Leitsatz
1. Bei dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG steuerpflichtigen Erwerb eines Grundstücks durch Abgabe des Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren gehört gem. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG auch der Betrag zur Bemessungsgrundlage, in dessen Höhe ein anderer als der Ersteher des Grundstücks aufgrund der Befriedigungsfiktion des § 114a Satz 1 ZVG seine schuldrechtliche Forderung gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner verliert.
2. Die Rechtsfolgen von § 114a Satz 1 ZVG treten auch ein, wenn der Inhaber der Forderung gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner zwar nicht Gläubiger, aber Treugeber der Grundschuld ist und ein von ihm abhängiges Unternehmen im Zwangsversteigerungsverfahren das Meistgebot unterhalb der 7/10-Grenze abgibt und daraufhin den Zuschlag erhält.
3. Ein Steuerbescheid darf gem. § 173 Abs. 1 AO zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen nicht geändert werden, wenn das FA trotz Kenntnis der entscheidungserheblichen Tatsachen schon zum Zeitpunkt der ursprünglichen Steuerfestsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Entscheidung gelangt wäre. Hierbei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das FA die dem Sachverhalt entsprechende (zutreffende) Entscheidung getroffen hätte, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass das FA bei Kenntnis der Tatsachen eine andere rechtliche Würdigung vorgenommen hätte.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 4, § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG, § 114a ZVG, § 173 AO
Sachverhalt
Die Klägerin wurden aufgrund ihres Meistgebots von 200.000 EUR im Zwangsversteigerungsverfahren Grundstücke zugeschlagen, deren Verkehrswert auf 470.200 EUR festgesetzt worden war. Die ersteigerten Grundstücke waren mit einer Grundschuld in Höhe von 639.114,85 EUR zugunsten der E belastet. Die an der Klägerin zu 100 % beteiligte D hatte die mit der Grundschuld besicherte Darlehensforderung von E erworben und hinsichtlich der Grundschuld vereinbart, dass die E diese für sie treuhänderisch halten solle. Wegen ihrer dinglichen Ansprüche aus der Grundschuld war E zum Beitritt zur Zwangsversteigerung der Grundstücke zugelassen worden und hatte sich nach der Versteigerung in Höhe ihrer Ansprüche aus dem Versteigerungserlös für befriedigt erklärt.
Das FA setzte gegen die Klägerin zunächst Grunderwerbsteuer nach einer Bemessungsgrundlage von 200.000 EUR fest. Nachdem dem FA die Abtretung der Darlehensforderung an D sowie die Treuhandvereinbarung zwischen E und der D hinsichtlich der Grundschuld bekannt geworden war, setzte es die Grunderwerbsteuer durch einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid unter Ansatz einer Bemessungsgrundlage von nunmehr 329.140 EUR (7/10 des Verkehrswerts von 470.200 EUR = 329.140 EUR) herauf.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Vorinstanz: FG Düsseldorf, Urteil vom 8.12.2010, 7 K 3228/09 GE, Haufe-Index 2604239, EFG 2011, 732).
Entscheidung
Der BFH hat zwar die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurückverwiesen. Im Grundsätzlichen aber hat der BFH den Standpunkt des FG geteilt, dass sich die Bemessungsgrundlage um den Betrag erhöht, in dessen Höhe bei D die Befriedigungsfiktion nach § 114a ZVG eingetreten ist. Das FG hat jedoch im zweiten Rechtsgang Feststellungen darüber zu treffen, in welcher Höhe bei D der Forderungsverlust eingetreten ist. Im Übrigen hat der BFH die Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bejaht.
Hinweis
Beim Grundstückserwerb im Zwangsversteigerungsverfahren ergibt sich die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht nur aus dem Meistgebot sowie den nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechten. Als zusätzliche Leistung kann gegenleistungserhöhend auch der Betrag zu berücksichtigen sein, in dessen Höhe der aus dem Grundstück Befriedigungsberechtigte gem. § 114a ZVG als befriedigt gilt. Nach dieser Vorschrift tritt für den zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigten Ersteher das Erlöschen seines Anspruchs gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner bis zu dem Betrag ein, der sich aus der Differenz zwischen 7/10 des Grundstückswerts und dem Meistgebot ergibt. Damit wird verhindert, dass ein innerhalb der 7/10-Grenze liegender Berechtigter das Grundstück in der Zwangsversteigerung günstig erwirbt und sodann den ungedeckten Restbetrag seiner persönlichen Forderung gegen den Schuldner in voller Höhe geltend macht.
1. Der Betrag der Befriedigungsfiktion ist bei der grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage stets zu berücksichtigen, wenn dem zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten der Zuschlag unter den Voraussetzungen des i.S.d. § 114a ZVG erteilt wird.
Sie gilt ferner dann, wenn der schuldrechtliche Gläubiger des Zwangsvollstreckungsschuldners, der zugleich Gläubiger einer hierfür sicherungshalber bestellten Grundschuld ist, nicht selbst das Grundstück ersteigert, sondern wenn eine von ihm abhängige Gesellschaft das Grundstück zu einem Betrag unterhalb der 7/10-Grenze ersteigert.
2. Diese grunderwerbsteuerrechtlichen Folgen sind auch...