Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Ein Kind, das als Unteroffiziersanwärter (Soldat auf Zeit) zum Telekommunikationselektroniker ausgebildet wird, befindet sich in einer Berufsausbildung gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Anschluss an BFH, Urteil vom 16.4.2002, VIII R 58/01, BStBl II 2002, 523).
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
Sachverhalt
Der Sohn S der Klägerin trat nach Beendigung seiner Schulzeit und einer Übergangszeit von einem Monat seinen Dienst als Zeitsoldat bei der Bundeswehr an. Er hatte sich für zwölf Jahre verpflichtet und wurde als Unteroffizier eingestellt. Im Rahmen seines Dienstes ließ er sich zum Telekommunikationselektroniker ausbilden.
Der Beklagte hob unter Hinweis auf § 70 Abs. 2 EStG die Kindergeldfestsetzung mit der Begründung auf, S habe sich nicht mehr in Berufsausbildung befunden. Das FG wies die dagegen erhobene Klage als unbegründet ab.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Eine Berufsausbildung könne sowohl bei einer Ausbildung zum Offizier als auch bei einer Ausbildung zum Fachunteroffizier vorliegen. Das gelte jedenfalls für die Zeit, in der der Soldat im Rahmen seines Dienstverhältnisses tatsächlich ausgebildet werde und unabhängig davon, dass der Beruf als Zeitsoldat von vielen auch als Dauerberuf ausgeübt werde.
Allerdings sei zu prüfen, ob unter Beachtung der Übergangszeit zwischen Schule und Dienstantritt mit den Einkünften und Bezügen des S der Jahresgrenzbetrag überschritten sei. Diese Prüfung müsse das FG noch nachholen.
Hinweis
Kindergeld wird u.a. auch für Kinder in Berufsausbildung gewährt (§ 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG). Der Begriff der Berufsausbildung ist weit auszulegen; darunter fällt alles, was dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen für einen angestrebten Beruf dient.
Auslegungsprobleme ergeben sich aber vor allem dann, wenn das Kind bereits einen Beruf hat, der ihm den Lebensunterhalt sichert und es entweder neben diesem oder über diesen eine Ausbildung verfolgt. Bei einem Soldaten auf Zeit kann beides vorliegen; er kann z.B. neben seinem Dienst ein Studium aufnehmen, er kann aber auch im Rahmen seines Dienstes ein höher gestecktes Berufsziel anstreben. Zu dieser zweiten Kategorie gehört der hier entschiedene Fall der Ausbildung zum Fachunteroffizier.
Der BFH hatte sich mit diesem Problem bereits in seiner Entscheidung zur Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Offizier zu befassen (BFH, Urteil vom 16.4.2002, VIII R 58/01, BStBl II 2002, 523, ich verweise auf meine Anmerkung in BFH-PR 2002, 329). Er führt diese Rechtsprechung mit dem vorliegenden Urteil nunmehr fort. Auch ein Unteroffizier, der nicht nur als Mannschaftsdienstgrad Dienst tut, sondern sich in Lehrgängen fortbildet, um ein höheres – militärisches oder ziviles – Berufsziel zu erreichen, ist ein "Kind in Berufsausbildung".
Bemerkenswert an dieser Rechtsprechung ist, dass der BFH an der weiten Auslegung des Begriffs der "Berufsausbildung" festhält und die Folgen dieser Auslegung noch dadurch verstärkt, dass er nicht nur die Dienstverhältnisse als unschädlich ansieht, die üblicherweise als Dauerberuf ausgeübt werden, sondern auch die Rechtsprechung praktisch aufgibt, dass sich Kinder, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen, grundsätzlich nicht in Berufsausbildung befinden (vgl. dazu die Nachweise im BFH, Urteil vom 14.5.2002, VIII R 61/01, BStBl II 2002, 807 zu II. 2.a bb der Gründe, BFH-PR 2002, 407). Die gebotene Einschränkung ergibt sich aus § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG; wer einen Dauerberuf mit Vollzeiterwerbstätigkeit ausübt, wird mit seinen Einkünften und Bezügen regelmäßig den in dieser Bestimmung festgesetzten Jahresgrenzbetrag überschreiten.
Der den Grundwehrdienst ableistende Soldat wird durch diese Rechtsprechung nicht benachteiligt. Er wird zwar beim Kindergeld nicht berücksichtigt (BFH, Urteil vom 4.7.2001, VI B 176/00, BFH-PR 2001, 377), wenn er sich nicht nebenher ausbilden lässt (vgl. dazu die Anmerkung in BFH-PR 2002, 407). Das gilt aber auch für einen Zeitsoldaten, der nur seinen Dienst ausübt und sich nicht gleichzeitig in Berufsausbildung befindet.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.7.2003, VIII R 19/02