Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeugnis. Unterschrift. Ausschlussfrist. Verwirkung
Leitsatz (amtlich)
Auch im öffentlichen Dienst ist der Zeugnisanspruch eines Angestellten regelmäßig nur dann erfüllt, wenn das Zeugnis von einem ranghöheren Bediensteten unterschrieben ist. War der Angestellte als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig, ist das Zeugnis zumindest auch von einem der ihm vorgesetzten Wissenschaftler zu unterzeichnen. Eine von diesem Grundsatz abweichende behördeninterne Regelung der Zeichnungsbefugnis rechtfertigt keine Ausnahme.
Orientierungssatz
- Ein Klageantrag, mit dem die Unterzeichnung eines Zeugnisses durch einen “ranghöheren Vorgesetzten” verlangt wird, ist regelmäßig dahin zu verstehen, dass der Arbeitnehmer die Mitunterzeichnung durch eine ranghöhere Person begehrt.
- Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, das nach § 109 GewO schriftlich zu erteilende Zeugnis selbst oder durch sein gesetzliches Vertretungsorgan zu unterschreiben. Er kann hiermit eine andere betriebsangehörige Person beauftragen, die dann an seiner Stelle das Zeugnis unterschreibt.
- Der Arbeitgeber kann die Unterschriftsbefugnis nicht beliebig delegieren. Beschränkungen ergeben sich aus dem Zweck des Zeugnisses. Es soll dem Arbeitnehmer die Suche nach einer neuen Beschäftigung erleichtern. Es muss sich deshalb regelmäßig aus dem Zeugnis ergeben, dass der Aussteller in der Lage ist, die Leistungen des Arbeitnehmers zu beurteilen. Der Beurteilende muss deshalb – aus dem Zeugnis ablesbar – ranghöher als der Zeugnisempfänger sein.
- Im öffentlichen Dienst gilt nichts anderes. Regelungen über die Zeichnungsbefugnis entfalten nur innerbehördliche Wirkung. Dem Angestellten gegenüber sind sie nur wirksam, wenn der Dienststellenleiter mit der Zeugnisausstellung einen Bediensteten beauftragt, dem die Unterzeichnung nach allgemeinem Zeugnisrecht übertragen werden kann.
- Das Zeugnis eines wissenschaftlichen Mitarbeiters ist regelmäßig von einem wissenschaftlichen Bediensteten zu unterzeichnen.
- Der Anspruch aus § 630 BGB aF (§ 61 Abs. 1 BAT, § 109 GewO) richtet sich auf die Erteilung eines insgesamt richtigen Zeugnisses. Solange das erteilte Zeugnis diesen Anforderungen nicht entspricht, ist der Anspruch nicht erfüllt. Der Zeugnisempfänger macht keine dem Gesetz fremde Berichtigung einzelner Mängel – vergleichbar einer Sachmängelgewährleistung – geltend, sondern weiterhin den Erfüllungsanspruch. Soweit prozessrechtlich zulässig, ist der Arbeitnehmer nicht gehindert, den ursprünglich verlangten Zeugnisinhalt im laufenden Zeugnisrechtsstreit zu ändern oder zu ergänzen.
- Der Zeugnisanspruch unterliegt einer tariflichen Ausschlussfrist.
Normenkette
GewO § 109; BGB § 630 aF; BAT §§ 61, 70
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Dezember 2003 – 6 Sa 954/03 – teilweise aufgehoben.
In diesem Umfang wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15. Mai 2003 – 1 Ca 2268/02 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, das Zeugnis vom 31. Dezember 2001 durch einen ranghöheren Vorgesetzten unterschreiben zu lassen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/3 und der Beklagten zu 2/3 auferlegt.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Unterzeichnung des ihm erteilten Zeugnisses durch einen ranghöheren Vorgesetzten.
Der 1959 geborene Kläger war auf Grund mehrerer befristeter Verträge vom 1. Februar 1995 bis 31. Januar 1998 sowie vom 1. Juli 1998 bis 31. Dezember 2001 bei der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) als wissenschaftlicher Angestellter (Diplombiologe) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien waren die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) anzuwenden. Zuletzt erhielt der Kläger Vergütung der VergGr. Ib der Anlage 1a zum BAT.
Die BfG ist das wissenschaftliche Institut des Bundes für die Forschung auf den Gebieten Gewässerkunde, Wasserwirtschaft und Gewässerschutz. Es berät Bundesministerien sowie deren nachgeordnete Dienststellen. Der Kläger war in der Abteilung Ö… (Abteilungsleiter Dr. K….), Referat T… (Referatsleiter Prof. T….) dem Sachbereichsleiter Dr. L… unterstellt. Die Abteilungsleiter sind ebenso wie die Leiter des Referats Verwaltung und des Referats Informationstechnik unmittelbar dem Dienststellenleiter unterstellt. Die Referatsleiterstelle Verwaltung gehört zum gehobenen Dienst; die Stelleninhaberin ist Regierungsoberamtsrätin.
Für die BfG besteht eine Geschäftsordnung (GO), Stand 1. Januar 2000, in der ua. die Entscheidungs- und Zeichnungsbefugnisse geregelt sind. Nach § 24 GO kann sich jeder Vorgesetzte das Recht auf Endzeichnung im Einzelfall oder auch für einen bestimmten Aufgabenbereich vorbehalten; in den nicht vorbehaltenen Fällen zeichnet jeder Beschäftigte im zugewiesenen Aufgabenbereich. Der Leiter der BfG zeichnet ohne Zusatz, sein Vertreter bei dessen Abwesenheit “in Vertretung”. Alle weiteren Bediensteten unterschreiben mit dem Zusatz “im Auftrag” (§ 26 GO). Nach § 27 GO zeichnet der Leiter der BfG ua. abschließend “Personalsachen von besonderer Bedeutung”. Der Referatsleiterin Verwaltung sind in Umsetzung von § 27 GO die Personalangelegenheiten des einfachen, mittleren und des gehobenen Dienstes sowie die der befristet eingestellten Angestellten des höheren Dienstes übertragen; dazu gehören insbesondere Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie die Ausstellung und Unterzeichnung der Arbeitszeugnisse. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist die Referatsleiterin gegenüber diesem Personenkreis “im Rahmen der Dienstaufsicht” weisungsbefugt.
Mitte Februar 2002 erteilte die BfG dem Kläger über die gesamte Beschäftigungszeit von 6 ½ Jahren ein qualifiziertes Zeugnis. Das Zeugnis ist von der Leiterin des Verwaltungsreferats mit Namen, Angabe der Funktion und dem Zusatz “Im Auftrag” – jeweils in Maschinenschrift – unterzeichnet; das Dienstsiegel ist beigestempelt. Die Referatsleiterin hatte bereits die mit dem Kläger seit 1. Juli 1998 geschlossenen Arbeitsverträge unterzeichnet.
Unter dem 19. Februar 2002 beanstandete der Kläger vergeblich Auslassungen und einzelne Formulierungen des Zeugnisses. Nach weiterer erfolgloser Korrespondenz, in der er ua. die Bitte geäußert hatte, nochmals zu überlegen, ob das Zeugnis nicht von dem Dienststellenleiter unterschrieben werden könnte, hat er mit seiner im Juli 2002 erhobenen Klage die Beklagte auf Berichtigung des Zeugnisses in Anspruch genommen. Zusätzlich hat er zuletzt den mit Schriftsatz vom 15. Mai 2003 angekündigten Antrag gestellt,
die Beklagte zu verurteilen, das dem Kläger zu erstellende Zeugnis durch einen ranghöheren Vorgesetzten unterzeichnen zu lassen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Anspruch des Klägers sei nach § 70 BAT verfallen. Im Übrigen sei die Leiterin des Verwaltungsreferats nach § 27 GO für die Erteilung von Zeugnissen der befristet beschäftigten Angestellten des höheren Dienstes zuständig.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers teilweise zurückgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. Auf die Beschwerde des Klägers hat der Senat die Revision beschränkt auf die Unterzeichnung des Zeugnisses durch einen ranghöheren Vorgesetzten zugelassen. Der Kläger hat entsprechend Revision eingelegt, mit der er weiterhin die Unterzeichnung des Zeugnisses durch eine ranghöhere Person verfolgt. Die Beklagte beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Angabe, das Zeugnis sei von einem “ranghöheren Vorgesetzten” zu unterschreiben, kennzeichnet den Personenkreis, dem der Kläger während seiner Tätigkeit für die Beklagte fachlich unterstellt war. Welche Bediensteten in Betracht kommen, ergibt sich aus dem Organigramm der BfG. Eine Unterzeichnung durch den Dienststellenleiter wird nicht beansprucht, ist aber auch nicht ausgeschlossen. Der Kläger wendet sich, wie seinem Vorbringen zu entnehmen ist, nicht gegen eine Unterzeichnung des Zeugnisses durch die Referatsleiterin Verwaltung als solche. Diese soll jedoch nicht als alleinige Ausstellerin in Erscheinung treten. Der geltend gemachte Anspruch wird danach auch dann erfüllt, wenn die Beklagte das Zeugnis zusätzlich durch eine dem Kläger ranghöhere Person unterzeichnen lässt.
II. Mit dieser Maßgabe ist die Klage begründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen auf § 27 der Geschäftsordnung gestützt. Der Dienststellenleiter brauche das Zeugnis nicht auszustellen, weil es sich hierbei um keine Personalsache von besonderer Bedeutung iSd. Vorschrift handele. Der Formulierung des Zeugnisses komme keine größere Bedeutung zu als den seit 1998 geschlossenen Arbeitsverträgen, deren Unterzeichnung durch die Leiterin des Verwaltungsreferats der Kläger nie widersprochen habe. Dass die Referatsleiterin die Leistungen des Klägers “im geringsten Teil” selbst zur Kenntnis genommen habe und für die Beurteilung auf die Mitteilungen und Auskünfte der Fachvorgesetzten angewiesen sei, sei unerheblich. Dieser Umstand erschließe sich ohne weiteres jedem aufmerksamen Leser.
2. Dem stimmt der Senat nicht zu.
a) Nach § 109 GewO (bis 31. Dezember 2002: § 630 BGB aF, § 113 GewO, § 73 HGB) hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Arbeitszeugnis zu erteilen. Das Zeugnis ist schriftlich abzufassen; es bedarf daher der Unterzeichnung (§ 126 BGB). Ist das Zeugnis wegen fehlender oder mangelhafter Unterzeichnung nicht ordnungsgemäß, ist der Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers nicht durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser das Zeugnis erneut erstellt, mit einer ordnungsgemäßen Unterschrift versieht und ihm aushändigt (BAG 26. Juni 2001 – 9 AZR 392/00 – AP BGB § 630 Nr. 27 = EzA BGB § 630 Nr. 24).
b) Die Anforderungen an die unterzeichnende Person ergeben sich aus dem Zweck des Zeugnisses. Es soll zum einen dem Arbeitnehmer Aufschluss über seine Beurteilung durch den Arbeitgeber geben. Zum anderen dient es der Unterrichtung künftiger Arbeitgeber über die Befähigung des Arbeitnehmers. Es soll dem Arbeitnehmer die Suche nach einer neuen Beschäftigung erleichtern. Hierfür ist die Person des Unterzeichnenden von erheblichem Belang. Mit seiner Unterschrift übernimmt der Unterzeichnende als Aussteller des Zeugnisses die Verantwortung für dessen inhaltliche Richtigkeit. Der Dritte, dem das Zeugnis bestimmungsgemäß als Bewerbungsunterlage vorgelegt wird, soll und muss sich darauf verlassen können, dass die Aussagen über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers richtig sind.
Dieser Zweck erfordert nicht, dass das Zeugnis vom bisherigen Arbeitgeber selbst oder seinem gesetzlichen Vertretungsorgan gefertigt und unterzeichnet wird. Der Arbeitgeber kann einen unternehmensangehörigen Vertreter als Erfüllungsgehilfen beauftragen, das Zeugnis in seinem Namen zu erstellen. In einem solchen Fall sind jedoch das Vertretungsverhältnis und die Funktion des Unterzeichners anzugeben. Fachliche Zuständigkeit und Rang in der Hierarchie geben Aufschluss über die Kompetenz des Ausstellers und ermöglichen dem Zeugnisleser eine Einschätzung der Richtigkeit der im Zeugnis zur Beurteilung des Arbeitnehmers getroffenen Aussagen (BAG 21. September 1999 – 9 AZR 893/98 – AP BGB § 630 Nr. 23 = EzA BGB § 630 Nr. 22).
Die Rechtsprechung fordert deshalb, dass ein das Zeugnis unterschreibender Vertreter des Arbeitgebers ranghöher als der Zeugnisempfänger sein muss. Das setzt regelmäßig voraus, dass er dem Arbeitnehmer gegenüber weisungsbefugt war (BAG 16. November 1995 – 8 AZR 983/94 – EzA BGB § 630 Nr. 20). Der Zeugnisleser muss dieses Merkmal ohne weitere Nachforschungen aus dem Zeugnis ablesen können (vgl. Senat 26. Juni 2001 – 9 AZR 392/00 – AP BGB § 630 Nr. 27 = EzA BGB § 630 Nr. 24).
c) Diese für die Privatwirtschaft entwickelten Rechtssätze des Bundesarbeitsgerichts sind auch auf ein Zeugnis anzuwenden, das ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes schuldet.
aa) § 61 Abs. 1 BAT enthält für das Endzeugnis insoweit keine abweichenden Regelungen. Auch im öffentlichen Dienst ist das Zeugnis von einer natürlichen Person zu unterzeichnen. Das sind im Regelfall der Dienststellenleiter oder sein Vertreter (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Juli 2005 § 61 Erl. 3). Je nach der Größe der Dienststelle und ihrer Organisation kann die Ausstellung von Zeugnissen auch anderen Bediensteten übertragen werden. Die mit der Ausstellung des Zeugnisses beauftragte Person muss dann aber dem Zeugnisempfänger übergeordnet sein, damit ihrem Urteil das entsprechende Gewicht beigemessen werden kann (Haas/Müller Dienstzeugnisse in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben 3. Aufl. S. 51). Es ist alles zu vermeiden, was als eine Missachtung des Angestellten angesehen werden kann (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand September 2005 § 61 Rn. 77a).
bb) Insbesondere bei größeren Behörden ist zur Entlastung des Dienststellenleiters eine Delegation üblich. Der mit Personalangelegenheiten betraute leitende Bedienstete wird an der Zeugniserstellung beteiligt, um dessen Sachkunde über die formellen und materiellen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Zeugnis iSd. § 630 BGB aF (§ 109 GewO, § 61 Abs. 1 BAT) fruchtbar zu machen. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann ihm weitergehend die alleinige Zeichnungsbefugnis übertragen werden. Kein Hinderungsgrund ist, dass der Bedienstete den Zeugnisempfänger nicht auf Grund eigener Zusammenarbeit selbstständig beurteilen kann, sondern der Hilfe durch Beurteilungsbeiträge anderer bedarf. Das ist nicht zu beanstanden; denn häufig ist schon wegen der Dauer eines Arbeitsverhältnisses und wechselnder Arbeitsaufgaben der Zeugnisersteller auf die Information Dritter angewiesen. Die aus dem Zeugnis ablesbare mangelnde eigene fachliche Beurteilungsmöglichkeit des Zeugniserstellers ist für den Zeugnisleser unerheblich, wenn sie durch die dem Beurteilenden übertragene Vertretungsbefugnis kompensiert wird. Das gilt für den Behördenleiter und seinen amtlichen Vertreter. Für die mit Personalangelegenheiten betrauten anderen Bediensteten trifft das jedoch nicht zu. Der Zeugnisleser erwartet bei diesem Personenkreis die Kumulierung von fachlicher Kompetenz und Ranghöhe. Soll das Zeugnis das berufliche Fortkommen nicht erschweren, muss es diesen Erwartungen genügen.
Demgegenüber ist die Frage, ob durch eine behördeninterne Regelung die Zeichnungsbefugnis für Zeugnisse delegiert worden ist, unerheblich. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann eine solche Regelung keine Abweichung vom gesetzlichen Zeugnisrecht rechtfertigen.
Auf die vom Landesarbeitsgericht erörterte Frage, ob es sich bei der Ausstellung des Zeugnisses des Klägers um eine dem Direktor der BfG nach § 27 GO vorbehaltene “Personalsache von besonderer Bedeutung” handelt, kommt es daher nicht an. Das gilt auch für seine Erwägungen zur Wichtigkeit des Arbeitsvertrags als Grundlage der Beschäftigung im Verhältnis zum Zeugnis. Diese Begründung berücksichtigt nicht die unterschiedliche Funktion beider Urkunden. Der schriftliche Arbeitsvertrag betrifft ausschließlich das Rechtsverhältnis der Parteien zueinander. Das Zeugnis dient dagegen der sachgerechten Information Außenstehender, um so das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers zu fördern.
3. Danach hat die Beklagte den Zeugnisanspruch des Klägers bisher nicht erfüllt.
a) Das ergibt sich noch nicht aus dem Umstand, dass die Referatsleiterin das Zeugnis mit dem Zusatz “Im Auftrag” unterschrieben hat. Im Schrifttum werden gegen diese Zeichnungsart Bedenken erhoben (Weuster/Scheer Arbeitszeugnisse in Textbausteinen 9. Aufl. S. 112: sollte bei allen Arbeitnehmern vermieden werden; wirkt abwertend). Im rechtsgeschäftlichen Verkehr wird dieser Zusatz regelmäßig verwendet, wenn deutlich gemacht werden soll, dass der Unterzeichnende nicht als bevollmächtigter Vertreter handelt, sondern als Bote einer fremden Erklärung auftritt. Ein solches Verständnis liegt jedoch bei einer erkennbar rechtsverbindlich gemeinten Unterschrift unter ein von einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber erteilten Zeugnis fern.
b) Nach dem Vorbringen der Beklagten war die Referatsleiterin Verwaltung dem Kläger nicht übergeordnet. Daran ändert nichts, dass sie dem Dienststellenleiter unmittelbar, der Kläger dagegen zusätzlich dem Abteilungsleiter, dem Referatsleiter und dem Sachgebietsleiter unterstellt war. Damit wird lediglich die Hierarchieebene innerhalb der Bundesanstalt gekennzeichnet. Sie war aber weder “ranghöher” – ausgedrückt in der Besoldungs-/Vergütungs- oder Laufbahngruppe – noch war sie ihm gegenüber fachlich weisungsbefugt. Die von der BfG bescheinigte Weisungsbefugnis “im Rahmen der Dienstaufsicht” verleiht ihr keinen höheren Rang, zumal sich dieser Umstand dem Zeugnis nicht entnehmen lässt.
4. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig, § 561 ZPO. Der Anspruch des Klägers ist weder verfallen noch verwirkt.
a) Der Anspruch des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach § 70 BAT verfallen.
aa) Nach dieser Vorschrift sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Der Zeugnisanspruch unterliegt als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis tariflichen Ausschlussfristen (BAG 23. Februar 1983 – 5 AZR 515/80 – BAGE 42, 41; 4. Dezember 1985 – 5 AZR 607/84 –). Erteilt der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb der laufenden Ausschlussfrist ein Zeugnis, so muss der Angestellte, der das Zeugnis nicht als Erfüllung seines Anspruchs akzeptiert, innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt des Zeugnisses tätig werden und den Arbeitgeber schriftlich zur Erfüllung des Anspruchs auffordern. Diese Frist hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 19. Februar 2002, mit dem er die Änderung des Mitte Februar 2002 erhaltenen Zeugnisses in den dort genannten Punkten verlangte, gewahrt.
bb) Obwohl der Kläger die mangelhafte Unterzeichnung des Zeugnisses erst mit der Klageerweiterung vom 15. Mai 2003 gerügt hat, ist die Ausschlussfrist auch insoweit gewahrt. Da der Anspruch aus § 630 BGB aF (§ 61 Abs. 1 BAT, § 109 GewO) sich auf die Erteilung eines insgesamt richtigen Zeugnisses richtet, genügt zur Wahrung der Ausschlussfrist die Beanstandung des erhaltenen Zeugnisses und die Forderung der Neuausstellung. Der Zeugnisempfänger braucht keine dem Gesetz fremde Beseitigung einzelner Mängel vergleichbar einer Sachmängelgewährleistung geltend zu machen. Soweit prozessrechtlich zulässig, ist der Arbeitnehmer nicht daran gehindert, im laufenden Zeugnisrechtsstreit den mit der Klage ursprünglich verlangten Zeugnisinhalt zu ändern oder zu ergänzen.
Sinn und Zweck von Ausschlussfristen rechtfertigen nicht das von der Beklagten vertretene Ergebnis. Ausschlussfristen sollen möglichst rasch Klarheit bringen, mit welchen Ansprüchen aus dem (beendeten) Arbeitsverhältnis gerechnet werden muss und dienen damit der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Hat der Angestellte das Zeugnis fristgerecht beanstandet, so muss der Arbeitgeber von vornherein damit rechnen, dass er das Zeugnis insgesamt neu zu erstellen hat.
b) Der Anspruch des Klägers ist nicht verwirkt. Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses wie jeder schuldrechtliche Anspruch der Verwirkung unterliegt (17. Februar 1988 – 5 AZR 638/86 – BAGE 57, 329). Vorausgesetzt ist, dass der Arbeitnehmer sein Recht über längere Zeit hin nicht ausgeübt hat (Zeitmoment) und dadurch bei dem Arbeitgeber die Überzeugung hervorgerufen hat, er werde sein Recht nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment) mit der Folge, dass dem Arbeitgeber die Erfüllung des Rechts nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles nicht zumutbar ist.
Auch wenn das Landesarbeitsgericht die Umstände des Streitfalles nicht näher gewürdigt hat, kommt eine Verwirkung des Anspruchs des Klägers nicht in Betracht. Der Kläger hat seinen Anspruch als solchen verfolgt. Die Beklagte konnte daher nicht davon ausgehen, der Komplex “Zeugnis” sei erledigt.
III. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.
1. Die Beklagte macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe offen gelassen, ob die Leiterin des Verwaltungsreferats dem Kläger gegenüber weisungsbefugt gewesen sei. In der Revisionsinstanz könne diese Frage nicht durch Tatsachen aufgefüllt werden. Der Rechtsstreit sei deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dort werde sie näher darlegen, dass die Bedienstete dem Kläger gegenüber weisungsbefugt gewesen sei.
2. Dieser Einwand greift nicht durch.
a) Nach § 563 Abs. 3 ZPO hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Berufungsurteil nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt aufzuheben wäre, nach diesem Sachverhalt die Sache aber zur Endentscheidung reif ist. Das ist der Fall, wenn auch unter Berücksichtigung des bisherigen Vorbringens weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind. So liegt es hier.
b) Das Landesarbeitsgericht hat im Urteil dezidiert auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beklagten und auf die von ihr eingereichten Unterlagen Bezug genommen. Dieser Sachvortrag lässt keine Lücke erkennen, die von der Beklagten in einer neuen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht durch neuen Tatsachenvortrag zur “Weisungsbefugnis der Referatsleiterin” geschlossen werden könnte.
Die Beklagte verkennt, dass entscheidend für die Unterschriftsbefugnis die “Ranghöhe” des Zeugnisausstellers ist. Ein Merkmal hierfür ist das dem Zeugnisaussteller gegenüber dem Zeugnisempfänger übertragene Weisungsrecht. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass diejenige Person, die an Stelle des Arbeitgebers die Arbeit des Zeugnisempfängers geleitet und gesteuert hat, auch über die erforderliche Beurteilungskompetenz verfügt.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgericht beruhte die Beurteilung der Referatsleiterin “im geringsten Teil” auf eigener Kenntnis und Anschauung. Das erschließt sich, wie das Landesarbeitsgericht insoweit zu Recht angenommen hat, jedem aufmerksamen Leser des Zeugnisses. Das rechtfertigt aber nicht den Schluss, das Zeugnis sei deshalb nicht zu beanstanden. Das Gegenteil ist richtig. Denn dem Leser wird mit der Offenlegung ihrer Funktion der – zutreffende – Eindruck vermittelt, dass das Zeugnis von einer Person ausgestellt worden ist, die als Verwaltungsbedienstete die wissenschaftlichen Leistungen und Fähigkeiten des Klägers nicht selbst beurteilt hat und auch nicht beurteilen konnte. Dem Zeugnisleser drängt sich daher die Frage auf, weshalb das Zeugnis – wenn schon nicht vom Dienststellenleiter oder dessen Vertreter – so doch wenigstens von einem wissenschaftlichen Vorgesetzten (mit-)unterzeichnet ist. Dieser hätte mit seiner Unterschrift die Verantwortung für die Richtigkeit der fachlichen Beurteilung übernommen. Ohne diese Mitunterzeichnung fehlt dem Zeugnis die erforderliche Überzeugungskraft. Im Ergebnis wird die im Zeugnis positiv beurteilte Arbeit des Klägers auf Grund der ersichtlich fehlenden Beurteilungskompetenz der Ausstellerin disqualifiziert und der Kläger in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigt.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.
Unterschriften
Düwell, Krasshöfer, Reinecke, Kappes, Preuß
Fundstellen
Haufe-Index 1480088 |
BAGE 2007, 95 |
BB 2006, 1166 |
DB 2006, 792 |