Leitsatz
1. Gewinnabführungsverträge sind nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte im Vertrag finden, können zur Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Die Korrektur einer Unstimmigkeit in einem Gewinnabführungsvertrag durch einen notariellen Nachtragsvermerk nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG entfaltet jedenfalls dann keine steuerliche Rückwirkung, wenn sich der tatsächlich gewollte Vertragsinhalt nicht objektiv aus den Vertragsregelungen heraus ergibt und unklar ist, wie eine mögliche Lücke in der Vertragsurkunde zu füllen ist.
Normenkette
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG, § 298, § 303 AktG, § 38 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, wurde im Juni 1991 von der V‐GmbH als alleiniger Gesellschafterin gegründet. Am ….12.1991 schlossen die Klägerin und die V‐GmbH einen notariellen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag (GAV).
In der Vertragsurkunde des mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrags lautet § 4 GAV ("Dauer des Vertrags") wie folgt:
“1. Dieser Vertrag wird bis zum 31.12.1996 abgeschlossen. Seine Wirksamkeit beginnt mit Errichtung der Organgesellschaft.
…
3. Das Organ ist zu einer ordentlichen Kündigung so lange nicht berechtigt, als der Organträger am Organ mit mehr als 50 % des Stammkapitals beteiligt ist.
4. Eine vorzeitige Kündigung ist nur aus wichtigem Grund zulässig.”
Der GAV wurde am ….6.1992 in das Handelsregister eingetragen. Im Zuge der Digitalisierung des Registerblatts im Jahre 2006 ist das Bestehen des GAV nicht übernommen worden.
Unter dem ….9.2012 fertigte der Amtsnachfolger des den GAV beurkundenden Notars einen Nachtragsvermerk gemäß § 44a Abs. 2 Satz 1 und 2 BeurkG und stellte darin im Hinblick auf die in § 4 ... (GAV) – Dauer des Vertrags – enthaltene offensichtliche Unrichtigkeit des Fehlens des Absatzes 2 dieses Paragrafen richtig, dass § 4 ... (GAV) einen Absatz 2 enthält, der lautet:
"2. Wird der Vertrag nicht 1 Jahr vor seinem Ablauf schriftlich gekündigt, verlängert er sich um jeweils 1 weiteres Jahr."
Nachdem der Nachtragsvermerk vorgelegt und mit dem GAV beim Registergericht hinterlegt worden war, hat dieses das Bestehen des GAV am ….9.2012 von Amts wegen in das Handelsregister nachgetragen.
Die Klägerin führte in den Streitjahren 2006 und 2009 auf der Grundlage des GAV ihren Gewinn an die V‐GmbH ab. Das FA veranlagte sie zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß in der Weise, dass er ihr Einkommen der V‐GmbH als Organträgerin zurechnete und die KSt auf 0 EUR festsetzte. Nach einer Außenprüfung erließ das FA Änderungsbescheide, in denen es u.a. dem GAV die steuerrechtliche Anerkennung versagte und den Gewinn i.H.d. Gewinnabführungen außerbilanziell als verdeckte Gewinnausschüttungen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG hinzurechnete.
Die dagegen erhobene Klage war nicht erfolgreich (Niedersächsisches FG, Urteil vom 15.6.2017, 10 K 115/15, 10 K 116/15).
Entscheidung
Der BFH hat auch der Revision der Klägerin den Erfolg versagt. Zur Begründung kann auf die Praxis-Hinweise verwiesen werden.
Hinweis
1. Die Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft hängt u.a. von einer Mehrzahl formeller Anforderungen ab. Wie die Rechtsprechungspraxis zeigt, kommt es immer wieder vor, dass sich auf dieser formellen Seite kleinere Fehler einschleichen, die aber gravierende Auswirkungen haben können. Der Besprechungsfall ist hierfür ein Musterbeispiel.
2. In formeller Hinsicht verlangt das Gesetz für die Anerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft einen für die Mindestdauer von fünf Jahren abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag (GAV). In der Praxis wird daher der GAV zunächst für fünf Jahre abgeschlossen und dem Vertrag häufig eine Regelung beigefügt, wonach sich der GAV nach Ablauf der fünf Jahre automatisch um ein Jahr verlängert, wenn er nicht rechtzeitig ordentlich gekündigt wird.
3. Im Besprechungsfall dürfte bei den Vertragsbeteiligten wohl das Motiv vorhanden gewesen sein, eine solche übliche Regelung zu treffen. Allerdings kam dann ein kleiner, aber durchaus folgenschwerer Fehler ins Spiel. Wie der nachfolgenden Sachverhaltsschilderung entnommen werden kann, wurde im schriftlichen GAV zunächst die fünfjährige Mindestvertragslaufzeit festgelegt. Danach findet sich aber im GAV-Text keine Bestimmung, wie es nach Ablauf der fünf Jahre weitergehen soll. Der Text des Vertrags besagt damit "an sich" nur, dass der GAV fünf Jahre bestehen soll.
Nach vielen, vielen Jahren (im Streitfall nach 26 Jahren) fällt den Beteiligten auf, dass der GAV keine Regelung über eine Vertragsverlängerung bzw. -fortsetzung enthält. Der Notar fertigt jetzt einen Nachtragsvermerk an, der eine Vertragsfortsetzung um jeweils ein Jahr mit ordentlicher Kündigungsmöglichkeit in den GAV implementieren soll.
4. Der BFH hat diesen "Heilungsversuch" als untauglich zurückgewiesen:
a) Zunächst gibt der BFH die Auslegungsmethode vor: Der GAV...