Leitsatz
1. Ein Einbringungsvorgang i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG 1983 liegt vor, wenn ein Gesellschafter ein Grundstück zur Erfüllung einer Sacheinlageverpflichtung im Rahmen der Übernahme von Aktien oder Stammeinlagen oder zur Erfüllung von Beitragspflichten auf eine (Kapital- oder Personen-)Gesellschaft überträgt.
2. "Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage" i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG 1983 sind nur solche Grundstücksübergänge zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, durch die die Gesellschafterstellung des beteiligten Gesellschafters in rechtlicher Hinsicht berührt oder verändert wird.
3. Soweit eine Gegenleistung nicht gänzlich fehlt oder zu ermitteln ist (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG 1983), bleibt es für alle übrigen Grundstücksübergänge zwischen einem Gesellschafter und einer Gesellschaft bei der Maßgeblichkeit des Werts der Gegenleistung als grunderwerbsteuerrechtlicher Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983), und zwar auch dann, wenn die vereinbarte Gegenleistung weit unter dem Verkehrswert des Grundstücks liegt (BFH, Urteil vom 6.12.1989, II R 95/86, BStBl II 1990,186).
Normenkette
§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG
Sachverhalt
Die Alleingesellschafterin der Klägerin, einer GmbH, übertrug dieser Grundstücke im Verkehrswert von 28,91 Mio. DM. 30 % des Betrags sollte die Klägerin einer Kapitalrücklage zuführen; in Höhe der verbleibenden 70 % des Betrags gewährte die Alleingesellschafterin der Klägerin ein Gesellschafterdarlehen.
Das FA setzte die Steuer nach einer Gegenleistung von 28,91 Mio. DM fest. Dem gegenüber war die Klägerin der Ansicht, die Steuer dürfe nur nach einer Gegenleistung von 70 % dieses Betrags festgesetzt werden.
Das FG vertrat eine dritte Auffassung. Es meinte, bei Grundstücksumsätzen zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft sei die Steuer ab dem Jahressteuergesetz 1997 nach dem Bedarfswert zu bemessen, und zwar unabhängig davon, ob ein Entgelt zu entrichten ist oder nicht. Das FG setzte daher das Klagverfahren aus, um Gelegenheit zu geben, die gesonderte Feststellung des Bedarfswerts nachzuholen. Dagegen haben beide Beteiligten Beschwerde eingelegt.
Entscheidung
Der BFH verband die Beschwerden, gab ihnen statt und hob den Aussetzungsbeschluss des FG auf. Aus der in den ersten beiden Leitsätzen enthaltenen Definition dessen, was unter "Einbringung sowie anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage" i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG zu verstehen ist, ergibt sich, dass die Nr. 2 im Streitfall nicht eingreift.
Auch Nr. 1 der Vorschrift, wonach der Bedarfswert die Bemessungsgrundlage bildet, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist, ist nicht einschlägig, da durchaus eine Gegenleistung vorhanden ist. Sie liegt in der Erklärung der Klägerin, der Alleingesellschafterin ein Darlehen in Höhe von 70 % des Verkehrswerts zu schulden. Dass dieser Betrag weit hinter dem Verkehrswert der Grundstücke zurückbleibt, ist unbeachtlich (dritter Leitsatz).
Hinweis
Die ab dem 1.1.1997 in Kraft befindliche neue Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG soll die Erwerbsvorgänge erfassen, bei denen nach der bis dahin anwendbaren Grundregel des Abs. 1 der Vorschrift die Gegenleistung aus den gewährten Gesellschaftsrechten bestand, soweit diese auf die (eingebrachten) Grundstücke entfielen.
Die Neuregelung hatte den Zweck, die bis dahin erforderliche Bewertung der gewährten Gesellschaftsrechte nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften des BewG – bei Kapitalgesellschaften beispielsweise eine Schätzung nach dem Stuttgarter Verfahren in den Fällen des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG – überflüssig zu machen. Der Gesetzgeber misstraute diesen Werten so sehr, dass er sie – weil zu niedrig – für den Bereich der Grunderwerbsteuer nicht mehr für tragbar hielt.
Bleibt die Gesellschafterstellung des das Grundstück übertragenden Gesellschafters von dem Übertragungsvorgang rechtlich unberührt, scheidet die Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG aus. Wird sie wirtschaftlich berührt, indem sich ihr (innerer) Wert erhöht, ist dies unbeachtlich. Ist die Anwendung der Nr. 2 der Vorschrift ausgeschlossen, bleibt aber zu prüfen, ob eine Gegenleistung vorhanden ist oder ob nicht mangels einer Gegenleistung die Steuer nach Nr. 1 der Vorschrift doch nach dem Bedarfswert zu bemessen ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 26.2.2003, II B 54/02