Leitsatz
Bei der Berechnung des Gewinns aus einer Betriebsveräußerung sind vom Erwerber übernommene betriebliche Verbindlichkeiten, die aufgrund von Rückstellungsverboten (hier: für Jubiläumszuwendungen und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften) in der Steuerbilanz nicht passiviert worden sind, nicht gewinnerhöhend zum Veräußerungspreis hinzuzurechnen.
Normenkette
§ 5 Abs. 4, Abs. 4a, § 16 Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Enthält die Handelsbilanz Rückstellungen für drohende Verluste aus einem Mietverhältnis und für Verpflichtungen für Zuwendungen aus Dienstjubiläen, so sind diese gem. § 5 Abs. 4 und 4a EStG in der Steuerbilanz für 2000 nicht zu erfassen. So verhielt es sich auch im Urteilsfall bei der Klägerin, einer GmbH.
Zum 01.08.2000 veräußerte diese ihr gesamtes Betriebsvermögen. Die Erwerberin übernahm im Weg der befreienden Schuldübernahme alle am Übertragungsstichtag begründeten und zum Unternehmen gehörenden Verpflichtungen, mithin auch jene, auf denen die beiden Rückstellungen beruhten. Als Kaufpreis wurde der nach handelsrechtlichen Grundsätzen zu ermittelnde Buchwert zzgl. einer Vergütung für im Betriebsvermögen enthaltene stille Reserven vereinbart.
In ihrer nachfolgenden Handelsbilanz wies die GmbH aus der Betriebsübertragung einen entsprechenden Gewinn aus. In der Steuerbilanz des Streitjahrs brachte sie hiervon als "steuerliches Mehrkapital" die Summe der beiden Rückstellungen in Abzug und errechnete auf diese Weise einen steuerlichen Veräußerungsverlust. Den Grund für den Abzug sah sie darin, dass sich die steuerlich bis dahin nicht erfassten Verluste bzw. Verbindlichkeiten aus den beiden Rückstellungen mit der Betriebsübertragung durch den entsprechenden Kaufpreisabschlag für sie realisiert hätten und insoweit steuerlich zu berücksichtigender Aufwand entstanden sei.
Das FA legte demgegenüber auch steuerlich einen Veräußerungsgewinn zugrunde.
Die dagegen gerichtete Klage hat das FG abgewiesen (Haufe-Index 1415462, EFG 2005, 1715)…
Entscheidung
… das aber, wie der BFH meint, zu Unrecht. Denn die Verluste aus den betreffenden beiden Verbindlichkeiten hatten sich mit der Veräußerung tatsächlich realisiert. Steuerabzugsverbote sind aber nicht dafür geschaffen, derartige Verlustrealisierungen vollends zu "erschlagen". Lediglich die entsprechende Passivposition schlägt sich steuerlich nicht nieder.
Hinweis
Bedenkt man, in welch krassem Maß der Gesetzgeber zwischenzeitlich in das objektive Nettoprinzip als tragende Säule des Prinzips der Leistungsfähigkeitsbesteuerung (und damit des Steuerrechts insgesamt) mittels Abzugsverboten eingreift, dann liegt im Urteilsfall ein im Grunde ganz alltäglicher Sachverhalt zugrunde:
1. Ein Unternehmen wird verkauft. Der Kaufpreis orientiert sich an den in der Handelsbilanz ausgewiesenen Buchwerten und bezieht auch die im Unternehmen ruhenden stillen Reserven ein. Natürlich schlagen sich auch alle Verbindlichkeiten nieder, auch solche, welche infolge steuerlicher Abzugsverbote sich in der Steuerbilanz oder – bei außerbilanzieller Hinzurechnung – auf die Gewinnermittlung nicht niederschlagen durften.
Ebenso natürlich mutet es eigentlich an, wenn diese Abzugsverbote sich nicht (abermals) mindernd auf den der Besteuerung zugrunde zu legenden Kaufpreis niederschlagen. Denn Tatsache ist, dass sich die mit den betreffenden Verbindlichkeiten verbundenen Verluste für das Unternehmen mit der kaufpreisreduzierenden Übertragung endgültig realisiert haben. Dem muss auch das Steuerrecht Rechnung tragen; auch hier ist die Vermögensminderung im Rahmen der Bemessung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen.
An diesem Ergebnis kann eigentlich kein wirklicher Zweifel bestehen. Es verwundert deshalb, wenn das offenbar doch der Fall ist.
2. Allerdings: Der IV. Senat des BFH hatte im Jahr 1983 (Urteil vom 12.01.1983, IV R 180/80, BStBl II 1983, 595) für private Verbindlichkeiten erkennbar entgegengesetzt entschieden. Dort lagen die Dinge zwar anders, weil die Überführung einer privaten Verbindlichkeit des Gesellschafters in das Betriebsvermögen als Entnahme zu beurteilen ist. Darauf beruht dann (gem. § 4 Abs. 1 EStG) auch die steuerliche Hinzurechnung. Immerhin hatte der IV. Senat sich aber entsprechend auch zu betrieblichen Verbindlichkeiten geäußert.
Dem wäre wohl nicht beizupflichten. Einer Divergenzanfrage bedurfte es gleichwohl nicht, weil die Erwägung des IV. Senats seinerzeit nur beiläufig und nicht tragend war.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.10.2007, I R 61/06