Rz. 118
Hierunter werden Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und wertbestimmende Faktoren erfasst. Die Erläuterungspflicht umfasst demgemäß das Eingehen auf die Ausübung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten und die Bestimmung maßgeblicher Faktoren (Parameter, Annahmen, Ausübung von Ermessensspielräumen). Die Erläuterungspflicht verlangt nicht eine Wiederholung der bereits im Anhang enthaltenen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden für sämtliche Posten des Abschlusses. Vielmehr sind die für den Berichtsadressaten relevanten Bewertungsgrundlagen darzustellen und hierbei insb. auf bestehende Ermessensspielräume (z. B. aufgrund von Bandbreiten für Schätzungen) hinzuweisen. Insb. bei einseitiger Ausübung von Ermessensspielräumen zur Beeinflussung der Gesamtaussage sind vom Abschlussprüfer zahlenmäßige Erläuterungen der Auswirkungen vorzunehmen; eine Beurteilung der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit der Bilanzierungs- und Bewertungsentscheidungen obliegt allerdings nicht dem Abschlussprüfer. Diese sind vielmehr als geschäftspolitische Entscheidungen der gesetzlichen Vertreter durch die Berichtsadressaten zu beurteilen.
Ein Unt bildet im Jahresabschluss zum 31.12.01 eine Rückstellung für einen Schadensersatzprozess, in dem das Unt von einem Kunden auf die Zahlung eines Gesamtschadens von 1.000 TEUR verklagt worden ist. Für die zu erwartende Schadensersatzzahlung ist im Jahresabschluss eine Rückstellung i. H. v. 200 TEUR gebildet. Bei seiner Abschlussprüfung hat der Abschlussprüfer, gestützt auf Auskünfte des Rechtsanwalts des Unt, die Höhe der Rückstellung als noch zulässig erachtet. Nach seinen Feststellungen beläuft sich der zulässige Ermessensspielraum für die Rückstellung auf 200–350 TEUR. Die im Gj 01 gebildete Rückstellung hat wesentliche Auswirkungen auf die Ertragslage der Ges. gehabt, da unter Berücksichtigung der Rückstellung ein Ergebnis vor Steuern von 100 TEUR erzielt wurde.
I. R. d. Berichterstattung über die Bewertungsgrundlagen hat der Abschlussprüfer darzulegen, dass die Bewertung der Rückstellung mit dem unteren Ende des zulässigen Ermessensspielraums bemessen wurde und dass bei vorsichtigerer Einschätzung des Risikos durch die gesetzlichen Vertreter sich ein Vorsteuerverlust im Gj 01 ergeben hätte.
Rz. 119
Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte ergeben sich insb. bei folgenden Bilanzpositionen bzw. Sachverhalten:
- Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen VG des AV,
- gemildertes Niederstwertprinzip beim AV,
- Festwert bei Sachanlagen oder bestimmten Vorräten,
- Anwendung von Verbrauchsfolgeverfahren,
- Vollkosten oder Teilkosten bei Vorräten und bei selbst geschaffenen immateriellen VG des AV,
- Ansatz eines Aktivüberhangs von latenten Steuern,
- Behandlung eines Disagios,
- Passivierung von sog. Altzusagen bei Pensionsrückstellungen und Unterdeckungen bei mittelbaren Verpflichtungen.
Rz. 120
Soweit ein Bilanzierender unter Bezugnahme auf § 246 Abs. 3 Satz 2 HGB eine zulässige Durchbrechung der Ansatzstetigkeit geltend macht, wird hierüber im Prüfungsbericht zu berichten sein, soweit es sich um wesentliche Auswirkungen handelt.
Rz. 121
Parameter sind i. d. R. durch Marktpreise oder allgemein akzeptierte Standardwerte objektivierte Faktoren. Beispiele für wertbestimmende Parameter sind:
- Wechselkurse,
- Börsenkurse,
- Steuersätze,
- Zinssätze,
- biometrische Rechnungsgrundlagen,
- Vertragslaufzeiten.
Rz. 122
Wertbestimmende Annahmen der gesetzlichen Vertreter zur Ausübung von Ermessensspielräumen sind z. B.:
- künftige Auslastung des Unt,
- Nutzungsdauern,
- Restwerte und Abbruchkosten,
- künftige Zahlungsein- oder -ausgänge,
- Fluktuationsraten,
- Gehaltsentwicklung,
- künftige Preisentwicklungen von Vorleistungen (Rohstoffe, Dienstleistungen),
- Inflationsraten,
- Wahrscheinlichkeit künftiger Inanspruchnahme (z. B. Gewährleistungen, Prozessrisiken).
Rz. 123
Für Abschlussprüfer von PIE sieht Art. 11 Abs. 2 Buchst. l) EU-APrVO die Angabe und Beurteilung der bei den verschiedenen Posten des Jahresabschlusses angewandten Bewertungsmethoden, einschl. etwaiger Auswirkungen von Änderungen an diesen Methoden, vor. Im Unterschied zum Wortlaut des § 321 HGB beschränkt sich die EU-APrVO nicht auf die wesentlichen Bewertungsgrundlagen und fordert zudem eine Beurteilung. Diese Beurteilung führt zu Feststellungen, die allerdings keine Teilurteile sind und dementsprechend auch nicht als solche formuliert werden dürfen. Das Wort "Beurteilung" ist demnach i. S. e. "Einschätzung" auszulegen.