Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Wird ein Erbbaurecht vor Ablauf der Laufzeit gegen Vereinbarung eines Erbbauzinses verlängert, ist Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer der kapitalisierte Erbbauzins für den Verlängerungszeitraum. Eine Abzinsung des Kapitalwerts auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung über die Verlängerung des Erbbaurechts ist nicht vorzunehmen.
Normenkette
§ 8 Abs. 1, § 14 Nr. 1 GrEStG, § 12 Abs. 3, § 13 Abs. 1, Abs. 3 BewG
Sachverhalt
Die Klägerin war Berechtigte eines mit notariellem Erbbaurechtsvertrag vom 22.10.1981 begründeten Erbbaurechts an einem Grundstück mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2046. Am 19.4.2021 schloss sie mit dem Grundstückseigentümer eine notarielle Vereinbarung, wonach sich das Erbbaurecht automatisch sechsmal um jeweils zehn Jahre, also zunächst bis zum 31.12.2056, sodann bis zum 31.12.2066 und so weiter verlängert, wenn nicht der Erbbauberechtigte der jeweiligen Verlängerung vor Ablauf von einem Jahr der normalen Lauf- bzw. Verlängerungszeit schriftlich gegenüber dem anderen Vertragsteil widerspricht.
Das FA setzte aufgrund dieser Vereinbarung Grunderwerbsteuer i.H.v. 80.504 EUR gegen die Klägerin fest. Als grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage legte das FA den kapitalisierten Erbbauzins i.H.v. 1.238.533 EUR zugrunde. Diesen ermittelte es gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.V.m. Anlage 9a zum BewG durch Anwendung des sich aufgrund einer Laufzeitverlängerung von 60 Jahren ergebenden Vervielfältigers von 17,930 auf den jährlichen Erbbauzins von 69.076 EUR. Das FG wies nach erfolglosem Einspruchsverfahren die hiergegen erhobene Klage ab (FG Düsseldorf, Urteil vom 30.11.2023, 11 K 2195/21 GE, Haufe-Index 16189685).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet abgewiesen.
Hinweis
1. Der BFH hat eine Abzinsung der Gegenleistung für die zukünftige Verlängerung des Erbbaurechts nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Verlängerungsvereinbarung abgelehnt. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in dem Urteil vom 10.7.2024 – II R 3/22 Bezug genommen.
2. Einer Besteuerung stand auch nicht entgegen, dass der Erbbauberechtigte der Verlängerung des Erbbaurechts widersprechen konnte. Zwar entsteht nach § 14 Nr. 1 GrEStG die Steuer, wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängt, erst dann, wenn die Bedingung eintritt. Das FG hat in Bezug auf das Widerrufsrecht des Erbbauberechtigten jedoch keine aufschiebende, sondern eine auflösende Bedingung gesehen. Der BFH hat dies revisionsrechtlich nicht beanstandet, sodass er an diese Auslegung nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden war.
3. Etwas anderes folgte nach Auffassung des BFH auch nicht daraus, dass bei der Verlängerung des Erbbaurechts in dinglicher Hinsicht eine aufschiebende Bedingung vorliegt. Vom dinglichen Rechtsgeschäft zu unterscheiden ist der schuldrechtliche Teil des Rechtsgeschäfts, der als grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zu besteuern ist. Dieser kann bei einem Erbbaurecht sowohl unter einer aufschiebenden als auch unter einer auflösenden Bedingung abgeschlossen werden. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz dahin gehend, dass hinsichtlich des dinglichen Erfüllungsgeschäfts regelmäßig dieselbe Bedingung gewollt ist, wie sie für das schuldrechtliche Kausalgeschäft besteht und umgekehrt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.7.2024 – II R 36/23