Leitsatz

Ein Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 3 AufenthG hat nur dann Anspruch auf Kindergeld, wenn die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in dem Aufenthaltstitel ausdrücklich erlaubt wird.

 

Normenkette

§ 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 4 Abs. 2, § 34 Abs. 3 AufenthG

 

Sachverhalt

Die aus der Ukraine stammende Klägerin reiste 2004 im Wege des Kindernachzugs in die Bundesrepublik ein. Ihr war nach der im Mai 2004 erteilten Aufenthaltserlaubnis eine selbstständige oder vergleichbare unselbstständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet, eine arbeitsgenehmigungspflichtige Erwerbstätigkeit nur gem. gültiger Arbeitsgenehmigung. Seit dem 08.09.2006 war sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 3 AufenthG; eine selbstständige Erwerbstätigkeit war ihr nicht gestattet, eine Beschäftigung nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde. Erst im August 2007 wurde die Beschäftigung uneingeschränkt erlaubt.

Die Familienkasse lehnte den Antrag der Klägerin auf Kindergeld für ihren im Oktober 2006 geborenen Sohn ab. Ein Anspruch bestehe nur, wenn die Aufenthaltserlaubnis zu einer Erwerbstätigkeit berechtige. Bei einer Aufenthaltserlaubnis wegen Familiennachzugs nach § 34 Abs. 3 AufenthG müsse eine Beschäftigung durch die Ausländerbehörde ausdrücklich genehmigt werden.

Das FG wies die Klage ab (Sächsisches FG, Urteil vom 08.06.2009, 5 K 1541/07 (Kg), Haufe-Index 2216942), die die Klägerin damit begründet hatte, dass die eingeschränkte Erlaubnis verfassungskonform als Erlaubnis der Erwerbstätigkeit auszulegen sei. Die der Klägerin im Streitzeitraum Oktober 2006 bis März 2007 erteilte Aufenthaltserlaubnis habe eine selbstständige Tätigkeit aber ausdrücklich nicht und die Aufnahme einer Beschäftigung nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde gestattet.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG.

 

Hinweis

1. Die 2006 in Kraft getretene Neuregelung der Kindergeldberechtigung von Ausländern in § 62 Abs. 2 EStG erfasst rückwirkend alle Fälle, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist. Bei nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern hängen die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld von der Qualität ihres Aufenthaltstitels ab; § 62 Abs 2 EStG verweist dazu auf deren Rechtsgrundlagen im Aufenthaltsgesetz. Maßgeblich ist der tatsächlich erteilte Titel und nicht, ob dem Ausländer ein besserer Titel zugestanden hätte. Der BFH hält die Neuregelung für verfassungsgemäß, obwohl das BSG die wortgleiche Regelung des § 1 Abs. 6 BErzGG dem BVerfG vorgelegt hat, denn das Kindergeld wird im Gegensatz zum Erziehungsgeld als Einkommen auf Sozial­leistungen angerechnet (vgl. BFH, Urteil vom 28.04.2010, III R 1/08, BFH/NV 2010, 1540, BFH/PR 2010, 333).

2. Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis erhält Kindergeld nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG nur, wenn die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, es sei denn, es handelt sich um eine Erlaubnis i.S.d. § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a bis c EStG. Die Berechtigung kann sich allgemein aus den für den jeweiligen Titel geltenden Bestimmungen des AufenthG oder dem konkret erteilten Titel ergeben; jeder Aufenthaltstitel muss erkennen lassen, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist (§ 4 Abs. 2 AufenthG). Aufenthaltserlaubnisse, die – wie im Streitfall – eine selbstständige Erwerbstätigkeit nicht gestatten und eine Beschäftigung nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde zulassen, gehören nicht dazu.

3.§ 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG enthält keine ungewollte Regelungslücke, die zu einer Analogie berechtigen würde. Im Gegenteil: Der Vorschlag des Bundesrats, bei Aufenthaltserlaubnissen nach den §§ 32, 33, 34 AufenthG (Kindernachzug oder Geburt im Bundesgebiet) den Anspruch auf Kindergeld nicht an die Berechtigung zu einer Erwerbstätigkeit zu knüpfen, ist nicht Gesetz geworden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.08.2010 – III R 47/09

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