Kommentar
1. Der Veranstalter einer Pauschalreise erbringt dem Reiseteilnehmer umsatzsteuerrechtlich eine Mehrheit von Reiseleistungen. Die Beförderung durch den Veranstalter ist deshalb – unabhängig von der Gewährung von Unterkunft, Verpflegung, Reiseleitung usw. – eine selbständig zu beurteilende Leistung und nicht Teil einer einheitlichen Leistung ( Umsatzsteuer ).
2. Die Regelung des § 25 UStG (Fiktion der Reiseleistungen als einheitliche Leistung) greift nur ein, soweit der Unternehmer Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Bei Beförderungsleistungen durch den Veranstalter mit eigenen Bussen, greift sie nicht ein.
3. Da gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG nur im Inland ausgeführte sonstige Leistungen steuerbar sind, ist bei einer ins Ausland führenden Busreise nur der auf das Inland entfallende Teil steuerbar (vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG ).
4. Der Maßstab für die Aufteilung des Entgelts bei solchen grenzüberschreitenden Beförderungsleistungen ergibt sich weder aus § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG (Steuerbarkeit) noch aus § 10 Abs. 1 UStG (Bemessungsgrundlage). Er ergibt sich bei richtlinienkonformer Auslegung aus § 3a Abs. 2 UStG . Nach der zugrundeliegenden Richtlinienbestimmung des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der 6. Richtlinie (77/388/EWG) gilt als Ort einer Beförderungsleistung der Ort, an dem die Beförderung nach Maßgabe der zurückgelegten Beförderungsstrecke jeweils stattfindet. Nach dem EuGH, Urteil v. 6. 11. 1997, Rs. C -116/96, UVR 1998 S. 20), betrifft diese Regelung zwar grundsätzlich nicht die Art und Weise der Ermittlung der Besteuerungsgrundlage für eine Beförderungsleistung, wirkt sich aber zwangsläufig auf die Aufteilung aus, die unter den Mitgliedstaaten, in denen die Beförderungsleistung stattgefunden hat, vorzunehmen ist. Die Aufteilung auf die verschiedenen Leistungsorte ist somit nach dem Kriterium der zurückgelegten Beförderungsstrecke vorzunehmen.
5. Der BFH ist an die Vorabentscheidung des EuGH gebunden. Die von der Klägerin gewünschte „Modifizierung” des EuGH-Beschlusses – durch Anwendung eines „einfachen und klaren” Kriteriums – ist nicht zulässig.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.03.1998, V R 17/93
Hinweise:
Die Klägerin veranstaltete Busreisen als Pauschalreisen. Sie beförderte mit eigenen Bussen. Bei grenzüberschreitenden Reisen teilte sie das auf die Beförderung entfallende Gesamtentgelt nach einer Methode auf, die neben den Streckenlängen auch die jeweilige Nutzungsdauer der Busse im In- bzw. Ausland berücksichtigte. Das Finanzamt hielt allein die Streckenlängen für maßgeblich. Nach erfolglosem Einspruchs- und Klageverfahren legte der BFH im Revisionsverfahren die Sache dem EuGH vor. Der BFH ging davon aus, daß ein gemeinschaftsrechtlich einheitlicher Aufteilungsmaßstab festgestellt werden müsse. Denn wenn – was nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der 6. Richtlinie und § 3a Abs.2 Nr. 2 UStG in Betracht kam – ein Teil der Mitgliedstaaten den umsatzsteuerbaren Anteil nach den Streckenlängen, ein anderer Teil aber (wie von der Klägerin gewollt) nach Nutzungsdauer aufteilte, wäre eine Doppelbesteuerung bzw. Nichtbesteuerung von Teilen der Beförderungsleistung nicht zu vermeiden.
Der EuGH entschied sich für den m. E. einfachsten und klarsten Aufteilungsweg – nach dem Verhältnis der zurückgelegten Strecken -, der sich an der Bestimmung des Leistungsorts durch Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der 6. Richtlinie orientierte.
Die Argumentation der Klägerin, dies führe zu einer unzutreffenden Besteuerung im Inland, wenn durch längere Aufenthalte im Ausland dort die höheren Kosten anfielen, trifft nicht das vom EuGH entschiedene Problem: Grundsätzlich ist von der Steuerbarkeit der gesamten Beförderungsleistung im Gemeinschaftsgebiet auszugehen, so daß die Gesamtkosten – als Grundlage des Gesamtentgelts – Bemessungsgrundlage sind. Danach kann es keine Rolle spielen, ob der anteilig in den einzelnen berührten Mitgliedstaaten erfaßte Anteil exakt dem dort jeweils angefallenen Aufwendungsanteil nach der Nutzungsdauer entspricht. Entscheidend ist allein, daß ein einfacher, in allen Mitgliedstaaten einheitlicher Aufteilungsmaßstab gefunden wurde, der Doppel- bzw. Nichtbesteuerung vermeidet. Die EuGH-Entscheidung (die dem Besprechungsurteil des BFH zugrunde liegt) ist daher zu begrüßen.