Leitsatz
Eine verspätete Feststellung des Jahresabschlusses nach § 42a Abs. 2 GmbHG führt auch im Falle eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht per se zu einer Vorverlegung des Zuflusses einer Tantieme auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung des Jahresabschlusses eingetreten wäre.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 EStG, § 42 Abs. 2, § 46 Nr. 1 GmbHG, § 42 AO
Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr (2009) beherrschender Gesellschafter sowie Geschäftsführer der A GmbH. Außerdem war der Kläger Alleingesellschafter und Geschäftsführer der B GmbH.
In den Geschäftsführerverträgen waren u.a. Tantiemen vereinbart. Diese waren jeweils vom Jahresüberschuss der Handelsbilanz nach Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der Körperschaft- und Gewerbesteuer zu berechnen und einen Monat nach Genehmigung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. Zum 31.12.2008 wurden in der Bilanz der A GmbH für den Kläger Tantiemen passiviert und in der Bilanz der B GmbH zum 31.12.2008 eine solche als sonstige Rückstellung ausgewiesen. Die Bilanzen der A GmbH und der B GmbH wurden im Dezember des Streitjahres festgestellt. Die Tantiemen wurden weder im Streitjahr noch in den Folgejahren ausgezahlt. Im Streitjahr erlitten die A GmbH und die B GmbH Verluste, die jeweils nach 2008 zurückgetragen wurden.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger die Tantiemen nicht. Nach einer Lohnsteueraußenprüfung änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzung und erhöhte den Arbeitslohn des Klägers um die Tantiemen.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit der der Kläger einen Ansatz der Tantiemen für das Wirtschaftsjahr 2008 unter Berücksichtigung der Verlustrückträge begehrte, wies das FG ab. Es war der Ansicht, die Tantiemen gälten als im Streitjahr 2009 zugeflossen. Zwar seien die Tantiemen im Jahr 2010 fällig gewesen, da die Jahresabschlüsse zum 31.12.2008 erst im Dezember 2009 festgestellt worden seien. Eine fristgerechte Feststellung hätte im Streitfall jedoch zu einer Fälligkeit spätestens am 31.12.2009 geführt. Die Verlustrückträge seien für die Berechnung der Tantiemen nicht zu berücksichtigen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.8.2017, 6 K 1418/14, Haufe-Index 11286723, EFG 2018, 32).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben. Das FG sei zu Unrecht von einem Zufluss der Tantiemen im Streitjahr ausgegangen.
Hinweis
1. Tantiemen gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Ihre Besteuerung setzt allerdings voraus, dass sie als sonstiger Bezug dem Arbeitnehmer auch nach §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 38a Abs. 1 Satz 3 EStG zugeflossen sind.
2. In der Regel fließen Geldbeträge dadurch zu, dass sie dem Empfänger bar ausbezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden (z.B. BFH, Urteil vom 22.2.2018, VI R 17/16, BFH/NV 2018, 768, m.w.N.).
3. Der BFH geht allerdings in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift bereits früher vorliegen kann. Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen "seine" Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu (BFH, Urteil vom 8.5.2007, VIII R 13/06, BFH/NV 2007, 2249, m.w.N.).
4. Fällig wird der Anspruch auf Tantiemen erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbaren (BFH, Urteil vom 3.2.2011, VI R 66/09, BFH/NV 2011, 1057, m.w.N.).
5. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Unrecht einen Zufluss der Tantiemen im Streitjahr angenommen.
a) Die Jahresabschlüsse der A GmbH und der B GmbH zum 31.12.2008 nach § 46 Nr. 1 GmbHG sind unter Passivierung der Tantiemen "im Dezember 2009" festgestellt worden. Zudem ließen die Geschäftsführer-Anstellungsverträge eine Fälligkeit der Tantiemen jeweils einen Monat nach Genehmigung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung eintreten.
b) Diese vom Grundfall abweichende Fälligkeitsvereinbarung ist zivilrechtlich wirksam und nach den Grundsätzen über die verdeckte Gewinnausschüttung fremdüblich. Vorliegend hätte sich auch ein fremder Geschäftsführer auf die konkreten Tantiemevereinbarungen eingelassen. Denn üblicherweise benötigt die Gesellschaft bei höheren Tantiemen (wie auch im Streitfall) Zeit, um die Liquidität für die Auszahlung herzustellen. Ein Monat ist dafür keine unangemessen lange Zeitspanne.
c) Im Streitfall waren die Tantiemen mithin nicht im Streitjahr, sondern erst in 2010 fällig.
6. Entgegen der Ansicht des FG führt auch die nach § 42a Abs. 2 GmbHGverspätete Feststellung der Jahresabschlüsse zum 31.12.2008 bereits zu einem Zufluss der Tantiemen in 2009.
a) Bis zur Feststellung des Jahresabschlusses...