Leitsatz
Beim Erwerb weiterer Flächen aufgrund eines gesetzlichen Anspruchs nach § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG gegen Zahlung eines Kaufpreisaufschlags führt die nur wertmäßige Zuordnung eines Teils des bereits für andere Flächen entrichteten Kaufpreises zu den neuen Flächen nicht zur Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 38 AO, § 3 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1, Abs. 7a Sätze 1 und 3, Abs. 7b Satz 2 AusglLeistG, § 433 Abs. 1 BGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 FlErwV
Sachverhalt
Der Kläger erwarb 2006 nach § 3 Abs. 5 AusglLeistG die Grundstücke 1 zu einem Kaufpreis von ca. 271.000 EUR; hierfür wurde Grunderwerbsteuer festgesetzt. Nachdem durch eine gesetzliche Neuregelung (§ 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG) der Verkehrswert der Grundstücke 1 nach den Verhältnissen in 2004 bestimmt werden durfte und entsprechend der Wertdifferenz zum bereits gezahlten Kaufpreis weitere Flächen hinzuerworben werden konnten, erwarb der Kläger durch eine Nachtragsvereinbarung in 2012 die Grundstücke 2. Hierfür war ein Kaufpreisaufschlag von ca. 10.000 EUR zu zahlen. In der Nachtragsvereinbarung wurde der ursprüngliche Kaufpreis in Höhe eines Teils von ca. 58.000 EUR den Grundstücken 2 zugeordnet.
Das FA setzte GrESt für den auf die Grundstücke 2 anteilig entfallenden Kaufpreis sowie den Kaufpreisaufschlag fest. Die Vorinstanz (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 5.6.2014, 3 K 413/1) war der Auffassung, nur der Kaufpreisaufschlag könne der GrESt unterliegen.
Entscheidung
Der BFH hat dieses Ergebnis bestätigt. Der in der Nachtragsvereinbarung den Grundstücken 2 anteilig zugeordnete Kaufpreis ist nach Auffassung des BFH nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Denn dieser Preis ist keine Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG für den Erwerb dieser Grundstücke. Die Nachtragsvereinbarung bildete mit dem Kaufvertrag eine Einheit. Für den Erwerb der Grundstücke 1 und der Grundstücke 2 ist ein Gesamtkaufpreis gebildet worden. Der Kläger musste aufgrund der Nachtragsvereinbarung keinen zusätzlichen Kaufpreis für den Erwerb der Grundstücke 2 zahlen. Zu entrichten war nur der Kaufpreisaufschlag.
Denn der Kläger hatte nach § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG n.F. einen Anspruch auf einen weiteren Erwerb von Flächen. Wegen der niedrigeren, auf 2004 bezogene Wertermittlung für die Grundstücke reichte der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis für den Erwerb weiterer Grundstücksflächen aus. Durch die Zuordnung des Kaufpreises wurde nur dokumentiert, dass mit der Übereignung der Grundstücke 2 der Anspruch des Klägers auf den Hinzuerwerb erfüllt ist.
Hinweis
Der Besprechungsfall betrifft ein außergewöhnliches, in den neuen Bundesländern offenbar aber nicht seltenes Problem der Grunderwerbsteuer: Es geht um den verbilligten Verkauf von Grundstücken als Entschädigungsleistung für erlittene Enteignungen.
Das Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) regelt Ausgleichsleistungen als Wiedergutmachung für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher Grundlage in den Jahren 1945 bis 1949. Nach dem Einigungsvertrag wurden diese Enteignungen grundsätzlich nicht rückgängig gemacht. Daher billigte der Gesetzgeber Personen, denen im Beitrittsgebiet unter sowjetischer Verantwortlichkeit Grundstücke entschädigungslos entzogen worden waren, einen Anspruch auf Wiedergutmachung zu. Nach dem "Flächenerwerbsprogramm" wurde den Berechtigten die Möglichkeit eröffnet, bestimmte land- und forstwirtschaftliche Flächen zu besonders günstigen Konditionen zu erwerben.
Im Jahr 2010 standen noch rund 350.000 ha landwirtschaftliche Fläche zum Verkauf. Seit dem Jahr 2004 waren Preissteigerungen für diese Flächen zu verzeichnen, die sich auf annähernd 100 % summiert hatten. Diese Preissteigerungen führten in der Praxis zu einer erheblichen Verringerung des erwerbbaren Flächenvolumens für Alteigentümer. Mit einer Neuregelung in 2011 wurde deshalb der Kaufpreis faktisch erheblich herabgesetzt und für Berechtigte die Kaufpreisberechnung auf der Basis der Wertansätze 2004 festgeschrieben.
Die Besonderheit, die auch zum Streitfall geführt hat, liegt in folgendem: Hatte ein Berechtigter bereits Flächen erworben, so wurden diese nachträglich niedriger bewertet. Der Berechtigte konnte damit Flächen für den bereits "überzahlten" Kaufpreisnacherwerben (zzgl. eines zur Vermeidung von Überkompensationen geschuldeten geringen Kaufpreisaufschlags). Für die Grunderwerbsteuer stellte sich die Frage, ob dieser Nacherwerb tatsächlich das "Auffüllen" eines bereits vorausbezahlten Erwerbsvorgangs oder der Abschluss eines neuen grunderwerbsteuerbaren Kaufvertrags war.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.5.2017 – II R 7/15