Prof. Dr. Georg Heni, Dipl.-Kfm. Carsten Ernst
Rz. 11
Nach § 301 Abs. 3 HGB ist ein nach Verrechnung gem. § 301 Abs. 1 HGB verbleibender Unterschiedsbetrag, wenn er auf der Aktivseite entsteht, in der Konzernbilanz als GoF auszuweisen. Durch die Verrechnung der AK der Anteile am TU mit den dahinter stehenden VG und Schulden des erworbenen TU (jeweils zu Zeitwerten bewertet) wird die rechtliche Sichtweise eines Beteiligungserwerbs im Jahresabschluss durch eine wirtschaftliche Sichtweise im Konzernabschluss ersetzt. Dahinter steht die Fiktion, dass der Konzern bei einem durch Share-Deal erworbenen TU ein Bündel einzelner VG und Schulden unmittelbar erworben hat. Dies entspricht auch der Sichtweise des § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB im Jahresabschluss, wonach ein unmittelbarer Erwerb von VG und Schulden erfolgt und ein derivativer GoF als positiver Unterschiedsbetrag aus dem gezahlten Kaufpreis und den Zeitwerten der übernommenen identifizierbaren VG und Schulden im Zeitpunkt der Übernahme entsteht. § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB gilt durch den Verweis in § 298 Abs. 1 HGB auch für die Konzernrechnungslegung. Zudem kann aus der Gesetzessystematik und dem Wortlaut der §§ 301 Abs. 3, 309 Abs. 1 HGB geschlossen werden, dass diese Fiktion auch für den Konzernabschluss gelten soll, so dass der GoF definitionsgemäß als ein zeitlich begrenzt nutzbarer VG aufzufassen und daher aktivierungspflichtig ist.
Rz. 12
Der GoF resultiert aus den spezifischen Chancen/Vorteilen (einem Bündel aus personen- und sachbezogenen geschäftswertbildenden Faktoren) eines Unternehmenserwerbs, die sich bspw. aus Fähigkeit und Wissen der Belegschaft, Standortvorteilen, Mitarbeiterstamm und Management oder auch Organisationsstrukturen ergeben können (Rz 13). Im Unterschied zu den einzeln bilanzierungspflichtigen VG und Schulden fehlt es diesen Bestandteilen an der Einzelbewertbarkeit und Einzelveräußerbarkeit (-verkehrsfähigkeit) und daher auch an der Bilanzierungsfähigkeit in der Konzernbilanz. Eine Bewertung bzw. Übertragung dieser geschäftswertbildenden Faktoren ist daher nur bei einer Gesamtbewertung bzw. eines Gesamtunternehmensverkaufs möglich. Ein ausgewiesener GoF beinhaltet daher alle insoweit nicht bilanzierungsfähigen Werte und ist als "Sammelposten" zu begreifen. Dies entspricht dem in der Literatur vertretenen "Residuum"-Konzept.
Daneben schlägt sich im GoF auch die künftige Gewinnerwartung (diskontierte Gewinne) nieder. Der GoF beinhaltet daher auch kapitalisierte Übergewinne, die über die bloße Ertragserwartung der Unternehmenssubstanz (Substanzwert) hinausgehen. Insoweit entspricht der GoF auch einem Kapitalisierungsmehrwert. Dies steht im Einklang mit dem in der Literatur bezeichneten "Übergewinn"-Konzept (excess earnings). Zu Fragen des Ausweises des GoF vgl. § 301 Rz 100 ff.
Rz. 13
Um den GoF näher zu erklären bzw. zu plausibilisieren, werden zwei Erklärungsansätze diskutiert. Aus der Top-Down-Perspektive handelt es sich bei dem GoF um die Differenz zwischen dem Unternehmenswert und dem Zeitwert des Nettovermögens. Diese Sichtweise entspricht den aus der Unternehmensbewertung bekannten Gesamtbewertungsverfahren. Hingegen wird aus der Bottom-Up-Perspektive der GoF aus seinen einzelnen Komponenten zu erklären versucht. Dabei handelt es sich jedoch eher um eine Ergänzung des den GoF definierenden Top-Down-Ansatzes mit dem Ziel, diesen durch die Aufzählung seiner wertbildenden Faktoren zu charakterisieren. Dem GoF liegen somit i.d.R zahlreiche geschäftswertbildende Faktoren zugrunde, aus welchen die im Folgenden dargestellten Einzelkomponenten des Goodwills abgeleitet werden können. Die Kenntnis und Dokumentation der jeweiligen Einzelkomponenten des GoF kann sowohl für die Nutzungsdauerschätzung des GoF als auch für Fragen der Notwendigkeit einer außerplanmäßigen Abschreibung in den Folgeperioden hilfreich sein. Bereits bei der Erstkonsolidierung zu korrigierende Komponenten des GoF (bspw. technischer aktiver Unterschiedsbetrag oder Überzahlungs- / Überbewertungskomponenten) sind in der folgenden (nicht abschließenden) Auflistung möglicher Einzelkomponenten eines GoF nicht enthalten:
- Übernommene aber separat nicht ansatzfähige immaterielle Vermögensgegenstände (bspw. Geheimhaltungsvereinbarungen unterliegende Kundenlisten oder nicht patentierte Technologien);
- Zukünftige immaterielle VG (auf Basis der erworbenen zukünftigen Innovationskraft und dem erworbenen technischen/branchenspezifischen Know-how);
- Mitarbeiterstamm (vorhandenes Wissen und individuelle Fähigkeiten des übernommenen Mitarbeiterstamms);
Synergie-Potenziale:
- Synergien bei der Erschließung neuer oder der Durchdringung bestehender Absatzmärkte;
- Bessere Auslastung von Produktionskapazitäten;
- Bessere Konditionen im Einkaufsbereich;
- Verstärkter Einsatz von Gleichbauteilen / Plattformkonzepten in der Produktion;
- Reduzierung von Gemeinkosten im Verwaltungsbereich.
Außerdem werden noch weitere Komponenten wie ein Restrukturierungs-, Strategie- und Flexibilitäts-Goodwill genannt.