FinMin Schleswig-Holstein, Erlaß v. 26.10.2010, VI 328 - S 0316 - 032
I. Allgemeines
Durch Art. 10 Nr. 8 des JStG 2009 (BGBl 2008 I S. 2794) wurde § 146 AO um die Absätze 2a und 2b ergänzt.
Während den Unternehmern durch den § 146 Abs. 2a AO erstmalig die Möglichkeit eingeräumt wird, die elektronischen Bücher und die sonstigen elektronischen Aufzeichnungen unter den dort genannten Voraussetzungen im Ausland zu führen und aufzubewahren, werden in § 146 Abs. 2b AO die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes geregelt.
Ziel des Verzögerungsgeldes ist es u.a., den Steuerpflichtigen zu einer zeitnahen Mitwirkung im Rahmen einer Außenprüfung (Betriebsprüfung, Umsatzsteuer-Sonderprüfung, Lohnsteuer-Außenprüfung u.ä.) anzuhalten. Eine Festsetzung eines Verzögerungsgeldes im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Mitwirkungspflichten kann nur im Rahmen einer Außenprüfung vorgenommen werden.
II. Verzögerungsgeld bei unzureichender Mitwirkung im Rahmen einer Außenprüfung
Im Rahmen einer Außenprüfung ist die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes insbesondere möglich, wenn der Steuerpflichtige
- den Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO nicht, nicht zeitnah oder nicht in vollem Umfang einräumt,
- Auskünfte nicht, nicht zeitnah oder nicht vollständig erteilt,
- angeforderte Unterlagen nicht, nicht zeitnah oder nicht vollständig vorlegt.
1. Mitwirkungspflichten
Die Finanzbehörden haben bei einer Außenprüfung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Form sie die Mitwirkung des Steuerpflichtigen in Anspruch nehmen.
Nach § 200 AO hat der Steuerpflichtige insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und die Finanzbehörde bei der Ausübung ihrer Befugnisse nach § 147 Abs. 6 AO zu unterstützen.
Kommt der Steuerpflichtige diesen Mitwirkungspflichten nicht, unvollständig oder verspätet nach, kann die Finanzverwaltung ein Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO festsetzen.
Der Steuerpflichtige muss zu einer bestimmten Mitwirkung nach § 200 Abs. 1 AO oder § 147 Abs. 6 AO vor Festsetzung eines Verzögerungsgeldes konkret und aus Beweisgründen möglichst schriftlich aufgefordert werden.
Ein Verzögerungsgeld kann für jede einzelne unzureichende Mitwirkung festgesetzt werden. Sofern verschiedene Mitwirkungshandlungen in einem Schriftstück zusammengefasst werden, sollte diese Aufstellung jede einzelne geforderte Mitwirkung und die dafür gesetzten Fristen erkennen lassen.
2. Besonderheiten bei den Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen
Behauptet der Steuerpflichtige, er habe die vorzulegenden Unterlagen verloren, dann ist bei der Frage der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes zu berücksichtigen, dass niemand zu etwas Unmöglichem verpflichtet werden kann. Allerdings dürfte die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, die Unterlage sei verloren gegangen, nicht ausreichen. Vielmehr ist er in diesem Fall nachweispflichtig (z.B. Brand im Büro). Ob eine Ersatzbeschaffung möglich und zumutbar ist (z.B. Nacherstellung von Kontoauszügen durch die Bank), ist eine Frage des konkreten Einzelfalles (Hinweis auf § 90 Abs. 1 Satz 3 AO).
Bei der Frage der behaupteten Unmöglichkeit des Datenzugriffes sollte danach unterschieden werden, ob
- das DV-System objektiv ein hard- und softwaremäßiges Upgrade erlaubt, das den Anforderungen des Datenzugriffs bzw. den GDPdU genügt (objektive Erfüllbarkeit),
- überhaupt noch maschinell auswertbare Daten vorhanden sind oder diese bereits endgültig gelöscht wurden (objektive Unmöglichkeit).
Erste Möglichkeit
Soweit es nur um die Frage geht, ob es im Belieben des Steuerpflichtigen steht, die grundsätzlich mögliche technische Aktualisierung des DV-Systems zur Gewährleistung des Datenzugriffs in Auftrag zu geben bzw. umzusetzen, ist eine entsprechende Aufforderung und Fristsetzung aus „präventiven” Gründen zweckmäßig.
Unterlässt der Steuerpflichtige gleichwohl eine Anpassung des DV-Systems, ist eine Verzögerungsgeldfestsetzung grundsätzlich zulässig.
Zweite Möglichkeit
Liegen dagegen gar keine digital maschinell auswertbaren Daten mehr vor, ist der Fall mit dem Verlust der Papierbelege vergleichbar; hier wird etwas objektiv Unmögliches gefordert. Auch dann gibt es zwar die Möglichkeit der Ersatzbeschaffung bzw. erneuten Verarbeitung der Papierbuchführung, die aber vor dem Hintergrund eines möglichen Ermessensmissbrauch (notwendig, verhältnismäßig, zumutbar) nicht besonders Erfolg versprechend bzw. verwaltungsökonomisch ist.
Diesbezüglich sollte dann ausnahmsweise eine Durchführung der Außenprüfung auf herkömmlichen Weg erfolgen.
3. Bemessung des Verzögerungsgeldes
Bei der Festsetzung des Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO hat die Finanzverwaltung bei Vorliegen der Voraussetzungen zum einen ein Ermessen, überhaupt ein Verzögerungsgeld festzusetzen (sog. Entschließungsermessen) und zum anderen, die Höhe zu bestimmen (sog. Auswahlermessen). Der Mi...