Leitsatz
Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass ein Alleingesellschafter-Geschäftsführer einen ihm zur Verfügung stehenden betrieblichen Pkw unabhängig von einem vereinbarten Nutzungsverbot auch für private Fahrten nutzt, da nicht zu erwarten ist, dass ein Verstoß gegen ein Privatnutzungsverbot aufgrund des fehlenden
Interessengegensatzes eine Konsequenz nach sich ziehen würde. Die private Nutzung eines Pkw führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, die nicht mit dem lohnsteuerrechtlichen Wert, sondern im Rahmen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auf der Ebene der Kapitalgesellschaft nach Maßstäben eines Fremdvergleichs zu bewerten ist.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Klägerin eine vGA aufgrund einer privaten Nutzung eines betrieblichen Pkw durch ihren alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer zu berücksichtigen war. Das Finanzamt nahm für einen Firmenwagen der gehobenen Mittelklasse eine private Mitnutzung durch den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer an und rechnete außerbilanziell eine vGA im Höhe von 4.000 EUR dem zu versteuernden Einkommen der GmbH hinzu. Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor, der Firmenwagen werde von dem Geschäftsführer ausschließlich betrieblich genutzt und er sei verpflichtet, den Pkw nach Geschäftsschluss auf dem Firmengelände abzustellen. Es liege zudem ein vertragliches Nutzungsverbot für Privatfahrten mit dem Pkw vor.
Entscheidung
Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen, da das Finanzamt dem Grunde nach zu Recht aufgrund eines von der Klägerin nicht erschütterten Anscheinsbeweises im Zusammenhang mit der privaten Nutzung des Pkw eine verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG außerbilanziell hinzugerechnet hat. Da es sich bei der privaten Nutzung eines Pkw um eine steuerbegründende Tatsache handelt, trägt grundsätzlich das Finanzamt die objektive Beweislast dafür, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer den betrieblichen Pkw tatsächlich zu privaten Zwecken genutzt hat. Die Regeln der Feststellungslast kommen jedoch erst zum Zuge, wenn das zu beweisende Tatbestandsmerkmal nicht ersichtlich ist. Zuvor ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu prüfen, ob sich das FG ggf. unter Anwendung der Regeln des Anscheinsbeweises, eine Überzeugung von den tatsächlichen Lebensumständen bilden kann. Ein solcher Beweis des ersten Anscheins trägt der allgemeinen Lebenserfahrung Rechnung. Er beruht auf der Erfahrung, dass gewisse typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen. Der Anscheinsbeweis greift nur in Fällen ein, in denen ein gewisser Sachverhalt feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Ablauf hinweist. Liegt ein solcher Erfahrungssatz vor und sind seine Voraussetzungen erwiesen, so ist es Sache des nicht beweisbelasteten Beteiligten, einen vom gewöhnlichen Verlauf abweichenden Gang des Geschehens substantiiert darzulegen und zu beweisen. Aufgrund des Anscheinsbeweises steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Alleingesellschafter-Geschäftsführer den betrieblichen Pkw auch privat genutzt hat. Die Klägerin hat diesen Anscheinsbeweis nicht entkräften können.
Hinweis
Das FG hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Es ist klärungsbedürftig, ob für den Fall eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH ein Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass er einen ihm überlassenen betrieblichen Pkw, für den er mit der von ihm vertretenen Gesellschaft ein Privatnutzungsverbot vereinbart hat, nicht ausschließlich dienstlich, sondern auch privat nutzt.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil v. 28.04.2023, 10 K 1193/20 K,G,F