Prof. Dr. Joachim S. Tanski
Rz. 86
Für Sachanlagen gilt generell der Einzelbewertungsgrundsatz. Damit wäre auch ein Bleistiftanspitzer mit AK von 4,95 EUR aus dem Bürosupermarkt einzeln zu aktivieren und über seine (wohl sehr lange) Nutzungsdauer abzuschreiben. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass eine derartige Handhabung nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch sinnleer wäre. Es haben sich deshalb die folgenden Vereinfachungen herausgebildet, die – soweit sie auf steuerrechtlichen Normen basieren – gelegentlichen Veränderungen im Zeitlauf unterliegen:
- Bewegliche, abnutzbare und selbstständig nutzbare Sachanlagen bis AK/HK von 250 EUR dürfen als "geringwertige Wirtschaftsgüter" sofort und direkt aufwandswirksam (also ohne Berührung von Anlagegitter/Anlagespiegel und gesonderter Aufzeichnungspflichten nach § 6 Abs. 2 Satz 4 EStG) erfasst werden.
- Bewegliche, abnutzbare und selbstständig nutzbare Sachanlagen bis AK/HK von 250 EUR bis 800 EUR ("kleine GWG")
Hier handelt es sich um geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) i. S. d. § 6 Abs. 2 EStG. Die Ermittlung des Grenzwertes von 250 EUR erfolgt stets ohne Umsatzsteuer, unabhängig davon, ob das Unternehmen zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Diese GWGs werden im Jahr des Erwerbs in voller Höhe als Betriebsausgaben erfasst. Zugänge, Sofortabschreibung und (fiktiver) Abgang der GWGs sind im Anlagegitter/Anlagespiegel des laufenden Jahres darzustellen.
- Nur alternativ zu der Anwendung von § 6 Abs. 2 EStG darf für bewegliche, abnutzbare und selbstständig nutzbare Sachanlagen mit AK/HK über 250 EUR bis 1.000 EUR § 6 Abs. 2a EStG genutzt werden ("große GWGs").
In diesem Fall sind die Sachanlagen pro Geschäftsjahr in einem Sachanlagen-Sammelposten zusammen mit anderen Sachanlagen dieser Kategorie aktiviert. Dieser Sammelposten wird erstmalig im Jahr seiner Bildung und dann in jedem Folgejahr mit jeweils 20 % abgeschrieben, unabhängig von der Nutzungsdauer der in diesem Posten enthaltenen Güter. Wird in jedem Jahr ein solcher Sammelposten gebildet, stehen in jedem Jahr fünf solcher Posten mit unterschiedlicher Abschreibung auf dem Sachanlagenkonto. Abgänge oder Wertminderungen einzelner Güter aus diesem Sammelposten haben auf diesen Posten keinen Einfluss. Bildung, Abschreibung und Abgang dieses Postens sind im Anlagegitter/Anlagespiegel der fünf betroffenen Jahr darzustellen.
Sowohl für kleine als auch für große GWGs besteht eine Ansatzpflicht. Das frühere Wahlrecht (als "Bewertungsfreiheit" bekannt geworden) ist aufgehoben. Obwohl die vorstehenden Bewertungsvereinfachungen dem Steuerrecht entstammen, gelten sie als in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung stehend. Diese Vereinfachungen dürfen deshalb auch für die Handelsbilanz Anwendung finden.
Die genannten Grenzwerte für diese Bewertungserleichterungen sind immer ohne Umsatzsteuer zu ermitteln. Dies gilt auch dann, wenn die Vorsteuer nicht abziehbar ist und damit die zu aktivierenden AK/HK erhöht.
Beispiel (Grenzwert I):
Die Schnelles-Geld-GmbH betreibt die Vermittlung von Subprime-Krediten. Diese Leistung ist gem. § 4 Nr. 8 UStG umsatzsteuerbefreit. Damit entfällt der Vorsteuerabzug. Diese GmbH erwirbt ein Bücherregal für netto 900 EUR zuzüglich Umsatzsteuer. Die Anschaffungskosten betragen 1.071 EUR (900 × 1,19). Die Regelabschreibung auf Büromöbel beträgt 13 Jahre.
Der Grenzwert für große GWGs ist jedoch nicht überschritten, weshalb dieses Bücherregal in den Sammelposten eingestellt und bereits im Jahr der Anschaffung (und in jedem Folgejahr) mit 214,20 EUR (1.071 × 0,2) abgeschrieben wird.
Eine weitere Besonderheit bei der Ermittlung der Grenzwerte besteht bei Investitionsabzugsbeträgen gem. § 7g EStG. Auch diese Investitionsabzugsbeträge vermindern im Jahr der Anschaffung die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sodass sich kleine GWGs bis zu einem Betrag von 250 EUR und große GWGs bis zu einem Betrag von 1.666 EUR (jeweils netto) ergeben können.
Beispiel (Grenzwert II):
Die Schnelles-Geld-GmbH beschließt in 2009, einen Schreibtisch für netto 1.600 EUR in 2010 zu erwerben. Dazu bildet sie (alle Voraussetzungen sollen vorliegen) in 2009 eine Investitionsrücklage in Höhe von 640 EUR (1.600 × 0,4). In 2010 erhält die GmbH eine Rechnung über 1.904 EUR für diesen Schreibtisch.
Der Grenzwert für ein großes GWG ermittelt sich wie folgt:
1.904 EUR |
Anschaffungskosten brutto |
– 304 EUR |
Vorsteuer |
= 1.600 EUR |
Anschaffungskosten netto (vor Umsatzsteuer) |
– 640 EUR |
aufzulösender Investitionsabzugsbetrag |
= 960 EUR |
maßgeblicher Grenzwert für GWG (zu aktivierende AK) |
Der Schreibtisch ist damit als großes GWG zu klassifizieren (obwohl die Vorsteuer-AK mehr als 1.000 EUR betragen) und in den Sammelposten einzustellen.