Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Das Niedersächsische Finanzgericht hatte zu entscheiden, wie die Bemessungsgrundlage für die private Nutzung eines gemischt genutzten Gebäudes zu ermitteln ist. Das Gericht hat - entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung - entschieden, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht über den maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum nach § 15a UStG zu verteilen sind, sondern entsprechend der ertragsteuerlichen Typisierung eine Gebäudenutzung von 50 Jahren zu Grunde zu legen ist.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte ein Einfamilienhaus in einem Gewerbegebiet errichtet, von dessen Nutzfläche ca. 30 % umsatzsteuerpflichtig an eine Baugesellschaft vermietet wurde, ca. 70 % wurden für private Wohnzwecke genutzt. Die Klägerin ordnete das Gebäude insgesamt ihrem Unternehmen zu und zog die ihr aus der Errichtung des Gebäudes berechnete Umsatzsteuer gemäß dem Urteil des EuGH v. 8.5.2003 (Rs. C-269/00 - Wolfgang Seeling, Haufe-Index 935945) in vollem Umfang als Vorsteuer ab. Die Bemessungsgrundlage für die private Nutzung nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG ermittelten die Kläger an Hand der ertragsteuerlichen Abschreibung nach § 7 Abs. 4 EStG mit 2 %.
Das Finanzamt gewährte den vollen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten, berechnete die Bemessungsgrundlage der privaten Nutzung aber entsprechend dem BMF-Schreiben v. 13.4.2004 (IV B 7 - 7206 - 3/04, BStBl I 2004 S. 468) ausgehend von einer Verteilung der Herstellungskosten auf den zehnjährigen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG.
Entscheidung
Das Finanzgericht stellt zutreffend fest, dass die Klägerin das Gebäude insgesamt dem Unternehmen zuordnen konnte und der Vorsteuerabzug aus den gesamten Herstellungskosten nicht ausgeschlossen ist, da die private Nutzung als unentgeltliche Wertabgabe keiner Steuerbefreiung unterliegt. Die Bemessungsgrundlage für diese unentgeltliche Wertabgabe bestimmt sich nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten, soweit diese zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hatten.
Weiterhin wird festgestellt, dass zu den zu berücksichtigenden Kosten auch die über mehrere Jahre zu verteilenden Herstellungskosten gehören. Auch ein Vergleich des "Kostenbegriffes" mit dem in Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL verwendete Begriff der Ausgaben führt zu keiner anderen Interpretation, da das FG auf die Rechtsprechung des EuGH abstellt, der hierin eine "begriffskongruente Umsetzung" gesehen hat (EuGH, Urteil v. 6.7.1995, Rs. C-62/93 - BP Soupergaz, HaufeIndex 60590).
Das FG ist davon überzeugt, dass im Rahmen der ertragsteuerlichen Typisierung nach § 7 Abs. 4 EStG auch umsatzsteuerlich von einer Verteilung über eine Nutzungsdauer von 50 Jahren auszugehen ist. Eine Verteilung über den zehnjährigen Berichtigungszeitraum wird für unrealistisch angesehen, da solche Gebäude in der Regel eine deutlich längere Nutzungsdauer haben, als die ertragsteuerlich zugrunde gelegten 50 Jahre.
Die von der Finanzverwaltung vorgetragene Begründung, die Verteilung über den zehnjährigen Berichtigungszeitraum würde dem gemeinschaftsrechtlichen Neutralitätsgebot entsprechen, hielt das FG für unzutreffend, da auch bei der entgeltlichen (steuerpflichtigen) Vermietung innerhalb des Zeitraums von zehn Jahren im Regelfall die Umsatzsteuerlast aus der Vermietung geringer sein wird, als der Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten. Auch der Hinweis darauf, dass bei Verteilung über 50 Jahre gegebenenfalls ein unversteuerter Letztverbrauch entstehen kann, wird nicht für entscheidungserheblich gehalten, da dies - auch nach dem Urteil des EuGH v. 8.5.2003 - offensichtlich die Folge der bewussten Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers ist.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung für die Frage der Ermittlung der Bemessungsgrundlage hat das FG die Revision beim BFH zugelassen.
Hinweis
Das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts kann noch nicht als Entwarnung für alle Fälle der privaten Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes angesehen werden. Einerseits sind in gleicher Angelegenheit noch Verfahren bei anderen Finanzgerichten anhängig (z. B. FG München, Az.: 14 K 2944/04 und FG Nürnberg, Az.: II 298/2004). Andererseits wird wahrscheinlich letztinstanzlich erst der EuGH über die Auslegung des in Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL Begriffs der "Ausgaben" im Zusammenhang mit der Besteuerung der nichtunternehmerischen Verwendung entscheiden.
Die durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz - zum 1.7.2004 rückwirkende - gesetzliche Anpassung des § 10 Abs. 4 UStG an die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung wird hier auch keinen Einfluss auf die endgültige Beurteilung haben.
Ob einem Unternehmer heute die Anwendung des "Gestaltungsmodells" nach dem Urteil des EuGH vom 8.5.2003 anzuraten ist, hängt nicht nur von der Höhe der von ihm zu besteuernden Bemessungsgrundlage ab, sondern auch ganz entscheidend von der ebenfalls wohl erst vom EuGH zu entscheidenden Frage, ob die spätere Entnahme des Wirtschaftsgutes aus dem Unte...