Leitsatz
Die einheitliche Einkommensteuerschuld ist zum Zwecke der Geltendmachung im Insolvenzverfahren (im Jahr der Verfahrenseröffnung) hinsichtlich ihrer insolvenzrechtlichen Begründetheit aufzuteilen. Mit der Aufteilung wird bestimmt, welche Forderungen als Insolvenzforderungen (vorinsolvenzlicher Teil) oder als Masseverbindlichkeiten/insolvenzfreie Verbindlichkeiten (nachinsolvenzlicher Teil) zu qualifizieren sind. Nach denselben Grundsätzen richtet sich auch die Anforderung von Einkommensteuervorauszahlungen.
Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Steuerpflichtigen, welches am 12.2.2007 eröffnet wurde. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer 2007 auf 41.711 EUR + 2.180,25 EUR Solidaritätszuschlag fest. Nach der Aufteilung im Verhältnis der Teileinkünfte ermittelte das Finanzamt einen vorinsolvenzlichen Teil von 53,81 % (22.444,69 EUR Einkommensteuer + 1.173,19 EUR Solidaritätszuschlag) und einen nachinsolvenzlichen Teil von 46,19 % (19.266,31 EUR Einkommensteuer + 1.007,06 EUR Solidaritätszuschlag). Der Kläger leistete aus der Insolvenzmasse folgende Vorauszahlungen: 1. Quartal 2007 7.360,72 EUR Einkommensteuer + 386,96 EUR Solidaritätszuschlag (berechnet 47/90 Tage ab 12.2.2007 - 31.3.2007), 2. Quartal 14.095 EUR Einkommensteuer + 741 EUR Solidaritätszuschlag und 4. Quartal 11.115 EUR Einkommensteuer und 546 EUR Solidaritätszuschlag. Nach Anrechnung von 70 EUR Steuerabzugsbeträgen sowie der Einkommensteuervorauszahlungen von 32.570,12 EUR + 1.673,96 EUR Solidaritätszuschlag ergab sich somit für 2007 eine verbleibende Einkommenssteuerschuld von 9.070,28 EUR + 502,53 EUR Solidaritätszuschlag. Das Finanzamt ging im Abrechnungsbescheid und nachfolgend im Einspruchsverfahren mit Hinweis auf Tz. 9.1.1 des Anwendungserlasses zur AEAO zu § 251 AO davon aus, dass die verbleibende Einkommensteuerschuld in voller Höhe als Insolvenzforderung zu qualifizieren sei, da aufgrund der Verteilung einer einheitlichen Steuerschuld es nicht möglich ist, dass sich für den einen Vermögensbereich eine Erstattung und für den anderen eine Nachzahlung ergibt. Der Kläger ist dagegen der Auffassung, dass die Vorauszahlungen ausschließlich dem nachinsolvenzlichen Zeitraum zuzurechnen sind, sodass der Insolvenzmasse 13.437,72 EUR Einkommensteuer und 674,14 EUR Solidaritätszuschlag zu erstatten wären, weil die Vorauszahlungen analog der Steuerschuld dem Besteuerungszeitraum zuzurechnen seien, für den sie gezahlt worden sind.
Entscheidung
Auch das FG ist der Auffassung, dass die Klage begründet ist, soweit eine Verrechnung von Vorauszahlungen erfolgt ist, die nach Verfahrenseröffnung entstanden sind. Vorauszahlungen sind als Insolvenzforderungen geltend zu machen, wenn sie bereits zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung entstanden sind (hier für das 1. Quartal am 1.1.2007). Danach entstehende Vorauszahlungen zählen dagegen zu den Masseverbindlichkeiten. Eine Zerteilung einer Vorauszahlung unterbleibt. Demnach zählen die nach dem 12.2.2007 entstanden Vorauszahlungen (2. und 4. Quartal) zu den Masseverbindlichkeiten. Im Rahmen der Trennung von Festsetzungs- und Erhebungsverfahren ist somit zunächst die einheitliche Einkommensteuer nach den Vorgaben der InsO (BFH, Urteil v. 29.3.1984, IV R 271/83, BStBl 1984 II S. 602) im Verhältnis der Teileinkünfte aufzuteilen. Im 2. Schritt sind die jeweils gezahlten Beträge bzw. Vorauszahlungen zu verrechnen. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Vorauszahlungen vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind und damit zu den Insolvenzforderungen gehören oder nach Insolvenzeröffnung mit der Folge, dass sie zu den Masseverbindlichkeiten zu rechnen sind. Daher sind den Insolvenzforderungen 7.360,72 EUR Einkommensteuervorauszahlungen und 386,96 EUR Solidaritätszuschlagsvorauszahlungen und den Masseforderungen 25.210 Einkommensteuervorauszahlungen und 1.287 Solidaritätszuschlagsvorauszahlungen zuzurechnen, sodass sich für den Bereich der Insolvenzmasse ein Erstattungsanspruch i. H. v. 5.943,69 EUR Einkommensteuer und 279,94 EUR Solidaritätszuschlag ergibt.
Hinweis
Die vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassene Revision wurde vom Finanzamt eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. VII R 27/14 geführt. Ob der BFH sich der Meinung des FG anschließt, bleibt abzuwarten, ist aus meiner Sicht aber zweifelhaft. Ob ein Steuererstattungsanspruch zur Entstehung gelangt, ergibt sich erst aufgrund der gesamten Besteuerungsgrundlagen, die der Einkommensteuerveranlagung zugrunde zu legen sind, nach Ablauf des Kalenderjahrs. Vor diesem Zeitpunkt steht nicht fest, ob für das Kalenderjahr eine Einkommensteuer entstanden ist, die niedriger ist als die Vorauszahlungen, die der Steuerpflichtige geleistet hat (BFH, Urteil v. 6.2.1996, VII R 116/94, BStBl 1996 II S. 557). Dies bedeutet, ein Steuererstattungsanspruch kann nur dann entstehen, wenn die gesamten Vorauszahlungen die festzusetzende Steuer übersteigt. Wurde somit nach den Steuergesetzen eine ...