Dr. Birger Brandt, Prof. Jürgen Brandt
Leitsatz
Die Räume eines Reisebüros sind regelmäßig wesentliche Betriebsgrundlage des Unternehmens; Einnahmen aus ihrer Überlassung durch den Eigentümer an das von ihm beherrschte Reiseunternehmen führen deshalb regelmäßig zu Einkünften aus Gewerbebetrieb.
Normenkette
§ 15 EStG , § 16 EStG , § 21 EStG
Sachverhalt
Der Kläger betrieb in seinem – in der Einkaufsstraße einer Fußgängerzone gelegenen – Haus ein Reisebüro. Das Gebäude wird für das Reisebüro mit einem ladenartigen Kundenraum mit fünf bis sechs Beratungsplätzen, eigener Eingangstür und einer Tür zum Treppenhaus sowie Büroräumen für Geschäftsleitung, Buchhaltung und Firmenkundengeschäft sowie Sozialräumen gemietet.
1990 verkaufte der Kläger sein Einzelunternehmen mit allen Aktiven und Passiven und dem Recht der Firmenfortführung an die neu gegründete Reisebüro A-GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter er war. Vereinbarungsgemäß wurde das erworbene Unternehmen vom Käufer im Rahmen eines gesondert abzuschließenden Mietvertrags in den bisherigen Räumen fortgeführt.
Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 erklärte der Kläger einen Verlust aus Gewerbebetrieb sowie einen steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn. Die gesamten Mieteinnahmen aus dem Gebäude erklärte er im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Das FA veranlagte den Kläger zunächst erklärungsgemäß unter VdN, erfasste dann aber den eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteil des gemischt genutzten Grundstücks mit Einkommensteueränderungsbescheid für 1991 ab Eigentumserwerb als notwendiges Betriebsvermögen und verneinte eine Betriebsaufgabe im Streitjahr, weil der Kläger seinen Gewerbebetrieb in Form einer gewerblichen Grundstücksvermietung fortgeführt habe. Es nahm eine echte Betriebsaufspaltung an und erfasste die Erlöse aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern beim laufenden Gewinn, die Mieteinnahmen aus den von der GmbH genutzten Räumlichkeiten als verdeckte Gewinnausschüttungen und die von der GmbH bezogenen Zinsen als gewerbliche Einkünfte. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage blieb erfolglos.
Entscheidung
Nach Auffassung liegt im Streitfall die für die Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderliche sachliche Verflechtung vor, weil die der GmbH überlassenen Räume nach ihrem baulichen Zuschnitt für die besonderen Bedürfnisse der Betriebs-GmbH gestaltet worden seien und die GmbH insbesondere für die Laufkundschaft des von ihr betriebenen Reisebüros auf den Kundenraum in der örtlichen Lage des Grundstücks angewiesen sei.
Dies gelte im Streitfall in besonderer Weise, weil das Reisebüro an diesem Standort schon eine Vielzahl von Jahren von den Rechtsvorgängern betrieben worden sei und daraus als "alteingeführtes" Geschäft an dieser Stelle einen besonderen Vorteil ziehen könne.
Da ohne solche Räumlichkeiten die Ausübung des Gewerbes in dieser Form nicht möglich und mit einer Verlegung der Betriebsstätte ein Verlust zumindest der Laufkundschaft verbunden wäre, bildeten diese nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse eine wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH (so zur Überlassung eines Gebäudes an ein Reisebüro) (BFH, Beschluss vom 5.6.1985, I S 2/85, I S 3/85, BFH/NV 1986, 433).
Hinweis
1. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine wesentliche Betriebsgrundlage vor, wenn das Grundstück für die Betriebsgesellschaft wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist (BFH, Urteile vom 2.4.1997, X R 21/93, BStBl II 1997, 565; vom 27.8.1998, III R 96/96, BFH/NV 1999, 758). Danach ist eine wirtschaftliche Bedeutung insbesondere anzunehmen, wenn das Betriebsunternehmen in seiner Betriebsführung auf das ihm zur Nutzung überlassene Grundstück angewiesen ist, weil
- die Betriebsführung durch die Lage des Grundstücks bestimmt wird (BFH, Urteil vom 12.2.1992, XI R 18/90, BStBl II 1992, 723 für das Ladenlokal eines Getränkeeinzelhandels)
- das Grundstück auf die Bedürfnisse des Betriebs zugeschnitten ist, vor allem, wenn die aufstehenden Baulichkeiten für die Zwecke des Betriebsunternehmens hergerichtet oder gestaltet worden sind (BFH, Urteil vom 26.3.1992, IV R 50/91, BStBl II 1992, 830 für Grundstücke von Fertigungsbetrieben) oder
- das Betriebsunternehmen aus anderen innerbetrieblichen Gründen ohne ein Grundstück dieser Art den Betrieb nicht fortführen könnte (BFH, Urteil vom 23.1.2001, VIII R 71/98, BFH/NV 2001, 894).
2. Ob auf dieser Grundlage – abgesehen von ganz unbedeutenden Grundstücken – jedes Büro-, Verwaltungs- oder Lagergebäude zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zu zählen ist, ist innerhalb des BFH umstritten (vgl. dazu BFH, Urteil vom 23.5.2000, VIII R 11/99, BStBl II 2000, 621). Übereinstimmung besteht jedoch in der Rechtsprechung des BFH insoweit,
- dass solche Gebäude – sowohl bei Fabrikations- als auch bei Dienstleistungsunternehmen – eine wesentliche Betriebsgrundlage sein können und
- dass dies jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn ein Gebäude zum Zweck der büro- und verwaltungsmäßigen Nutzung an die Betriebsgesellschaft ve...