Leitsatz
Das Handeln eines Testamentsvollstreckers (hier: Dauervollstreckung) ist den Erben auch im Rahmen der Beurteilung der personellen Verflechtung von Besitz- und Betriebsunternehmen zuzurechnen.
Normenkette
§ 15 EStG, § 2209 BGB
Sachverhalt
Eine Grundstücks-GbR hatte ihr einziges Grundstück einer Betriebs-KG überlassen. 99 % der KG-Anteile hielt eine GmbH. Deren Anteile hielten zu ca. 80 % drei Erben des Unternehmensgründers, zu ca. 10 % ein Geschäftsführer und zu weiteren 10 % die GmbH selbst. An der Besitz-GbR waren die Erben mit zusammen ca. 97 % und im Übrigen der erwähnte Geschäftsführer beteiligt. Ein weiterer Geschäftsführer war als Dauer-Testamentsvollstrecker für ca. 62 % der den Erben zustehenden GmbH-Anteile eingesetzt.
Im Jahr 1997 veräußerte die GbR ihr Grundstück an die KG. Den Gewinn erklärte sie gegenüber dem FA nicht, weil bislang immer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen erklärt und festgestellt worden waren. Das FA gelangte nach einer Betriebsprüfung allerdings zu der Auffassung, dass eine Betriebsaufspaltung vorgelegen habe und behandelte die Grundstücksveräußerung als tarifbegünstigte Aufgabe des Gewerbebetriebs.
Einspruch und Klage (FG Köln, Urteil vom 23.06.2005, 10 K 2325/04, Haufe-Index 1408813, EFG 2005, 1691) hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH wies auch die Revision der GbR-Gesellschafter zurück. Eine personelle Verflechtung habe trotz der Testamentsvollstreckung vorgelegen. Die Erben müssten sich die Stimmrechte des Testamentsvollstreckers ungeachtet etwaiger Meinungsverschiedenheiten zurechnen lassen.
Hinweis
1. Mit der Entscheidung äußert sich der BFH zum zweiten Mal zu der Bedeutung der Testamentsvollstreckung für eine Betriebsaufspaltung. Es geht dabei um die Frage, wie sich eine Testamentsvollstreckung auf die Beherrschungsidentität auswirkt. Bekanntlich setzt eine Betriebsaufspaltung ja neben der sachlichen Verflechtung (Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage) eine personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen voraus. Letztere liegt vor, wenn sich in beiden Unternehmen eine Person oder Personengruppe mit ihrem geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann.
2. Im Fall des ersten Urteils vom 13.12.1984, VIIIR 237/81 (BStBl II 1985, 657) hatte die Erblasserin ihre beiden Kinder zu Erben eingesetzt und Testamentsvollstreckung angeordnet, bei deren Ende die Erbauseinandersetzung stattfinden sollte. Sämtliche Anteile an der Betriebs-GmbH sollte die Tochter erhalten, das Betriebsgrundstück je zur Hälfte beide Kinder.
Der BFH lehnte damals eine personelle Verflechtung ab. In der Besitz-Erbengemeinschaft könne sich die Tochter nicht durchsetzen, so dass es an einer Beherrschungsidentität mit der Betriebs-GmbH fehle. Die insgesamt angeordnete Testamentsvollstreckung führe nicht zur Beherrschungsidentität, weil der Testamentsvollstrecker keine eigenen Interessen verfolge und demzufolge auch keinen von den Interessen der Miterben unabhängigen geschäftlichen Betätigungswillen bilden dürfe. Er müsse widerstreitende Interessen der Miterben berücksichtigen.
3. Der jetzt entschiedene Fallsetzt die damalige Linie fort. Im Unterschied zum ersten Fall war hier die Interessenlage umgekehrt: Die Erben wollten keine Betriebsaufspaltung, um die Besteuerung der stillen Reserven im Grundstück zu vermeiden.
Außerdem war Testamentsvollstreckung nur für einen Teil der Anteile der Erben an der Betriebsgesellschaft angeordnet. In einer solchen Konstellation kann sich ergeben, dass die Erben in Wahrnehmung der Stimmrechte aus den nicht der Testamentsvollstreckung unterliegenden Anteilen in der Gesellschafterversammlung anders abstimmen als der Testamentsvollstrecker. Trotzdem wird den Erbender unter Testamentsvollstreckung stehende Anteil bei Ermittlung der Beherrschungsidentität zugerechnet.
4. Im hier entschiedenen Fall machten die unter Testamentsvollstreckung stehenden Anteile für sich genommen mehr als die Hälfte der Stimmrechte aus, so dass die gleichzeitig bestehende Mehrheit bei der Besitz-GbR zur personellen Verflechtung führte. Der BFH ließ deshalb offen, ob es auch zur Beherrschungsidentität kommen würde, wenn sich die Stimmenmehrheit nur bei Zusammenrechnung der unter Testamentsvollstreckung stehenden und der freien Anteile der Erben ergeben würde. Das Urteil deutet m.E. zu Recht an, dass eine Zusammenrechnung stattfinden müsste. Denn den Erben wird ja das vom Testamentsvollstrecker wahrgenommene Stimmrecht zugerechnet. Unmittelbare und zugerechnete Stimmrechte sind dann zu addieren.
5. Beachten Sie zwei weitere Besonderheiten des entschiedenen Falls:
a) Die Beteiligung an der Betriebs-KG bestand nur mittelbar über eine GmbH. Eine mittelbare Beherrschung über eine Kapitalgesellschaft reicht nach ständiger Rechtsprechung des BFH aus.
b) Die Stimmrechtsmehrheit des Testamentsvollstreckers bei der GmbH ergab sich nur dadurch, dass die von der GmbH gehaltenen eigenen Anteile nicht mitgerechnet wurden. Dies folgt daraus, dass die Stimmrechte...