Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Wird ein im Blockmodell geführtes Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeit beendet und erhält der Arbeitnehmer für seine in der Arbeitsphase erbrachten Vorleistungen Ausgleichszahlungen, stellen diese Ausgleichszahlungen Arbeitslohn dar.
2. Solche Ausgleichszahlungen sind sonstige Bezüge i.S.d. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG, sodass sie nach dem Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zu erfassen sind.
Normenkette
§ 11 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 4, § 38a Abs. 1 Satz 2, § 38a Abs. 1 Satz 3, § 39b Abs. 5 Satz 2 EStG
Sachverhalt
K vereinbarte mit seinem Arbeitgeber einen Altersteilzeitvertrag im sog. Blockmodell. Danach blieb ab Oktober 2005 die wöchentliche Arbeitszeit bei reduzierter Entlohnung zunächst ungekürzt (Arbeitsphase). Ab 2008 sollte K von seiner Arbeitsleistung freigestellt werden (Freistellungsphase). Aufgrund einer Betriebsübertragung wurde jedoch das Arbeitsverhältnis einschließlich der Altersteilzeitabrede beendet. K hatte durch die in der Arbeitsphase erbrachte, jedoch nicht voll entlohnte Arbeitszeit ein Wertguthaben. Das zahlte der Arbeitgeber an K am 29.1.2007 aus. Während das FA die Auszahlung erst im Zuflussjahr 2007 erfassen wollte, setzte K sie in seiner ESt-Erklärung für 2006 an. Ks Klage auf Erfassung im Jahr 2006 blieb erfolglos (Niedersächsisches FG, Urteil vom 8.12.2010, 3 K 238/08, Haufe-Index 2711740).
Entscheidung
Der BFH bestätigte aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Entscheidung der Vorinstanz.
Hinweis
Die Kernfrage des Streitfalls, bei dem K zulässigerweise eine höhere ESt begehrte, war, ob Bezüge (Auszahlung des Wertguthabens für ein gescheitertes Blockmodell bei Altersteilzeit) ausnahmsweise abweichend vom Zuflussprinzip anzusetzen waren.
1. Bei Lohneinkünften gilt das Regel/Ausnahmeverhältnis von § 11 Abs. 1 Satz 1 und § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG.Regelmäßig sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie zugeflossen sind. Bei Lohneinkünften verweist ausnahmsweise§ 11 Abs. 1 Satz 4 EStG auf § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG. Danach gilt (Fiktion!) Lohn in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet. Typischer Anwendungsfall: der Dezemberlohn wird am 3.1. des Folgejahres ausgezahlt. Der Lohn gilt danach dennoch als im Vorjahr zugeflossen. Diese Ausnahmeregelung gilt aber nicht für sonstige Bezüge, also Lohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (§ 38a Abs. 1 Satz 3 EStG).
2. Nach diesen Grundsätzen war die Auszahlung des Wertguthabens als sonstiger Bezug im Jahr des tatsächlichen Zuflusses (2007) anzusetzen. Das eigentlich vereinbarte Altersteilzeitmodell war gescheitert. K hätte nämlich vorleisten sollen, um später Bezüge auch während der Freistellung von der Arbeitsleistung zu erhalten. Endet ein solches im Blockmodell geführtes Altersteilzeitarbeitsverhältnis vorzeitig, ist die vom Arbeitnehmer erbrachte Vorleistung auszugleichen (z.B. BAG, Urteil vom 14.10.2003, 9 AZR 146/03, BAGE 108, 94). Dieser vom BAG grundsätzlich bestätigte Anspruch auf Ausgleichszahlung beurteilte der BFH nun angesichts des Charakters des Ausgleichsanspruchs – Ausgleich für unvorhergesehene vorzeitige Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses – als nicht regelmäßig zufließendes Entgelt und damit nicht als laufenden Arbeitslohn i.S.d. § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG. Die teilweise diskutierte Frage, ob die Fristausdehnung, die nach § 39b Abs. 5 Satz 2 EStG für Abschlagszahlungen und Vorschüsse gilt, im Streitfall des K entsprechend anzuwenden ist, ließ der BFH hier dahinstehen. Denn auch diese Regelung gilt jedenfalls nur für laufenden Arbeitslohn i.S.d. § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 15.12.2011 – VI R 26/11