Leitsatz

Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich ermöglicht – infolge seines von Art. 15 Abs. 1 OECD MustAbk abweichenden Wortlauts – kein deutsches Besteuerungsrecht für eine Abfindungszahlung, die eine im Inland ansässige Person von ihrem bisherigen französischen Arbeitgeber aus Anlass der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses erhält. Das Besteuerungsrecht gebührt vielmehr Frankreich als Tätigkeitsstaat.

 

Normenkette

Art. 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA-Frankreich, Art. 15 Abs. 1 OECD-MustAbk, § 19 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war im Zusammenhang mit seiner An­stellung bei seinem inländischen Arbeitgeber bei ­einem französischen Unternehmen der Unterneh­mensgruppe als Geschäftsführer angestellt worden. Er blieb daneben weiterhin für das inländische ­Unternehmen in zeitlich beschränktem Umfang tätig.

Das Anstellungsverhältnis zu beiden Unternehmen wurde im Streitjahr 2006 auf Veranlassung des französischen Unternehmens im allseitigen Einvernehmen beendet. Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt der Kläger kraft Aufhebungsvereinbarung eine Abfindung i.H.v. 125.000 EUR ­brutto.

Das FA unterwarf den im Streitjahr dem Kläger zugeflossenen Teil der Abfindung der inländischen Besteuerung. Die anschließende Klage war erfolgreich (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.5.2012, 3 K 1500/09, Haufe-Index 3231748, EFG 2012, 1939).

 

Entscheidung

Der BFH hat das FG bestätigt. Aufgrund der Besonderheiten im DBA-Frankreich stehe das Besteuerungsrecht für die Abfindung Frankreich als Tätigkeitsstaat zu, nicht aber Deutschland als dem Wohnsitzstaat des Klägers.

 

Hinweis

Das Urteil – es datiert unter dem 24.7. des letzten Jahres – wurde auf ausdrücklichen Wunsch des BMF vom BFH nachträglich "amtlich" veröffentlicht. Grund dafür gab dem BMF erklärtermaßen, für die Anwendung speziell des "betroffenen"DBA-Frankreich Klarheit zu schaffen. Genau diese spezielle DBA-Bezogenheit hatte dem BFH allerdings Anlass gegeben, von einer amtlichen Veröffentlichung zunächst abzusehen.

1. Es geht um die abkommensrechtliche Zuordnung des Besteuerungsrechts für die Abfindungszahlung aus Anlass der Beendigung der Arbeitsverhältnisse.

Konkret betraf das im Urteilsfall einen in Deutschland wohnenden Steuerpflichtigen, der als Arbeitnehmer in Frankreich tätig gewesen war und der nach einvernehmlicher Aufhebung des Arbeitsvertrages mit dem französischen Arbeitgeber eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhalten hatte.

Der laufende Arbeitslohn wurde nach Maßgabe des zwischen Deutschland und Frankreich geschlossenen DBA in Frankreich versteuert: Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich bestimmt insoweit abweichend von dem grundsätzlichen Ansässigkeitsprinzip das sog. Quellenprinzip; besteuerungsbefugt ist (nur) der Tätigkeitsstaat.

Das gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, welcher sich die Finanzverwaltung prinzipiell angeschlossen hat, jedoch nicht für die Abfindung. Auch diese unterfällt innerstaatlich zwar § 19 EStG. Sie wird streng genommen indes nicht "für" die erbrachte Arbeitsleistung gezahlt, sondern für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Und deswegen gebührt das Besteuerungsrecht nach der Grundregel des Art. 15 Abs. 1 OECD-MA insoweit nicht dem Tätigkeitsstaat, hier also Frankreich, sondern dem Ansässigkeitsstaat, hier also Deutschland.

Im Einzelnen ist dazu auf die besagte ständige Judikatur zu verweisen, z.B. in den Urteilen vom 2.9.2009, I R 90/08 (BStBl II 2010, 394, BFH/NV 2009, 2041, BFH/PR 2010, 37) und I R 111/08 (BStBl II 2010, 387, BFH/NV 2009, 2044, BFH/PR 2010, 36).

2. Davon war im Urteilsfall denn auch die Finanzverwaltung ausgegangen. Sie wähnte sich mit gewisser Berechtigung und gestützt auf die ständige Spruchpraxis im "sicheren Hafen". Sie hatte dabei jedoch die Rechnung ohne den Wirt gemacht, nämlich ohne die Besonderheiten des in diesem Punkt vom OECD-MA abweichenden DBA-Frankreich:

a) Art. 15 Abs. 1 OECD-MA lautet wie folgt:

Löhne, Gehälter und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbstständiger Arbeit bezieht, können nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafürbezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

b) Demgegenüber heißt es in Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich:

Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit können vorbehaltlich etwaiger (hier nicht einschlägiger) Sonderregelungen nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird. Als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gelten insbesondere Gehälter, Besoldungen, Löhne, Gratifikationen oder sonstige Bezüge sowie alle ähnlichen Vorteile, die von anderen als den in Art. 14 DBA-Frankreich bezeichneten Personen (das sind bestimmte öffentliche Kassen) gezahlt oder gewährt werden.

c) Es springt im Textabgleich sofort ins Auge: Der Wortlaut weicht voneinander ab.

Insbesondere fehlt im DBA-Frankreich das verräteris...

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