Leitsatz
Der Wechsel von der Besteuerung als Kleinunternehmer nach § 19 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG ist eine Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 15a UStG.
Normenkette
§ 15 UStG , § 15a UStG , § 19 UStG , § 24 UStG , Art. 20 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger vermietete Ferienwohnungen zur kurzfristigen Nutzung. Das Bruttomietentgelt überschritt im Jahr 1996 die Grenze des § 19 UStG. Das FA erhob deshalb ab 1997 Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG, ließ aber eine Berichtigung der in den Vorjahren angefallenen Vorsteuerbeträge nicht zu. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH gab dem Kläger Recht. § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG greift nicht nur dann ein, wenn ein Wechsel der Besteuerung – wie im Streitfall – (gezwungenermaßen) wegen Überschreitens der Umsatzgrenze in § 19 UStG eintritt, sondern auch dann, wenn ein Kleinunternehmer während des Berichtigungszeitraums (freiwillig) gem. § 19 Abs. 2 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften übergeht.
Die Entscheidung des BFH entspricht der Rechtsprechung zu § 24 UStG: Danach ist § 15a UStG anwendbar, wenn bei Besteuerung nach § 24 UStG der ursprüngliche Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG wegfällt, weil ein Wirtschaftsgut nicht mehr für nach Durchschnittssätzen besteuerte Umsätze, sondern nunmehr für Umsätze verwendet wird, die nicht der Besteuerung nach Durchschnittssätzen unterliegen.
Hinweis
Ob der Wechsel von der Besteuerung als Kleinunternehmer nach § 19 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG eine Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 15a UStG darstellt, war umstritten. Der BFH hat dies nunmehr bejaht.
Zweck des § 15a UStG ist es, den Umfang des Vorsteuerabzugs weitgehend nach der Verwendung im Lauf der wirtschaftlichen Lebensdauer des Wirtschaftsguts zu bestimmen. Der Unternehmer soll durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Dem widerspräche es, wenn der Steuerpflichtige nach dem Wechsel zur Regelbesteuerung zwar die Umsätze wirtschaftlichen Tätigkeit versteuern müsste, ihm die entsprechende Entlastung durch Abzug der auf dieses Jahr entfallenden Vorsteuerbeträge aber verwehrt würde. § 15a UStG umfasst deshalb – entsprechend seinem weit gefassten Wortlaut – nicht nur Änderungen der Verwendungsverhältnisse, sondern sämtliche Änderungen "der Verhältnisse, die ... für den Vorsteuerabzug maßgebend waren".
Der Anwendung des § 15a Abs. 1 UStG steht – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – § 15a Abs. 7 Nr. 2 UStG nicht entgegen. Danach kann das BMF mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen, in welchen Fällen zur Vermeidung von Härten oder nicht gerechtfertigten Steuervorteilen eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 6 des § 15a UStG bei einem Wechsel der Besteuerungsform durchzuführen ist. Der Gesetzgeber war zwar – wie die Gesetzesbegründung belegt – seinerzeit davon ausgegangen, dass bei einem Wechsel der Besteuerungsform die Tatbestandsmerkmale des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht erfüllt sind.
Dass dieses einengende Verständnis nicht aufrechterhalten werden kann, hat der Gesetzgeber durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 7.11.2001 (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) bemerkt und § 19 Abs. 1 Satz 5 UStG gestrichen, wonach bei einem Wechsel von der allgemeinen Besteuerung zur Nichterhebung der Steuer nach § 19 UStG eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG nur dann zugelassen war, wenn sich die für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse bei einem Wirtschaftsgut geändert hatten, das von dem Unternehmer bereits vor dem Wechsel erstmals verwendet wurde. Im Rahmen der Begründung dieser Streichung heißt es: "Damit ist nunmehr klargestellt, dass § 15a UStG auch im Bereich der Kleinunternehmerregelung uneingeschränkt zur Anwendung kommt" (vgl. BTDrucks. 14/7340, S. 23 zu Art. 14, zu Nr. 10 Buchst. b).
Auch Art. 20 Abs. 6 der 6. EG-RL, auf dem § 15a UStG beruht, erlaubt für den Fall, dass der Steuerpflichtige von der normalen Mehrwertsteuerregelung auf eine Sonderregelung übergeht oder umgekehrt, den Mitgliedstaaten nur Regelungen, um zu gewährleisten, dass dem Steuerpflichtigen dadurch weder ungerechtfertigte Vorteile noch ungerechtfertigte Nachteile entstehen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.6.2004, V R 31/02