4.1 Vorbemerkung
Rz. 50
§ 240 Abs. 3 und 4 HGB enthalten Inventurerleichterungsverfahren.
Die beiden Inventurerleichterungsverfahren des § 240 HGB unterscheiden sich grds. von den Inventurvereinfachungsverfahren des § 241 HGB. Die Inventurerleichterungsverfahren des § 240 HGB beinhalten nicht nur eine Vereinfachung der körperlichen Bestandsaufnahme, sondern stellen zugleich auch ein Bewertungserleichterungsverfahren dar, während die Inventurvereinfachungsverfahren des § 241 HGB nur Inventurvereinfachungen, nicht aber Bewertungsvereinfachungen enthalten.
Rz. 51
Deshalb können die Bewertungsvereinfachungsverfahren des § 256 HGB (Verbrauchsfolgeverfahren) im Regelfall bei Inventurvereinfachungsverfahren nach § 241 HGB genutzt werden – nicht aber bei den Inventurerleichterungsverfahren des § 240 Abs. 3 und 4 HGB.
4.2 Festwertverfahren (Abs. 3)
Rz. 52
Das Festwertverfahren erlaubt statt dem Ansatz einzelner VG den zusammengefassten Ansatz zu einem gleich bleibenden Festwert.
Rz. 53
Das Festwertverfahren ist nur bei kumulativer Einhaltung folgender Anwendungsvoraussetzungen zulässig:
- Es handelt sich um VG des Sachanlagevermögens oder um Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (RHB).
- Der gesamte Festwert muss für das Unt einen Gesamtwert von nachrangiger Bedeutung haben.
- Der Bestand unterliegt in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Veränderungen.
- Die in den Festwert einbezogenen VG müssen regelmäßig ersetzt werden.
- I.d.R. ist alle drei Jahre eine körperliche Bestandsaufnahme vorzunehmen.
Zum Begriff des Sachanlagevermögens vgl. § 266 Rz 37; zum Begriff RHB vgl. § 266 Rz 67. Auf andere VG und auf Schulden darf das Festwertverfahren nicht angewandt werden.
Rz. 54
Diese Beschränkung auf RHB und Sachanlagevermögen hat eher klarstellenden als einschränkenden Charakter, da in der Praxis nur wenige Fälle denkbar sind, in denen andere Arten von VG oder Schulden "festwertgeeignet" sind. Festwertgeeignet sind nur solche Bilanzposten, die viele kleinteilige Einzelposten umfassen, die für den laufenden Geschäftsbetrieb dauerhaft in weitgehend unverändertem Umfang benötigt werden. Andere VG und Schulden unterliegen oft starken Schwankungen, womit die Anwendung des Festwertverfahrens schon an den Anwendungsvoraussetzungen scheitern würde.
Rz. 55
Der Festwert muss für den Kfm. von nachrangiger Bedeutung sein. Fraglich ist, ob die nachrangige Bedeutung für jeden einzelnen Festwert oder für alle Festwerte zusammen zu prüfen ist. Nach h. M. kommt es darauf an, dass ein Festwert allein von nachrangiger Bedeutung ist. Dies soll sich aus dem Gesetzeswortlaut ergeben, der verlangt, "dass der Gesamtwert" der so bewerteten VG "für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung" ist und sich dabei auf "seinen Wert", also einen Einzelfestwert, bezieht. Zu Recht werden Zweifel an dieser Auffassung geäußert. Das Festwertverfahren ist ein sehr grobes Vereinfachungsverfahren, bei dem der Gesetzgeber geringe Fehlbewertungen in Kauf genommen hat, weil der Vereinfachungs- und Erleichterungsgedanke im Vordergrund steht. Nur dann kann davon ausgegangen werden, dass wegen der nachrangigen Bedeutung insgesamt kein wesentlicher Bilanzierungs- und Bewertungsfehler auftreten kann. Es ist nicht mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Inventur vereinbar, wenn mehrere Festwerte zusammen zu Bewertungsfehlern in wesentlicher Höhe führen.
Rz. 56
Was nachrangig i. S. d. Gesetzes bedeutet, gibt das Gesetz nicht vor. Als Orientierungswert wird 5 % der Bilanzsumme als zulässige Obergrenze für die Summe aller Festwerte vorgeschlagen; jedoch wird zu Recht darauf verwiesen, dass dies eine Frage des Einzelfalls bleiben muss (bspw. bei Gründung eines Unt und vorrangiger Beschaffung der in den Festwert einbezogenen VG).
Ein Hotel betreibt eine Gaststätte mit 120 Sitzplätzen, für die eine große Anzahl von Tellern, Gläsern, Bestecken und Stoffservietten benötigt wird und aufgrund ihrer Zweckbestimmung Sachanlagevermögen darstellen. Der wesentliche Posten in der Bilanz des Hotels sind jedoch die Hotelimmobilie, die Möbel und die zum Betrieb erforderlichen Geräte (bspw. in der Küche oder Wäscherei). Die Teller, Gläser, Bestecke und Stoffservietten sind gemessen an der Bilanzsumme von nachrangiger Bedeutung und dürfen deshalb zu einem Festwert zusammengefasst werden.
Rz. 57
Der Festwert darf hinsichtlich Größe, Wert oder Zusammensetzung nur geringen Veränderungen unterliegen. Ein Festhalten an einem bereits angesetzten Festwert ist unzulässig, wenn wesentliche Veränderungen eintreten.
Veränderung der Größe
Die Gaststätte wird um einen Biergarten mit 240 Sitzplätzen erweitert. Dafür werden zusätzliche Gläser, Teller und Besteckteile benötigt. Die Fortführung des bisherigen Festwerts ist unzulässig, da sich die Größe des Bestands wesentlich verändert hat. Es ist nicht zulässig, die Zukäufe im Jahr der Anschaffung in voller Höhe als Aufwand zu buchen. Der Kfm. muss deshalb eine Inventur vornehme...