Leitsatz
Einkünfte eines in Deutschland ansässigen Geschäftsführers einer belgischen BVBA (besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid) unterliegen in Deutschland nicht der Besteuerung, und zwar auch dann nicht, wenn Belgien auf sein Besteuerungsrecht z.T. verzichtet.
Normenkette
§ 50d Abs. 8, § 50d Abs. 9, § 1 Abs. 1 S. 1 EStG, Art. 15, Art. 16, Art. 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 DBA Belgien
Sachverhalt
Der Kläger ist Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG mit Sitz im Inland. Daneben war er auch Geschäftsführer einer besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (BVBA) mit Sitz in Belgien. Er unterhielt neben seiner Wohnung in Deutschland dort auch eine weitere Wohnung. Die Tätigkeit für die BVBA übte er teilweise in Belgien, teilweise in Deutschland aus.
Das FA stellte fest, dass der belgische Staat nur den Teil des von der BVBA bezogenen Gehalts besteuerte, den der Kläger für die in Belgien tatsächlich ausgeübte Tätigkeit erhalten hatte. Das FA erfasste daraufhin das für die Tätigkeit bei der BVBA bezogene Geschäftsführergehalt insoweit, als es nicht von der belgischen ESt erfasst worden war.
Das FG gab der Klage statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.06.2007, 8 K 129/05, Haufe-Index 1813721, EFG 2007, 1954).
Entscheidung
Der BFH hat sich dem angeschlossen.
Das DBA Belgien weist das Besteuerungsrecht für geschäftsführende Tätigkeiten dem Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft zu. Wenn Belgien dieses Recht nicht oder nur zum Teil wahrnimmt, um Führungskräfte ins Land zu holen, dann kommt Deutschland dieser Verzicht nicht zugute, auch nicht nach Maßgabe der neu geschaffenen Rückfallklauseln in § 50d Abs. 8 und 9 EStG.
Hinweis
1. Nach Art. 16 OECD-MA und in Einklang damit auch nach Art. 16 DBA Belgien können Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrats oder eines entsprechenden Organs einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Kapitalgesellschaft bezieht, abweichend von Art. 15 Abs. 1 OECD-MA (Art. 15 Abs. 1 DBA Belgien) in dem anderen Staat (Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft) besteuert werden.
Das hat der BFH für den in Deutschland wohnenden Geschäftsführer einer belgischen "besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid" (BVBA) bejaht. Obwohl eine Gesellschaft in dieser Rechtsform zivilrechtlich gesehen eine Personengesellschaft ist, hindert das nicht, sie steuerlich als Kapitalgesellschaft anzusehen. Und Art. 16 Abs. 1 DBA Belgien erfasst anders als das "Muster" im OECD-MA auch rein geschäftsführende und nicht lediglich überwachende oder kontrollierende Tätigkeiten des Gesellschaftsorgans.
2. Konsequenz ist, dass Deutschland die betreffenden Einkünfte nach dem Methodenartikel des DBA freistellen muss und sie lediglich dem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG) unterwerfen darf.
3. Erhellend ist, dass der BFH nicht der Argumentation der Finanzverwaltung gefolgt und die neu geschaffenen (unilateralen) Rückfallklauseln des § 50d Abs. 8 und 9 EStG in Position gebracht hat:
a) Nach § 50d Abs. 8 EStG 2002 i.d.F. des StÄndG 2003 werden Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nicht selbstständiger Arbeit, die nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, bei der Veranlagung nur freigestellt, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Die Vorschrift will verhindern, dass Einkünfte deshalb nicht besteuert werden, weil der Steuerpflichtige die Einkünfte im Tätigkeitsstaat nicht erklärt und dieser Staat seinen Steueranspruch nicht mehr durchsetzen kann, wenn er nachträglich von Sachverhalten erfährt.
Weist der Steuerpflichtige nach, dass der andere Vertragsstaat auf das Besteuerungsrecht an dem bezogenen (Geschäftsführer-)Gehalt insoweit verzichtet, als das Gehalt für Tätigkeiten außerhalb Belgiens gezahlt worden ist, liegt ein Steuerverzicht vor, der den Steuerrückfall verhindert.
b) Nach § 50d Abs. 9 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007 wird eine DBA-Freistellung ebenfalls nicht gewährt. Nämlich dann, wenn der andere Staat die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können. Die Vorschrift erfasst Fälle, in denen Einkünfte nicht oder zu gering besteuert werden, weil die Vertragsstaaten entweder von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen oder das Abkommen unterschiedlich auslegen, z.B. weil sie ein unterschiedliches Verständnis von Abkommensbegriffen haben.
An diesen Voraussetzungen fehlt es aber, wenn der andere Vertragsstaat das in Rede stehende Gehalt nicht aufgrund einer abweichenden Auslegung von Bestimmungen des DBA (Belgien) oder deshalb nicht besteuert, weil er einen anderen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, sondern deswegen, um ...