1.1 Keine Bewertungsanpassungen zum Stichtag 31.12.2021
Da zum Stichtag 31.12.2021 zwar bereits ein russischer Aufmarsch an der ukrainischen Grenze zu beobachten war, aber lediglich von Manövern gesprochen wurde, besteht nach HGB keine Möglichkeit, die später ggf. offenbar werdenden ökonomischen Folgen bereits in den Stichtagswerten als wertaufhellende Ereignisse einzustufen – dies trifft auch für die eher seltenen Fälle für Bilanzstichtage bis einschließlich zum 23.2.2022 zu (Fachlicher Hinweis – 4. Update, S. 6). Sowohl Gründe für die Bildung einer Rückstellung nach § 249 HGB oder Abwertungsbedarfe von Vermögensgegenständen nach § 253 Abs. 3 Satz 5 und Abs. 4 Satz 1 HGB liegen zu den Stichtagen nicht vor. Vielmehr sind die sich zunehmend abzeichnenenden Auswirkungen des Angriffskrieges für die deutschen Unternehmen vom IDW als ein nach dem Abschlussstichtag eingetretenes Ereignis zu behandeln, das daher als ein wertbegründender Vorgang anzusehen ist. Somit sind dessen Folgen erst in Bilanz und GuV des Geschäftsjahrs 2022 zu berücksichtigen – einzige Ausnahme wären die Fälle, in denen aufgrund der Auswirkungen des Krieges die Annahme der Unternehmensfortführung nicht mehr aufrechterhalten werden kann (vgl. IDW RS HFA 17, Tz. 2, i.V.m. IDW PS 203 n.F., Tz.9). Allerdings ist stets eine Berücksichtigung in Anhang und Lagebericht des Geschäftsjahrs 2021 zu prüfen, worauf bereits im Folgenden eingegangen wird.
1.2 Berichterstattung im Anhang als Ereignis nach dem Abschlussstichtag
Wertbegründende Ereignisse nach dem Bilanzstichtag von besonderer Bedeutung sind, soweit sie zwischen dem Stichtag und der Aufstellung (in besonderen Fällen sogar bis zur Feststellung) des Jahresabschlusses eingetreten sind, als Angabepflicht für mindestens mittelgroße Kapitalgesellschaften nach § 285 Nr. 33 HGB zu behandeln und in einen Nachtragsbericht darzustellen. Dabei sind die Art und die finanziellen Auswirkungen dieser Ereignisse anzugeben.
Vorgänge besitzen eine besondere Bedeutung, wenn sie zu einer anderen Darstellung der Lage der Gesellschaft geführt hätten, wären sie schon vor Eintritt des Geschäftsjahrs eingetreten. Dies ist in der aktuellen Situation somit höchst individuell einzuschätzen. Eine reine Befürchtung, es könnten auf das Unternehmen wesentliche Auswirkungen zukommen, wären eher im Lagebericht im Rahmen der Risikoberichterstattung oder im Prognosebericht zu platzieren. Auch unter dem Aspekt der Notwendigkeit der Angabe der finanziellen Auswirkungen für die Anhangangabe ist es schwierig, hier bereits jetzt Auskunft zu geben, doch sind dann hier Schätzungen notwendig, bei denen ggf. die getroffenen Annahmen zu beschreiben sind.
Zu berichten ist grundsätzlich über positive wie negative Vorgänge von besonderer Bedeutung nach Abschluss des Geschäftsjahrs. Dem Vorsichtsprinzip entsprechend, kommt beunruhigenden negativen Entwicklungen eine größere Bedeutung bei der Berichterstattung zu. Der Nachtragsbericht behebt die zeitliche Verzögerung zwischen Abschlussstichtag und Zeitpunkt der Berichterstellung und aktualisiert die Darstellung der Lage der Gesellschaft entsprechend. Für den Nachtragsbericht wird eine Grobstruktur vorgeschlagen, die auf drei Gruppen von Vorgängen mit besonderer Bedeutung eingeht:
- Demnach ist zunächst über die die Branche betreffende wirtschaftliche und politische Ereignisse zu berichten, was Auswirkungen des Krieges auf das Unternehmen einschließen könnte.
- Auch kann eine Berücksichtigung von Informationen zum Krieg bei Abweichungen von der durch den Jahresabschluss vorgezeichneten Linie darzustellen sein, wie etwa schwerwiegende Verluste, stark steigende Rohstoffpreise, die nicht weitergegeben werden können, Marktumschwünge, oder Umsatzrückgänge, die auf den Konflikt und die erlassenen Sanktionen zurückzuführen sind.
- Schließlich ist auf Vorgänge, die die Lage der Gesellschaft verändern, einzugehen, wie im Zusammenhang mit dem Krieg etwa der (hoffentlich nur temporäre) Verlust von Vermögenswerten (insb. in Beteiligungen oder verbundenen Unternehmen) oder Kurzarbeit und Entlassungen.
Da mittelgroße und große Kapitalgesellschaften lediglich bis Ende März Zeit für die Aufstellung des Abschlusses beim kalenderjahrgleichen Geschäftsjahr hatten und noch bei hoher Wesentlichkeit bis zur Feststellung des Jahresabschlusses Anpassungen nötig werden können, dürfte noch sehr viel Unklarheit über die Auswirkungen herrschen, was, solange keine konkreten Ereignisse in der Zeit eintreten, die beschrieben werden könnten, eher dafür spricht, die Angabe zu den bestehenden Risiken (oder ggf. auch Chancen) im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Krieges auf das Unternehmen im Lagebericht zu geben. Eine explizite Verweismöglichkeit und einen Verzicht auf den Nachtragsbericht sieht das HGB nicht vor. Somit ist grundsätzlich eine Berichterstattung im Anhang und Lagebericht notwendig. Allerdings sieht das IDW dann Verweise auf den jeweils anderen Bericht als erlaubt an, wenn es ansonsten Dopplungen geben würde (Fachlicher Hinweis, 4. Update, S. 7). Zudem ist zu bedenken, dass über die Anhang- und/oder Lageberichtsangabe hinaus ein Fragerecht der Gesel...