Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Die Beiträge des Arbeitgebers zu einer privaten Gruppenkrankenversicherung sind Arbeitslohn des Arbeitnehmers, wenn dieser einen eigenen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen den Versicherer erlangt (Anschluss an BFH-Urteil vom 16.04.1999, VI R 66/97, BFH/NV 1999, 1413).
2. Die Gewährung von Krankenversicherungsschutz ist in Höhe der geleisteten Beiträge Sachlohn, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags von seinem Arbeitgeber ausschließlich Versicherungsschutz und nicht auch eine Geldzahlung verlangen kann (Anschluss an BFH-Urteil vom 11.11.2010, VI R 27/09, BFH/NV 2011, 484).
3. Beiträge für eine Krankenversicherung der Arbeitnehmer können steuerfrei sein, wenn der Arbeitgeber nach einer zwischenstaatlichen Verwaltungsvereinbarung, die ihrerseits auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruht, zur Leistung verpflichtet ist (§ 3 Nr. 62 S. 1 Alt. 3 EStG).
Normenkette
§ 3 Nr. 62, § 40a Abs. 3, § 40a Abs. 5, § 40 Abs. 3, § 8 Abs. 2 EStG, § 4 Abs. 1 ASAV
Sachverhalt
K beschäftigte in seinem landwirtschaftlichen Betrieb von 2001 bis 2003 Saisonarbeitskräfte aus Polen, für die er eine private Gruppenkrankenversicherung abschloss und die Beiträge zahlte.
Das FA erfasste die Versicherungsbeiträge als Arbeitslohn und erließ einen LSt-Nachforderungsbescheid. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.09.2009, 6 K 1661/08, Haufe-Index 2342184, EFG 2010, 1607).
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung aus den unter Praxis-Hinweise erläuterten Gründen auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Hinweis
Das Besprechungsurteil veranschaulicht drei lohnsteuerrechtliche Fragen, die mit der Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen für ausländische (hier: polnische) Saisonarbeitskräfte verbunden sein können.
1. In Bezug auf die Grundfrage, nämlich ob überhaupt Arbeitslohn vorliegt, konnte der BFH auf grundlegende frühere Rechtsprechung verweisen (BFH, Urteil vom 07.05.2009, VI R 8/07, BFH/NV 2009, 1504, BFH/PR 2009, 369): Die Übernahme von Versicherungsbeitragsleistungen durch den Arbeitgeber gilt nur dann als Arbeitslohn, wenn die Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen den Versicherer haben. Nachdem hier zu der konkreten Leistungsbeziehung zwischen den Saisonarbeitskräften und dem Krankenversicherer nichts festgestellt war, war schon aus diesem Grund die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
2. Der BFH nahm den Streitfall weiter zum Anlass, auf seine neueste Rechtsprechung zur Differenzierung zwischen Bar- und Sachlohn hinzuweisen (grundlegend Senatsurteil vom 11.11.2010, VI R 41/10, BFH/NV 2011, 486, BFH/PR 2011, 126). Denn im Streitfall war nicht festgestellt, ob die Arbeitnehmer nach den arbeitsvertraglichen Regelungen von K lediglich den Krankenversicherungsschutz als solchen (dann ggf. unter die Freigrenze des § 8 Abs. 2 S. 9 EStG fallender Sachlohn) oder stattdessen auch Barlohn in Höhe der Beiträge hätten fordern können.
3. Steuerfrei nach § 3 Nr. 62 S. 1 EStG sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers u.a. dann, wenn der Arbeitgeber dazu nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist (vgl. BFH, Urteil vom 22.07.2008, VI R 56/05, BFH/NV 2008, 1744, BFH/PR 2008, 503). Hier berief sich K auf eine zwischenstaatliche Vereinbarung zwischen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und dem Nationalen Amt Polens. Nach § 4 Abs. 1 der Anwerbestoppausnahmeverordnung kann eine Arbeitserlaubnis für Ausländer u.a. dann erteilt werden, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Absprache zwischen der BA und der Arbeitsverwaltung des Herkunftslands vermittelt wurde. Damit war nicht auszuschließen, dass die Vermittlung der Arbeitnehmer durch die BA nach einem in der zwischenstaatlichen Vereinbarung geregelten Verfahren erfolgte, das den Arbeitgeber zum Abschluss der Krankenversicherung verpflichtete.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.04.2011 – VI R 24/10