3.1 Begrenzung des Einsichtnahmerechts (Abs. 2 Satz 1)

 

Rz. 28

Die Begrenzung des Einsichtnahmerechts gilt für KapG in der Rechtsform der

  • Aktiengesellschaft,
  • Kommanditgesellschaft auf Aktien,
  • SE (vgl. § 3 SEAG[1]).
 

Rz. 29

Das Einsichtnahmerecht kann bei diesen Ges. nur von solchen Gesellschaftern ausgeübt werden, die mind.

  • 1 % des Grundkapitals oder
  • einen Börsenwert von 100.000 EUR

auf sich vereinigen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, bei Publikumsgesellschaften das Verfahren der Einsichtnahme mit Rücksicht auf die große Zahl von Gesellschaftern praktikabel zu halten.[2]

 

Rz. 30

Die Grenzwerte sind an die in §§ 142 Abs. 2, 148 Abs. 1 AktG geregelten Grenzwerte für die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers angelehnt und bewusst nicht an die 5-fach höheren Grenzwerte in § 318 Abs. 3 HGB zur gerichtlichen Ersetzung eines Abschlussprüfers. Begründet wird dies mit dem höheren Gewicht, dem eine Ersatzbestellung des Abschlussprüfers im Vergleich zur Einsichtnahme in den Prüfungsbericht zukommt.[3]

 

Rz. 31

Der erforderliche Grenzwert muss bei Geltendmachung des Einsichtnahmerechts erreicht werden. Das Kriterium Börsenwert ist somit an den im Insolvenzfall regelmäßig stark gesunkenen Aktienkurs nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. Ablehnung des Antrags auf Eröffnung mangels Masse gebunden. Gleichermaßen sind Anteilsübertragungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen, z. B. wenn ein Konkurrenzunternehmen zum Zweck der Einsichtnahme in die Prüfungsberichte nach Insolvenzeröffnung Aktien erwirbt. Der für die Sonderprüfung nach § 142 Abs. 2 AktG maßgebliche 3-Monatszeitraum kommt mangels gesetzlichen Verweises nicht zur Anwendung.[4]

 

Rz. 32

Für nicht börsennotierte Ges. kommt dem zweiten Grenzwert naturgemäß keine Bedeutung zu. Hier knüpft das Einsichtnahmerecht ausschl. an die 1-%-Grenze des Grundkapitals an. Ein Nichterreichen dieser Grenze erscheint in der Praxis lediglich bei ausgesprochen weit gefächerten Gesellschafterkreisen von Familiengesellschaften denkbar.

 

Rz. 33

Die Beschränkung des Einsichtnahmerechts gilt nur für Gesellschafter, nicht aber für Gläubiger, die auch bei geringen Forderungen gegen das insolvente Unt einsichtnahmeberechtigt sind (Rz 5).

[1] Die SE ist in § 321a Abs. 2 Satz 1 HGB nicht genannt. Bei Einführung der Vorschrift existierte das SE-AG noch nicht. Da selbst DAX-Unt zwischenzeitlich die Rechtsform der SE gewählt haben, erscheint die dargestellte Rechtsfolge zwingend.
[2] Vgl. BT-Drs. 15/3419 v. 24.6.2004 S. 43.
[3] Vgl. BT-Drs. 15/3419 v. 24.6.2004 S. 44.
[4] Vgl. Forster/Gelhausen/Möller, WPg 2007, S. 194; a. A.: Orth, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 321a HGB Rz 65, Stand: 12/2012.

3.2 Erläuterungsrecht des Abschlussprüfers (Abs. 2 Satz 2)

 

Rz. 34

Das Erläuterungsrecht des Abschlussprüfers stellt eine gesetzliche Ausnahme von der ansonsten bestehenden Verschwiegenheitsverpflichtung des Abschlussprüfers gem. § 323 Abs. 1 und 3 HGB dar. Der Abschlussprüfer benötigt kraft der gesetzlichen Regelung hierfür keine Entbindung von der Verschwiegenheitsverpflichtung durch die Unternehmensorgane. Diese können auch nur i. R. ihres Widerspruchsrechts nach Abs. 3 Satz 1 dagegen vorgehen (Rz 39 ff.).

 

Rz. 35

Ziel des Erläuterungsrechts ist, dem Abschlussprüfer die Möglichkeit der Entlastung zu geben, wenn z. B. i. R. öffentlicher Berichterstattung Zweifel an der Qualität der durchgeführten Abschlussprüfung bzw. der Berichterstattung darüber geäußert werden. Der Abschlussprüfer erhält dieses Erläuterungsrecht erst, wenn das Einsichtnahmerecht gem. Abs. 1 Satz 1 ausgeübt wird, und es besteht auch nur gegenüber den Einsichtnehmenden. Es handelt sich um ein Recht des Abschlussprüfers, nicht um eine Verpflichtung, auch wenn dies von den Einsichtnehmenden gewünscht wird.

 

Rz. 36

Da gem. Abs. 3 Satz 3 die Verschwiegenheitspflicht "im Übrigen" bestehen bleibt, wird das Erläuterungsrecht des Abschlussprüfers so zu verstehen sein, dass sich der Abschlussprüfer auf Berichtsteile beschränkt, die ggf. missverständlich oder die zum Verständnis der für die im Prüfungszeitpunkt bestandenen wirtschaftlichen Situation der geprüften Ges. erforderlich sind. Nicht zulässig wäre es somit, den gesamten Prüfungsbericht zu kommentieren oder ihn sogar den Einsichtnehmenden zu überlassen.[1]

 

Rz. 37

Das Erläuterungsrecht des Abschlussprüfers wird weiter beschränkt durch das Widerspruchsrecht gem. Abs. 3 Satz 1 (Rz 39 ff.); es empfiehlt sich daher für den Abschlussprüfer, sich vor Ausübung des Erläuterungsrechts mit den Widerspruchsberechtigten abzustimmen, ob sie ihr Widerspruchsrecht ausüben.

 

Rz. 38

Da auch der Prüfungsbericht den Einsichtnehmenden nicht überlassen oder in Kopie zur Verfügung gestellt werden darf (Rz 22), ist das Erläuterungsrecht ausschl. mündlich auszuüben.[2] Bei den Erläuterungen kann sich der Abschlussprüfer an den berufsüblichen Grundsätzen für die mündliche Berichterstattung an den Aufsichtsrat orientieren.[3] Durch die Wahrnehmung des Erläuterungsrechts entsteht kein Auskunftsvertrag oder sonstiges Schuldverhältnis zwischen Abschlussprüfer und Einsichtsberechtigten. Gleichwohl erscheint es ...

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