Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Wird ein Erbbaurecht vor Ablauf der Laufzeit gegen Vereinbarung eines Erbbauzinses verlängert, ist Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer der kapitalisierte Erbbauzins für den Verlängerungszeitraum. Eine Abzinsung des Kapitalwerts auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung über die Verlängerung des Erbbaurechts ist nicht vorzunehmen.
Normenkette
§ 8 Abs. 1 GrEStG, § 12 Abs. 3, § 13 Abs. 1, Abs. 3 BewG
Sachverhalt
Die Klägerin war Berechtigte eines mit notariellem Erbbaurechtsvertrag vom 12.1.1989 begründeten Teilerbbaurechts an einem Grundstück, auf dem ein Hotel betrieben wurde. Das Teilerbbaurecht wurde bis zum 31.12.2070 bestellt. Der jährliche Erbbauzins betrug 302.928,36 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Die Klägerin war außerdem zur Zahlung eines Entgelts nach Maßgabe bestimmter Umsätze des Hotels je Geschäftsjahr verpflichtet.
Der Erbbaurechtsvertrag wurde mit notarieller Urkunde vom 13.8.2018 dahin gehend geändert, dass die Laufzeit des Erbbaurechts um weitere 44 Jahre bis zum 31.12.2114 verlängert wurde. Anstelle des bisherigen Erbbauzinses sowie der separaten Umsatzabgabe für den Betrieb des Hotels wurde ein neuer einheitlicher Erbbauzins i.H.v. 3.369.563,09 EUR jährlich vereinbart. Darüber hinaus erhielt die Grundstückseigentümerin als Gegenleistung für die Löschung einer für sie eingetragenen Grundschuld sowie für die Erleichterung der Finanzierung durch Änderung der Belastungsgrenze des Teilerbbaurechts ein einmalig zu zahlendes Entgelt i.H.v. 10,4 Mio. EUR.
Das FA setzte aufgrund der Verlängerung des Erbbaurechts Grunderwerbsteuer i.H.v. 4.864.524 EUR fest. Der dagegen erhobene Einspruch führte zu einer Herabsetzung der GrESt auf 4.042.758 EUR und blieb im Übrigen ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung ging das FA von einer grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage von 67.379.310 EUR aus, die sich aus dem Einmalbetrag von 10,4 Mio. EUR und dem kapitalisierten Erbbauzins für den Verlängerungszeitraum i.H.v. 56.979.310 EUR zusammensetzte. Den kapitalisierten Erbbauzins ermittelte das FA gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG i.V.m. Anlage 9a zum BewG durch Anwendung des sich aufgrund der Laufzeitverlängerung von 44 Jahren ergebenden Vervielfältigers von 16,910 auf den jährlichen Erbbauzins von 3.369.563 EUR.
Die hiergegen erhobene Klage war teilweise erfolgreich. Das FG gab der Klage statt, soweit die Klägerin sich gegen die Einbeziehung der Einmalzahlung von 10,4 Mio. EUR in die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage wandte. Soweit die Klägerin die zusätzliche Abzinsung des Erbbauzinses auf den Zeitpunkt der Vereinbarung über die Verlängerung des Erbbaurechts begehrte, wies das FG die Klage ab (Hessisches FG, Urteil vom 30.9.2020, 5 K 235/19, Haufe-Index 15287945).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet abgewiesen.
Hinweis
1. Auch die Verlängerung eines Teilerbbaurechts unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG stellt das Erbbaurecht ausdrücklich den Grundstücken gleich. Die Vereinbarung der Verlängerung eines Erbbaurechts unterliegt als Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG daher ebenso wie die Vereinbarung über die (erstmalige) Bestellung der Grunderwerbsteuer.
2. Die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage bestimmt sich gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Kapitalwert der für den Verlängerungszeitraum zu zahlenden Erbbauzinsen. Dies ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG die auf die vereinbarte Laufzeit des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzinsverpflichtung.
3. Ausgehend hiervon hatte das FG die Bemessungsgrundlage für die Verlängerung des Erbbaurechts der Höhe nach zutreffend ermittelt. Der vertraglich vereinbarte jährliche Erbbauzins betrug 3.369.563 EUR. Aufgrund der im Erbbaurechtsänderungsvertrag vom 13.8.2018 vereinbarten Laufzeitverlängerung vom 1.1.2071 bis zum 31.12.2114 (44 Jahre) ergab sich auf der Grundlage der Anlage 9a zum BewG ein Vervielfältiger von 16,910. Bei Anwendung dieses Vervielfältigers belief sich der kapitalisierte Erbbauzins für den Verlängerungszeitraum auf 56.979.310 EUR.
4. Der kapitalisierte Erbbauzins war nicht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Verlängerungsvereinbarung vom 13.8.2018 abzuzinsen. § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG sieht abweichend von dem Grundsatz des § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG vor, dass Forderungen oder Schulden nicht mit ihrem Nennwert anzusetzen sind, sondern ausnahmsweise abgezinst werden, wenn sie unverzinslich sind und ihre Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt. Die Vorschrift erfasst im Bereich der GrESt nach der Rechtsprechung des BFH jedoch nur solche Fälle, in denen der Grundstücksverkäufer seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zur Übereignung des Grundstücks bereits erfüllt hat und trotzdem vereinbarungsgemäß die Kaufpreiszahlung des Käufers zinslos hinausgeschoben wird.
5. Nach diesen Grundsätzen kommt eine Abzinsung der für die Verlängerung des Teilerbbrauchrechts vereinbarten Gegenleistung nicht in Betracht. Bei ...