Aufwendungen, die ein häusliches Arbeitszimmer betreffen, waren nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b letzter Halbsatz a.F. EStG bis zum VZ 2022 in vollem Umfang als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abziehbar, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen gebildet hat.
Es kam in diesem Fall nicht zu einer Begrenzung des Aufwands auf den damaligen Maximalbetrag i.H.v. 1.250 EUR.
Ab dem VZ 2023 können Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur noch in Anspruch genommen werden, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Nur noch in diesem Fall sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar. Andersherum ausgedrückt können also keinerlei Aufwendungen, die ein häusliches Arbeitszimmer betreffen, geltend gemacht werden, wenn das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung kann bzgl. des sog. Tätigkeitsmittelpunkt i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG auf den inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen abgestellt werden und diesbezüglich auch auf die Rechtsprechung und die Verwaltungsanweisungen zur alten (bis 2022 geltenden) Rechtslage zurückgegriffen werden.
Bei isolierter Betrachtung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen bzgl. eines häuslichen Arbeitszimmer liegt m. E. allerdings eine erhebliche Verschärfung der bislang geltenden Regelungen vor. Diesbezüglich ließen sich – auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Homeoffice-Pauschale in maximaler Höhe von 1.260 EUR - verfassungsrechtlichen Bedenken bzgl. des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG und des objektiven Nettoprinzips äußern. Vor diesem Hintergrund kann die Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zum Tätigkeitsmittelpunkt in seiner jetzigen Bedeutung m.E. durchaus in Frage gestellt werden.
Nach der BFH-Rechtsprechung liegt bei einem – freien oder angestellten – Handelsvertreter der Tätigkeitsschwerpunkt außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers, wenn die Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durch die Arbeit im Außendienst geprägt ist, auch wenn die zu Hause verrichteten Tätigkeiten zur Erfüllung der beruflichen Aufgaben unerlässlich sind. Die Finanzverwaltung wird diese Rechtsprechung sicherlich auch bzgl. der "Mittelpunktfrage" im nunmehr geltenden Recht anwenden. Dies sollte m.E. aber insbesondere vor dem Hintergrund der sich dynamisch verändernden Arbeitswelt und der zudem veränderten Bedeutung des Tatbestandsmerkmals im nunmehr geltenden Regelungsgefüge kritisch hinterfragt werden.
Kritische Neubewertung der Mittelpunktfrage
Betrachtet man beispielsweise einen Steuerpflichtigen der mehrere oder auch nur eine Autowaschstraße, Tankstelle, Ladepark für E-Autos oder eine Automatenspielhalle betreibt, vor Ort zu Beginn der Tätigkeit die entsprechenden Automaten bzw. Einrichtungen "aufstellt", sie dann in Betrieb nimmt aber fortan online/remote aus seinem häuslichen Arbeitszimmer steuert und überwacht und nur zu gelegentlichen Wartungen die Betriebsstätten aufsucht. In einem so gelagerten Sachverhalt sollte vor dem Hintergrund der nun gestiegenen Bedeutung der Mittelpunktfrage, das Tatbestandsmerkmal entsprechend weitblickender gewürdigt werden.
Nach bisheriger Rechtsprechung zum Tätigkeitsmittelpunkt liegt der Schwerpunkt einer Betätigung qualitativ dort, wo der Steuerpflichtige die Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind.
Nicht entscheidend ist somit der zeitliche (quantitative) Umfang. Dem quantitativen Umfang der Nutzung kommt im Rahmen der ‹Mittelpunkts-Beurteilung› nur indizielle Bedeutung zu. Nur wenn der Steuerpflichtige sowohl im häuslichen Arbeitszimmer als auch am außerhäuslichen Arbeitsort nur eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit ausübt, die in qualitativer Hinsicht gleichwertig ist, liegt der Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer, wenn der Steuerpflichtige mehr als die Hälfte der Arbeitszeit dort tätig wird.
Übt der Steuerpflichtige mehrere unterschiedliche im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende Tätigkeiten aus, ist zwar nicht erforderlich, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt "jedweder" oder "einer jeden einzelnen betrieblichen und beruflichen Tätigkeit" bilden muss. Gleichwohl bedarf es zunächst der Bestimmung des jeweiligen Betätigungsmittelpunktes der einzelnen betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, um sodann auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit nach dem Mittelpunkt der Haupttätigkeit zu bestimmen. Fehlt für die Feststellung einer solchen Haupttätigkeit eine insoweit indizielle nichtselbstständige Vollzeitbe...