Leitsatz
Ist Gegenstand einer mittelbaren Grundstücksschenkung ein Grundstück mit einem noch zu errichtenden Gebäude, ist – jedenfalls in den Fällen, in denen der Schenker den zum Erwerb erforderlichen Geldbetrag bereits zur Verfügung gestellt hat – die Schenkung ausgeführt, wenn sowohl die Auflassung erklärt und die Eintragungsbewilligung erteilt, als auch das Gebäude fertig gestellt ist. (Abgrenzung zu den BFH-Entscheidungen vom 4.12.2002, II R 75/00, BStBl II 2003, 273, BFH-PR 2003, 192, und vom 5.6.2003, II B 74/02, BFH/NV 2003, 1425).
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG
Sachverhalt
Der Kläger erwarb im Dezember 1994 elf Miteigentumsanteile an einem Grundstück jeweils verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung in einem noch zu errichtenden Gebäude. Das dafür erforderliche Geld hatte ihm der Vater schenkweise zur Verfügung gestellt und noch 1994 unmittelbar dem Verkäufer überwiesen. Das Gebäude war Ende 1995 fertig gestellt. Die Auflassung und die Eintragungsbewilligung wurden allerdings erst 1998 erklärt bzw. erteilt.
Das FA stimmte dem Kläger zwar darin zu, dass es sich um mittelbare Grundstücksschenkungen handle; anders als der Kläger nahm es aber an, diese seien nicht schon mit der Fertigstellung des Gebäudes ausgeführt, sondern erst mit der Auflassung und Eintragungsbewilligung. Die Eigentumswohnungen seien daher nicht mit ihren Einheitswerten zu bewerten, sondern mit ihren Grundstückswerten.
Entscheidung
Der BFH bestätigt die Auffassung des FA. Es müssen sowohl die Ausführungsvoraussetzungen vorliegen, die bei der mittelbaren Schenkung eines bebauten oder unbebauten Grundstücks erforderlich sind, als auch die Ausführungsvoraussetzungen, die bei der mittelbaren Schenkung eines noch zu errichtenden Gebäude (auf einem dem Bedachten bereits gehörenden Grundstück) verlangt werden.
Hinweis
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist eine Grundstücksschenkung nicht erst dann ausgeführt, wenn das Grundstück auf den Bedachten umgeschrieben worden ist, sondern bereits dann, wenn die Parteien die Auflassung erklärt haben und der Schenker die Eintragungsbewilligung erteilt hat (vgl. dazu BFH, Urteil vom 2.2.2005, II R 26/02, BFH-PR 2005, 191). Dasselbe gilt bei der mittelbaren Grundstücksschenkung allerdings mit der Maßgabe, dass nicht der Schenker an der Auflassung beteiligt ist und die Eintragungsbewilligung erteilt, sondern der Dritte, von dem der Bedachte das Grundstück käuflich erwirbt. Hinzukommen muss überdies, dass der Schenker das Geld bereits zur Verfügung gestellt hat und dies auch noch rechtzeitig geschehen ist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 10.11.2004, II R 44/02, BFH-PR 2005, 109 sowie vom 2.2.2005, II R 31/03, BFH-PR 2005, 341).
Von einer mittelbaren Grundstücksschenkung spricht man auch dann, wenn der Schenker lediglich die Bebauung eines dem Bedachten bereits gehörenden Grundstücks finanziert (BFH, Urteil vom 3.8.1988, II R 39/86, BStBl II 1988, 1025). In solch einem Fall ist die mittelbare Grundstücksschenkung ausgeführt, sobald das Gebäude fertig gestellt ist. In diesem Zeitpunkt erlangt der Bedachte gegenüber dem Schenker die freie Verfügung über das Gebäude (BFH, Urteil vom 4.12.2002, II R 75/00, BFH-PR 2003, 192).
Der dem Besprechungsurteil zugrunde liegende Sachverhalt stellt unter Ausführungsgesichtspunkten eine Verbindung der Grundfälle – nämlich der mittelbaren Schenkung eines (unbebauten) Grundstücks einerseits und eines zu errichtenden Gebäudes andererseits – dar. Daher liegt es nahe, dass bei einer derartigen Verbindung die mittelbare Schenkung erst dann ausgeführt sein kann, wenn die Ausführungserfordernisse beider Grundfälle kumulativ gegeben sind. Die Schenkung ist folglich bei einer derartigen Verbindung erst in dem Augenblick ausgeführt, in dem die letzte der erforderlichen Voraussetzungen erfüllt ist.
Zu beachten ist dabei, dass sich die Frage nach dem Ausführungszeitpunkt nur stellt, wenn zuvor geklärt ist, dass überhaupt eine mittelbare Grundstücksschenkung vorliegt. Dabei kommt es, wie auch in der Parenthese des Leitsatzes anklingt, darauf an, wann das Geld zugesagt und/oder geflossen ist.
Über den Wechsel in der Bewertungsmethode hinaus ist der Ausführungszeitpunkt insbesondere von Bedeutung für den Zehnjahreszeitraum des §14 Abs. 1. ErbStG.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.8.2006, II R 16/06