Leitsatz
1. Die Festlegung der Bestehensgrenze in der Steuerberaterprüfung auf die Durchschnittsnote 4,15 entspricht höherrangigem Recht.
2. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz des Prüfungsrechts, wonach eine Zwischennote der besseren Note zugeordnet werden muss; das gilt auch im Hinblick auf die Feststellung des Bestehens der Prüfung anhand einer Berechnung des Durchschnitts der Noten für einzelne Prüfungsleistungen.
Normenkette
§§ 37a StBerG , 158 Abs. 1 Nr. 1 b StBerG , § 15 DVStB , § 25 Abs. 1 DVStB , § 27 Abs. 3 DVStB , § 28 Abs. 1 DVStB
Sachverhalt
Der Prüfling hatte in der Steuerberaterprüfung ein Ergebnis von knapp unter 4,15 erzielt. Es war folglich festgestellt worden, dass er die Prüfung nicht bestanden hat. Das FG hatte die Prüfungsbehörde jedoch verpflichtet, die Prüfung für bestanden zu erklären. Denn bis zu einer (Gesamt-)Note von 4,5 habe der Prüfling ausreichende Leistungen erbracht. § 28 Abs. 1 Satz 2 DVStB, der einen Grenzwert von 4,15 festlege, sei nichtig.
Entscheidung
Der BFH hat die FG-Entscheidung aufgehoben. Er hält die beiden vom FG als tragfähig angesehenen Begründungspfeiler für brüchig: Weder gebe es den vom FG behaupteten "allgemeinen Grundsatz des Prüfungsrechts" noch lasse die Entstehungsgeschichte der geltenden DVStB irgendeinen Schluss darauf zu, dass der Verordnungsgeber – im Widerspruch zu seiner eigenen Regelung in § 28 Abs. 1 Satz 2 – eine mit zwischen 4,16 und 4,5 bewertete Gesamtleistung als "ausreichend" angesehen habe, um zum Steuerberater zugelassen zu werden.
Hinweis
1. Die Misserfolgsquote ("Durchfallquote") in der Steuerberaterprüfung ist bekanntlich (zumindest seit langer Zeit) turmhoch. Sie liegt im Allgemeinen deutlich über dem, was man aus anderen Prüfungen für vergleichbar hoch qualifizierte Berufe gewohnt ist.
Mehr oder weniger unfundiert werden daher immer wieder Versuche unternommen, die Erfolgsquote von Rechts wegen nach oben zu drücken. Vor dem BFH ist bisher solchen Versuchen nahezu jeder Erfolg versagt geblieben. Das liegt daran, dass nach Auffassung des BFH auch unter Berücksichtigung der u.a. dem BVerfG zu verdankenden, von diesem in der Rechtspraxis zur Geltung gebrachten geläuterten Rechtsprechung zur gerichtlichen Überprüfung von Prüfungsentscheidungen den Prüfern ein Kernbereich verbleibt, in dem sich ihre Bewertungen der Überprüfung faktisch entziehen. Zudem scheuen die Prüflinge (und ihre Berater und Rechtsanwälte) nicht selten den immensen Aufwand und die Mühen, denen sie sich aussetzen müssten, um eine Prüfungsentscheidung erfolgreich angreifen zu können.
Wenn Sie einen solchen "Angriff" vorhaben, müssen Sie in jedem Fall sofort nach der mündlichen Prüfung eine Begründung der Bewertung verlangen und ggf. immer wieder "nachhaken", wenn sie diese nicht zufrieden stellt. Ferner die Überlegungen der Prüfer bei der Bewertung des Mündlichen und Schriftlichen genau analysieren und ggf. substantiierte Einwendungen dagegen vorbringen (um damit ein "verwaltungsinternes Überdenkungsverfahren" in Gang zu setzen).
Verzichten Sie auf pauschale Einwände gegen die Bewertungsentscheidung wie die Durchfallquote sei im Vergleich zu anderen Prüfungen zu hoch oder der Prüfer "zu streng". Sie werden damit schwerlich Erfolg haben. Der BFH hat es insbesondere abgelehnt, den Prüfern ein bestimmtes Bestehensquorum vorzuschreiben oder sie an die Bewertungsvorschläge einer Musterlösung zu binden.
2. Auch der im Besprechungsfall vom FG – das wohl wie viele die Prüfer insgesamt als zu streng verdächtigt hatte – unternommene Versuch, die Prüferentscheidung zu korrigieren, ist vor dem BFH gescheitert. Das FG hatte u.a. behauptet, es gebe einen "allgemeinen Grundsatz", dass Zwischennoten auf die bessere Note gleichsam aufzurunden sind; eine im Durchschnitt mit bis zu 4,5 benotete Prüfungsleistung sollte deshalb mit "ausreichend" zu bewerten sein. Diesen vom FG ohne Quellenangabe zitierten Grundsatz gibt es aber nicht, ebenso wenig die Notwendigkeit, überhaupt Zwischennoten zuzulassen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.3.2001, VII R 38/00