag gilt für nicht verheiratete, getrennt lebende oder geschiedene Eltern und für verheiratete Eltern, die Einzelveranlagung wählen. Der Freibetrag wird für alle Monate gewährt, in denen das Kind berücksichtigt werden kann (Monatsprinzip) und ggf. gezwölftelt.
Verdoppelter Kinderfreibetrag
Werden die Eltern eines Kindes als Ehegatten zusammen veranlagt, verdoppelt sich der (jetzt gemeinsame) Jahresfreibetrag für das Kind auf 6.024 EUR.
Auch ein einzelner Elternteil kann den verdoppelten Kinderfreibetrag von 6.024 EUR erhalten, wenn
- der andere Elternteil verstorben ist,
- der andere Elternteil nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist (Wohnsitz im Ausland),
- der Vater des Kindes amtlich nicht feststellbar ist (weil z. B. die Mutter den Behörden den Namen verschweigt),
- der Wohnsitz des anderen Elternteils nicht bekannt ist,
- das Kind von einer Person allein adoptiert wurde oder
- das Kind nur zu einer Person in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
Immer dann, wenn der einfache Freibetrag angesetzt wird, ist bei der Vergleichsberechnung der halbe Kindergeldanspruch gegenzurechnen und entsprechend auf der Anlage Kind einzutragen. Wird der verdoppelte Kinderfreibetrag berücksichtigt, erfolgt bei der Vergleichsberechnung die Gegenrechnung mit dem ganzen Kindergeld.
Rz. 578
Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung
Unter den gleichen Voraussetzungen wie beim Kinderfreibetrag erhalten die Eltern für das berücksichtigungsfähige Kind den Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung.
Der Freibetrag beträgt 2023 jährlich 1.464 EUR je Elternteil und verdoppelt sich auf 2.928 EUR in den gleichen Fällen, in denen auch der verdoppelte Kinderfreibetrag angesetzt wird (→ Tz 577). Wie beim Kinderfreibetrag gilt auch hier das Monatsprinzip.
Rz. 579
[Freibeträge bei Auslandskindern → Zeile 9]
Für im Ausland lebende Kinder, die im Inland keinen Wohnsitz haben, also nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, können die beiden Freibeträge, abhängig von den Verhältnissen im Wohnsitzstaat eventuell nur in niedrigerer Höhe (1/4, 2/4, 3/4 des inländischen Freibetrags) berücksichtigt werden (§ 32 Abs. 6 Satz 4 EStG). Dazu wurde durch die Verwaltung eine Ländergruppeneinteilung vorgenommen (BMF, Schreiben v. 11.11.2020, IV C 8 – S 2285/19/10001:002, BStBl 2020 I S. 1134).
Die Einteilung gilt auch für andere, vom Kind abhängige Steuervergünstigungen z. B. den Freibetrag zur Abgeltung des Sonderbedarfs eines in Ausbildung befindlichen, auswärtig untergebrachten Kindes (→ Tz 587).
Ob ein sich im Ausland in Berufsausbildung befindliches Kind noch einen Wohnsitz im Inland hat und damit unbeschränkt steuerpflichtig bleibt, ist nur nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen. Erforderlich ist bei einem über ein Jahr dauernden Auslandsaufenthalt, dass dem Kind im inländischen Haushalt der Eltern zum dauerhaften Wohnen geeignete Räume zur Verfügung stehen, es diese objektiv jederzeit nutzen kann und tatsächlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit nutzt, d. h. sich in der ausbildungsfreien Zeit zumindest überwiegend – mehr als die Hälfte der ausbildungsfreien Zeit – dort aufhält (BFH, Urteil v. 28.4.2022, III R 12/20, HI15288440, BFH/NV 2022 S 1138, und v. 21.6.2023, III R 11/21, BFH/NV 2023 S. 1125).
Rz. 580
[Übertragung der Freibeträge → Zeilen 38–43]
Eine Übertragung des Kinderfreibetrags von einem auf den anderen Ehegatten ist nur möglich, wenn das Kind (nur) bei einem Elternteil lebt und der andere Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung dem Kind gegenüber "nicht im Wesentlichen" nachkommt. Das ist der Fall, wenn im Jahr weniger als 75 % des festgelegten Unterhalts gezahlt wurde. In diesem Fall kann der Elternteil, bei dem das Kind lebt, auf Antrag den verdoppelten Kinderfreibetrag erhalten (Übertragung des Kinderfreibetrags). Die Zustimmung des zum Unterhalt verpflichteten Elternteils ist dazu nicht notwendig. Die Übertragung geht jedoch nur für Zeiträume, in denen keine Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (für Kinder bis zum 14. Lebensjahr) gezahlt wurden (§ 32 Abs. 6 Sätze 6–7 EStG). Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, erfüllt seine Unterhaltsverpflichtung i. d. R. durch Pflege und Erziehung des Kindes.
Übertragung wegen unzureichendem Unterhalt
Ein Vater ist für seinen zwölf Jahre alten Sohn für das ganze Jahr mit 480 EUR monatlich zum Unterhalt verpflichtet. Er zahlt bis August den Unterhalt in voller Höhe und für September noch 200 EUR. Ab Oktober erfolgen keine Zahlungen mehr.
Der für das Jahr zu zahlende Unterhalt beträgt 5.760 EUR (12 × 480 EUR). Davon wurden 4.040 EUR (8 × 480 EUR + 200 EUR) gezahlt. Das entspricht nur 70 % des aufgrund der Unterhaltsverpflichtung zu zahlendem Betrags. Damit kann die Mutter die Übertragung des Kind...