Entscheidungsstichwort (Thema)
Erledigung einer NZB in der Hauptsache aufgrund behaupteter tatsächlicher Verständigung; Unbegründetheit der NZB
Leitsatz (NV)
1. Zur Frage, ob eine einseitige Erledigungserklärung hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens Einfluß auf das die entsprechende NZB betreffende Verfahren zu haben vermag.
2. Nach Ablauf der Beschwerdefrist sind nur Erläuterungen und Vervollständigungen von rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründen möglich.
3. Eine teils unzulässige und im übrigen unbegründete NZB ist als unbegründet zurückzuweisen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, 3 Sätze 1, 3
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt vier Imbißverkaufsstellen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) stellte im Rahmen einer Außenprüfung fest, daß die Klägerin vor zwei Verkaufsstellen bis Mitte 1991 Tische aufgestellt hatte. Diese Tische sah das FA als Vorrichtungen zum Verzehr der verkauften Speisen und Getränke an Ort und Stelle an. Da die Klägerin in ihren Aufzeichnungen keine Trennung der dem Regelsteuersatz und der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Umsätze vorgenommen hatte, schätzte das FA die dem Regelsteuersatz unterliegenden Umsätze für Lieferungen zum Verzehr an Ort und Stelle in Höhe von 20 v. H. des Gesamtumsatzes und setzte die Umsatzsteuer der Klägerin im Umsatzsteuerbescheid für 1991 vom 25. Februar 1994 entsprechend fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Schätzung des FA dem Grunde und der Höhe nach. Bei der Prüfung der Höhe der Schätzung ging das FG davon aus, daß die Klägerin die geschätzten Lieferungen zum Verzehr an Ort und Stelle an vier Verkaufsstellen ausgeführt hatte. Den Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der von ihr erzielbaren Umsätze durch Lieferungen zum Verzehr an Ort und Stelle lehnte das FG ab.
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die sie auf grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und auf den Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) der unzureichenden Sachaufklärung stützt. Mit Schriftsätzen vom 10. und 16. Oktober 1995 teilte die Klägerin mit, die Beteiligten hätten sich auf Grund einer tatsächlichen Verständigung geeinigt, und erklärte die Hauptsache für erledigt. Das FA widersprach dem.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg und ist daher zurückzuweisen.
1. Die Hauptsache ist nicht erledigt.
a) Beiderseitige Erledigungserklärungen, die den Rechtsstreit unabhängig von der tatsächlichen Erledigung beendet hätten (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 138 Anm. 11), liegen nicht vor. Das FA hat der Erledigung des Rechtsstreits sogar ausdrücklich widersprochen.
b) Die einseitige Erledigungserklärung der Klägerin kann im Streitfall nicht zur Feststellung der Erledigung der Hauptsache führen.
Dabei kann offenbleiben, ob die einseitige Erledigungserklärung des Hauptsacheverfahrens auf das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde überhaupt Einfluß haben kann (verneinend Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerwG -- vom 18. September 1969 VIII B 200.67, BVerwGE 34, 40; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 115 FGO Tz. 105; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 8928; bejahend BVerwG-Beschluß vom 28. August 1985 8 B 128.84, BVerwGE 72, 93). Jedenfalls setzt die Feststellung der Erledigung der Hauptsache auf Grund einseitiger Erledigungserklärung voraus, daß tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist. Das ist im Streitfall nicht geschehen.
Durch den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Oktober 1995 hat das FA lediglich die Umsatzsteuerfestsetzung für 1990 geändert. Die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde betrifft hingegen den Umsatzsteuerbescheid für 1991 vom 25. Februar 1994, der nicht geändert wurde. Ob bereits durch eine "tatsächliche Verständigung" der Beteiligten darüber, den Rechtsstreit betreffend die Nichtzulassungsbeschwerde ohne vorherige Änderung der ihr zugrundeliegenden Steuerfestsetzung in der Hauptsache für erledigt zu erklären, eine Erledigung der Nichtzulassungsbeschwerde eingetreten ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Eine solche Verständigung ist zwischen den Beteiligten nicht zustande gekommen. Die Klägerin hat dem FA nach der von ihr vorgelegten Kopie ihres Schriftsatzes vom 19. September 1995 zwar eine dahingehende Verständigung vorgeschlagen. Sie hat aber weder schlüssig vorgetragen noch belegt, daß das FA diesen Vorschlag -- soweit er das vorliegende Verfahren betrifft -- angenommen hat. Allein aus der Tatsache, daß das FA die Umsatzsteuerfestsetzung für 1990 entsprechend ihrem Vorschlag geändert hat, folgt nicht, daß es sich -- konkludent -- damit einverstanden erklärt hätte, auch im Streitfall dem Vorschlag der Klägerin zu entsprechen und die Hauptsache für erledigt zu erklären. Hiervon ist insbesondere deshalb nicht ohne eindeutige Erklärung des FA auszugehen, weil das FA im Streitfall vor dem FG bereits obsiegt hatte, während hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung 1990 noch keine gerichtliche Entscheidung vorlag.
c) Der Senat kann die einseitige Erledigungserklärung der Klägerin ferner nicht als Zurücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde ansehen. Auf die entsprechende Anregung des FA im Schriftsatz vom 7. November 1995 hat die Klägerin erneut vorgetragen, die Beteiligten hätten sich bezüglich aller streitigen Verfahren außergerichtlich tatsächlich verständigt.
2. Der Senat hat daher über die Zulassung der Revision zu entscheiden.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
a) Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt, entspricht die Beschwerde nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. August 1994 II B 68/94, BFH/NV 1995, 240; vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 13. September 1989 II B 77/89, BFH/NV 1990, 513). Hierzu gehört insbesondere die Darlegung, daß, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die mit der Beschwerde herausgestellten Rechtsfragen umstritten sind.
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin führt in der Beschwerdeschrift vom 28. April 1995 im wesentlichen lediglich aus, weshalb das Urteil des FG nach ihrer Ansicht falsch ist. Es fehlt die erforderliche Darlegung, daß, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die mit der Beschwerde herausgestellte Rechtsfrage umstritten (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 14. Dezember 1993 XI B 40/93, BFH/NV 1994, 569; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rz. 152 und 153) oder aus anderen Gründen klärungsbedürftig ist.
Zur Begründung des Allgemeininteresses reicht der Vortrag nicht aus, daß die Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt ist und die Finanzverwaltungen sowie teilweise die Finanzgerichte anderer Meinung als die Klägerin sind. Erforderlich ist es, widerstreitende Meinungen in Rechtsprechung und Literatur im einzelnen darzulegen (vgl. Senatsbeschluß vom 24. November 1993 V B 146/93, BFH/NV 1995, 348; Herrmann, a.a.O.).
Das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 18. Mai 1995 ist nicht zu berücksichtigen. Bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde dürfen nur die innerhalb der nicht verlängerbaren (vgl. BFH- Beschluß vom 7. Februar 1977 IV B 62/76, BFHE 121, 171, BStBl II 1977, 291) Monatsfrist nach Zustellung der Vorentscheidung (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) vom Beschwerdeführer dargelegten oder bezeichneten Gründe beachtet werden (vgl. BFH-Beschluß vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858). Nach Ablauf der Beschwerdefrist sind nur Erläuterungen und Vervollständigungen von rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründen möglich (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 55). Das setzt voraus, daß innerhalb der Beschwerdefrist den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt ist.
Es handelt sich jedoch nicht um bloße ergänzende Erläuterungen der geltend gemachten Zulassungsgründe, sondern um verspätetes Vorbringen, wenn -- wie im Streitfall -- innerhalb der Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache lediglich behauptet wird, die erforderliche Darlegung aber erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Januar 1989 V B 4/88, BFH/NV 1989, 791, und vom 14. Februar 1989 V B 72/87, BFH/NV 1990, 108, unter 5.). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist (§ 56 FGO) sind nicht ersichtlich.
b) Soweit die Klägerin Divergenz rügt, erfüllt ihr Vorbringen ebenfalls nicht die formellen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Bei einer auf den Zulassungsgrund der Abweichung von einer Entscheidung des BFH gestützten Nichtzulassungsbeschwerde ist die Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus einer Entscheidung des BFH und der angefochtenen Vorentscheidung erforderlich (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. April 1991 V B 62/89, BFH/NV 1992, 746, und vom 28. März 1991 V B 118/89, BFH/NV 1992, 744). Eine derartige Darlegung fehlt.
c) Die Klägerin kann die Zulassung der Revision auch nicht wegen Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) erreichen. Ob ihre Beschwerde insoweit den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung des gerügten Verfahrensmangels der ungenügenden Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) genügt, kann der Senat unerörtert lassen. Jedenfalls stellt es keinen Verfahrensfehler dar, daß das FG die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt hat.
Das FG hat den Antrag der Klägerin nicht unbeachtet gelassen, sondern seine Ablehnung in der angefochtenen Entscheidung begründet. Auf Grund der maßgebenden materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG bedurfte es eines solchen Gutachtens nicht. Das FG durfte sich für hinreichend sachkundig halten, die Aufteilung des Gesamtumsatzes durch das FA daraufhin zu prüfen, ob der vom FA ermittelte Umsatz durch Lieferungen zum Verzehr an Ort und Stelle von der Klägerin mit Hilfe der vom FG festgestellten Vorrichtungen erzielt werden konnte. Die vom FG hierbei vorgenommenen Berechnungen sind einfacher Art und ohne besonderen Sachverstand leicht nachvollziehbar.
Soweit die Klägerin vorträgt, das FG sei bei diesen Berechnungen von einer Anzahl an aufgestellten Tischen ausgegangen, die mit der von ihm tatsächlich festgestellten Anzahl nicht übereinstimme, rügt sie nicht das Vorliegen eines Verfahrensfehlers, sondern eine unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG im Einzelfall. Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht mit Erfolg gestützt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 421337 |
BFH/NV 1996, 625 |