Leitsatz
Aufwendungen des Arbeitgebers führen bei einer zweitägigen Betriebsveranstaltung nicht zu Arbeitslohn, sofern die Freigrenze von 200 DM (110 €) eingehalten wird (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Nr. 1, § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, der ein Unternehmen betreibt, veranstaltete 1994 für seine Arbeitnehmer einen "Baudenabend". Die Aufwendungen für diese Veranstaltung betrugen 100 DM pro Teilnehmer. Die Veranstaltung dauerte zwei Tage (mit Übernachtung). Das FA vertrat die Auffassung, es handle sich – da zweitägig – um eine unübliche Veranstaltung und behandelte die Aufwendungen des Klägers als Arbeitslohn. Die Klage war erfolgreich.
Entscheidung
Nach Maßgabe der vorgenannten Gründe und Hinweise bestätigte der BFH die Vorentscheidung.
Hinweis
1. In ständiger Rechtsprechung ist der BFH (bisher) davon ausgegangen, dass eine mehrtägige Betriebsveranstaltung (noch) nicht als üblich anzusehen sei. Er vertrat deshalb die Ansicht, dass die den Arbeitnehmern in einem solchen Rahmen zukommenden Vorteile nicht allein dem Gelingen einer Gemeinschaftsveranstaltung (und damit dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers) dienten und die Dienste der Arbeitnehmer auf diesem Weg im besonderen Maß entgolten werden sollten. Dem BFH war zwar bewusst, dass manche Betriebe auch mehrtägige Betriebsveranstaltungen durchführten. Er beurteilte derartige Veranstaltungen (mit Übernachtung) bisher aber als "zurzeit noch nicht üblich".
2. Insbesondere im Schrifttum wurde hiergegen nicht zu Unrecht eingewandt, für die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn und Zuwendungen im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse sei die Dauer einer Veranstaltung ohne (nennenswerte) Bedeutung. Die Finanzverwaltung vertritt zwischenzeitlich auch die Auffassung, es komme nicht mehr auf die Dauer der einzelnen Veranstaltungen an (vgl. R 72 Abs. 3 Satz 2 LStR 2002).
3. Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH den berechtigten Einwänden der Praxis – jedenfalls teilweise – Rechnung getragen. Der BFH musste nicht darüber befinden, ob mehr als zweitägige Veranstaltungen als üblich zu betrachten sind.
Jedenfalls ist zutreffend und entspricht der Rechtswirklichkeit: Auch zweitägige Veranstaltungen können sich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. So können betriebsfunktionale Gründe dafür sprechen, mit einem Betriebsausflug erst am Freitag nach Dienstschluss zu beginnen und die Veranstaltung dann mit einer Übernachtung bis Samstag fortzusetzen.
Für Unternehmen, deren Betriebsstätten über das Bundesgebiet verteilt sind, kann eine derartige Veranstaltung die einzige Möglichkeit sein, alle Mitarbeiter gleichzeitig zusammenzubringen, damit die Arbeitnehmer sich persönlich kennen lernen und Erfahrungen austauschen können. Mehr als einen Tag dauernde Betriebsveranstaltungen können auch deshalb im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen, weil gerade durch das längere Zusammensein der Arbeitnehmer der Teamgedanke innerhalb des Unternehmens besonders gestärkt, das Verhältnis zu den Kollegen und Vorgesetzten verbessert und die Kommunikationsfähigkeit der Mitarbeiter untereinander erhöht werden können.
4. Nach Auffassung des BFH reicht jedenfalls bei einer zweitägigen Veranstaltung die Orientierung an der Freigrenze aus, um eine hinreichend genaue und zuverlässige Differenzierung zwischen Veranstaltungen im eigenbetrieblichen Interesse und Veranstaltungen mit Entlohnungscharakter vorzunehmen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.11.2005, VI R 151/99