1 Überblick
1.1 Anwendungsbereich und Normenzusammenhang
Rz. 1
§ 319 HGB regelt die bei gesetzlich vorgeschriebenen Abschlussprüfung an die Unabhängigkeit des AP zu stellenden Anforderungen. Die Vorschrift gilt für alle Abschlussprüfungen, bei denen ein Bestätigungsvermerk erteilt wird, und ist von den betreffenden AP und den beauftragenden Organen der prüfungspflichtigen Unt zu beachten.
Rz. 2
Der vorgesehene AP hat vor Annahme eines Mandats zur Durchführung einer Abschlussprüfung sowie während der gesamten Dauer der Auftragsdurchführung zu prüfen, ob die Unbefangenheit gefährdende Umstände vorliegen bzw. ein gesetzlicher Ausschlusstatbestand erfüllt ist (§ 29 Abs. 5 BS WP/vBP).
Rz. 3
Bei § 319 HGB handelt es sich um zwingendes Recht. Durch Satzungsbestimmungen bzw. gesonderte Regelungen können keine nach § 319 HGB ausgeschlossenen Personen als AP zugelassen werden. Dagegen sind über das HGB hinausgehende gesonderte Bestimmungen hinsichtlich des AP soweit zulässig, als sie mit dem Prüfungszweck im Einklang stehen und die Auswahl des Abschlussprüfers nicht wesentlich einengen.
Rz. 4
Über § 319 HGB hinausgehend, sind bei Abschlussprüfungen von Unt von öffentlichem Interesse weitergehende Anforderungen an die Unabhängigkeit des AP zu stellen, die in der EU-APrVO geregelt sind. Durch die mit dem FISG erfolgte Aufhebung des § 319a HGB gilt der in Art. 5 Abs. 1 der EU-APrVO enthaltene Katalog an verbotenen Nichtprüfungsleistungen dabei uneingeschränkt.
Rz. 5
Durch § 319b HGB wird die Anwendung der Unabhängigkeitsvorschriften von § 319 HGB unter bestimmten Voraussetzungen auf sog. Netzwerke ausgedehnt.
1.2 Grundlagen der Vorschriften zur Unabhängigkeit des AP
Rz. 6
Die Vorschriften zur Unabhängigkeit des AP gehen zurück auf Art. 24 und 25 der 8. EU-RL (84/253/EWG). Diese verpflichten die Mitgliedstaaten dazu, Regelungen zu treffen, dass AP eine Pflichtprüfung weder in eigenem noch im Namen einer Prüfungsgesellschaft durchführen dürfen, wenn sie nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats nicht unabhängig sind.
Als Grundlage für die Harmonisierung der Unabhängigkeitsvorschriften in den EU-Mitgliedstaaten hatte die EU-Kommission dazu im Mai 2002 eine Empfehlung veröffentlicht, nach der ein AP eine gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfung nicht durchführen darf, wenn zwischen ihm und dem zu prüfenden Unt finanzielle, geschäftliche oder sonstige Beziehungen bestehen, die einen sachverständigen und informierten Dritten veranlassen würden, die Unabhängigkeit des AP infrage zu stellen. Als die Unabhängigkeit des AP gefährdende Faktoren werden in der Empfehlung genannt:
- Eigeninteresse,
- Überprüfung eigener Leistungen,
- Interessenvertretung,
- Vertrautheit oder Vertrauen,
- Einschüchterung.
Wenn diese Faktoren vorliegen, hat der AP geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Besorgnis der Befangenheit zu vermeiden oder auf ein akzeptables Maß zu reduzieren. Sofern dies nicht möglich ist, hat er seine Tätigkeit zu versagen.
Rz. 7
Die Umsetzung der wesentlichen Punkte dieser EU-Empfehlung in nationales Recht ist durch den deutschen Gesetzgeber mit dem BilReG erfolgt, wobei in § 319 HGB Unabhängigkeitsanforderungen aufgenommen wurden, die bei allen Pflichtprüfungen gelten, und in § 319a HGB solche, die nur bei der Prüfung von Unt von öffentlichem Interesse zu beachten sind. Beide Vorschriften sind durch das AReG geändert worden.
Mit dem BilMoG wurde die Anwendung der Unabhängigkeitsvorschriften durch die Einfügung von § 319b HGB bei entsprechender Zugehörigkeit des AP unter bestimmten Voraussetzungen auf Netzwerke ausgedehnt.
1.3 Grundstruktur der Vorschrift
Rz. 8
Abs. 1 bestimmt, dass AP nur Wirtschaftsprüfer oder WPG sowie für bestimmte Unt auch vBP oder BPG sein dürfen, die zudem über einen Auszug aus dem Berufsregister verfügen müssen, aus dem sich ergibt, dass die Eintragung nach § 38 Nr. 1 Buchst. h oder Nr. 2 Buchst. f WPO als AP vorgenommen worden ist.
Rz. 9
Abs. 2 enthält als allgemeinen Ausschlusstatbestand den Grundsatz, dass ein Wirtschaftsprüfer oder vBP als AP ausgeschlossen ist, wenn die Besorgnis der Befangenheit besteht.
Rz. 10
In Abs. 3 wird der allgemein in Abs. 2 definierte Unabhängigkeitsgrundsatz durch die Aufzählung einzelner, nicht mit der Unabhängigkeit des AP zu vereinbarender Sachverhalte konkretisiert. Bei Vorliegen einer der in Abs. 3 aufgeführten Tatbestände besteht die unwiderlegbare Vermutung, dass der betreffende Wirtschaftsprüfer bzw. vBP als AP ausgeschlossen ist.
Bei nicht in der Liste des Abs. 3 aufgeführten Sachverhalten, die aber von Abs. 2 erfasst werden, ist dagegen nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, ob eine Besorgnis der Befangenheit vorliegt.
Rz. 11
In Abs. 4 wird die Anwendung der Ausschlusstatbestände der Abs. 2 und 3 auf WPG und BPG übertragen.
Rz. 12
Abs. 5 bestimmt die entsprechende Anwendung des Abs. 1 Satz 3 sowie der Abs. 2 und 4 auf die Konzernabschlussprüfung.
2 Voraussetzungen für die Eignung als Abschlussprüfer (Abs. 1)
2.1 Als Abschlussprüfer zugelassener Personenkreis (Abs. 1 Sätze 1 und 2)
Rz. 13
Gem. Abs. 1 sind ...