Leitsatz
Die Befreiung der Betriebskapitalgesellschaft von der GewSt nach § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG erstreckt sich bei einer Betriebsaufspaltung auch auf die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit des Besitzpersonenunternehmens (Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung; vgl. dazu insbesondere BFH-Urteile vom 13.10.1983, I R 187/79, BStBl II 1984, 115; vom 12.11.1985, VIII R 282/82, BFH/NV 1986, 362; vom 19.3.2002, VIII R 57/99, BFH-PR 2002, 261).
Normenkette
§ 2 Abs. 1, § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG; § 15 Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Der verstorbene Ehemann der Klägerin erwarb 1989 ein psychiatrisches Wohn- und Pflegeheim, welches er anschließend einschließlich Inventar an die von ihm als Alleingesellschafter gegründete C-GmbH (Betriebsgesellschaft) verpachtete. Die C-GmbH betreibt seither das Wohn- und Pflegeheim. Sie ist gem. § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG von der GewSt befreit. Seit dem Tod ihres Mannes führt die Klägerin als dessen Alleinerbin das Pachtverhältnis mit der C-GmbH fort, deren alleinige Anteilseignerin sie ist.
Das FA ging davon aus, die Klägerin sei mit ihrem Verpachtungsbetrieb (Besitzunternehmen) nicht deshalb von der GewSt befreit, weil die C-GmbH die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt habe. Das FA erließ deshalb gegenüber der Klägerin die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 1990 bis 1996.
Das FG gab der Klage, mit welcher die Klägerin die Aufhebung der Gewerbesteuermessbescheide begehrte, statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 6.9.2000, 2 K 78/98, EFG 2001, 86). Die dagegen gerichtete Revision des FA blieb erfolglos.
Entscheidung
Der BFH hob hervor, dass es folgerichtig und geboten sei, den zur Begründung der Betriebsaufspaltung und damit zur Umqualifizierung der an sich vermögensverwaltenden Tätigkeit des Besitzunternehmens in eine gewerbliche Betätigung bemühten Gedanken der "wirtschaftlichen Verflechtung" zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen ebenso bei der Beantwortung der Frage heranzuziehen, ob sich die Gewerbesteuerbefreiung des Betriebsunternehmens auch auf das Besitzunternehmen erstrecke.
Die mit § 3 Nr. 20 GewStG verfolgten Zwecke (Verbesserung der Pflegestrukturen; Kostenentlastung bei den Trägern von Krankenhäusern, Pflegeheimen usw.) würden nur unvollkommen erreicht, wenn man eine Ausdehnung der Gewerbesteuerfreiheit auf das Besitzunternehmen ablehne.
Es komme hinzu, dass es schon bei der richterrechtlichen Schaffung des Rechtsinstituts der Betriebsaufspaltung – wie deren Entstehungsgeschichte belege – wesentlich auch darum gegangen sei, zu verhindern, dass der GewSt durch eine organisatorische Aufteilung des zur Verwirklichung der gewerblichen Tätigkeit dienenden Vermögens auf zwei eigenständige Rechtsträger ausgewichen werde.
Wo aber – wie hier wegen § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG – eine Gewerbesteuerpflicht gar nicht bestehe, könne eine solche auch nicht umgangen werden.
Hinweis
1. Die bisherige Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass ungeachtet der stets betonten rechtlichen Selbstständigkeit von Besitz- und Betriebsunternehmen (grundlegend: BFH, Beschluss vom 8.11.1971, GrS 2/71, BStBl II 1972, 63) die "genuin" vermögensverwaltende Tätigkeit der Vermietung und Verpachtung beim Besitzunternehmen nur deshalb als gewerblich qualifiziert wird, weil das Besitzunternehmen sachlich und personell mit dem gewerblich tätigen Betriebsunternehmen verflochten ist und folglich das Besitzunternehmen "über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt" (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 23.9.1998, XI R 72/97, BStBl II 1999, 281) bzw. "über das Betriebsunternehmen auf die Ausübung einer gewerblichen Betätigung gerichtet ist" (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 10.11.1982, I R 178/77, BStBl II 1983, 136).
Stellt man also für den "Belastungsgrund" der Gewerblichkeit des Besitzunternehmens auf den Gedanken der personellen und sachlichen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen ab, so erscheint es inkonsequent, sich beim "Entlastungsgrund" der Gewerbesteuerbefreiung von diesem Gedanken zu lösen und stattdessen dem Gebot einer strikten Trennung das Wort zu reden (vgl. z.B. auch Seer, BB 2002, 1833; Söffing, BB 1998, 2289; im Übrigen siehe schon die "Praxis-Hinweise" in BFH-PR 2004, 359 f.).
2. Der in dieser Sache zunächst beim Großen Senat anhängige Vorlagebeschluss vom 12.5.2004, X R 59/00 (BStBl II 2004, 607, BFH-PR 2004, 359) konnte aufgehoben werden, nachdem zwischenzeitlich alle betroffenen Senate des BFH dem durch das Besprechungsurteil eingeleiteten Rechtsprechungswandel zugestimmt haben.
3. Die ertragsteuerlichen Auswirkungen der entschiedenen Rechtsfrage sind nach der nunmehr – gem. § 35 EStG ab 2001 – möglichen pauschalierten Anrechnung der GewSt auf die ESt geringer als vor dieser Gesetzesänderung. Gleichwohl ist die entschiedene Rechtsfrage auch nach aktuellem Recht in den Fällen relevant, in denen die Gewerbesteuerbelastung infolge überdurchschnittlicher Hebesätze durch die in § 35 EStG ab 2001 ...