Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz; grundsätzliche Bedeutung; kumulative Begründung; Wertverrechnung von vom Erben zu erbringenden wiederkehrenden Leistungen mit dem Nachlaßvermögen
Leitsatz (NV)
1. Eine Divergenz setzt einen vergleichbaren Sachverhalt voraus. Eine Abweichung liegt dann nicht vor, wenn der vom Finanzgericht beurteilte Sachverhalt sich in so bedeutsamer und wesentlicher Weise von den Sachverhalten der angeblichen Divergenzentscheidungen unterscheidet, daß durch den vom Bundesfinanzhof aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des FG nicht als mitentschieden anzusehen ist (st. Rspr.).
2. Das zur Annahme einer Divergenz erforderliche Merkmal der Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn sich die aufgeworfenen Rechtsfragen in einem künftigen Revisionsverfahren nur dann stellen, sofern von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgegangen werden würde.
3. Stützt das FG seine angefochtene Entscheidung auf zwei selbständige rechtliche Erwägungen, setzt die Zulassung der Revision voraus, daß bezüglich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargetan wird.
4. Zur Wertverrechnung von vom Erben zu erbringenden wiederkehrenden Leistungen mit dem Nachlaßvermögen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen. Sie legt weder eine Divergenz noch die grundsätzliche Bedeutung einer bestimmten Rechtsfrage entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 115 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hinreichend substantiiert dar.
1. Die Beschwerde behauptet ein Abweichen der angefochtenen Entscheidung von mehreren genau zitierten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH). Danach seien grundsätzlich alle wiederkehrenden Leistungen, die ein Erbe aufgrund einer testamentarischen Anordnung zu erbringen habe, zunächst mit dem empfangenen Vermögen zu verrechnen. Solange der Wert der Leistungen diese Verrechnungsgröße nicht überschreite, fehle es an der für den Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) erforderlichen wirtschaftlichen Belastung des Erben. Im Streitfall sei die Verrechnungsgröße durch die Legatzahlungen seit langem erreicht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde überhaupt in der gebotenen Weise herausgearbeitet hat, daß das Finanzgericht (FG) seiner Entscheidung einen bestimmten tragenden (abstrakten) Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit den ebenfalls tragenden rechtlichen Erwägungen einer Entscheidung des BFH nicht übereinstimmt.
Eine Divergenz setzt nämlich einen vergleichbaren Sachverhalt voraus. Eine Abweichung liegt nicht vor, wenn der vom FG beurteilte Sachverhalt sich in so bedeutsamer und wesentlicher Weise von den Sachverhalten der von der Beschwerde zitierten BFH-Entscheidungen unterscheidet, daß durch den vom BFH aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des FG nicht als "mitentschieden" anzusehen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 1993 X B 14/92, BFH/NV 1993, 667, 669; vom 24. Oktober 1990 II B 31/90, BFHE 162, 483, BStBl II 1991, 106, ständige Rechtsprechung).
So liegt der Fall hier. Im Urteil des BFH vom 4. April 1989 X R 14/85 (BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779) waren die Erben für die Dauer der Grabnutzung zur Grabpflege verpflichtet, mußten also die Aufwendungen für die Grabpflege unbedingt und ggf. aus dem Vermögen selbst erbringen. Im Urteil des BFH vom 27. Februar 1992 X R 139/88 (BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612) erbrachten die Erben aufgrund eines allerdings formunwirksamen Rentenvermächtnisses laufende Versorgungsaufwendungen. Entscheidungserheblich war überdies, daß die Zuwendungen aufgrund einer freiwillig durch den Erben begründeten Rechtspflicht erbracht worden sind. In gleicher Weise hatte der BFH im Urteil vom 27. Februar 1992 X R 136/88 (BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609) über den Abzug von als Gegenleistungen für einen empfangenen Geldbetrag ständig und unbedingt zu erbringende Unterhaltszahlungen zu befinden.
Demgegenüber waren im Streitfall die Legate nach den bindenden, mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ohne Rechtsanspruch in aller Regel nur aus den Erträgen des mit den Legaten belasteten Nachlaßvermögens zu erbringen und nicht aus dem Kapitalvermögen bzw. den Wertpapieren selbst. Damit ist der Vermögensstamm von vornherein auch nicht wertmäßig wirtschaftlich belastet. Ob die Grundsätze der Wertverrechnung auch in einem solchen Fall in der Weise anzuwenden sind, daß als Verrechnungsgröße das hinterlassene Kapitalvermögen selbst anzusehen ist, kann danach nicht als durch die angeführten BFH-Entscheidungen "mitentschieden" angesehen werden.
Darüber hinaus hat das FG auch nicht festgestellt, daß die in den Streitjahren 1987 bis 1989 erbrachten Legatzahlungen tatsächlich den Wert des insoweit betroffenen Kapitalvermögens bzw. der Wertpapiere bereits überstiegen haben, mithin bei Anwendung der Wertverrechnung in dem von der Beschwerde gewünschten Sinne die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wirtschaftlich belastende Zahlungen geleistet hat. Die Beschwerde hat insoweit auch keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben. Rechtsfragen, die sich nur stellen könnten, wenn von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, können jedoch in einem künftigen Revisionsverfahren nicht geklärt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. August 1993 VII B 29/93, BFH/NV 1994, 326, 327; vom 4. Mai 1993 V B 13/94, BFH/NV 1994, 181, 182).
Mit der Behauptung, daß die Entscheidung des FG von einer anderen Entscheidung eines anderen FG abweiche, kann der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) nicht schlüssig dargelegt werden, da dieser eine Abweichung von einer Entscheidung des BFH voraussetzt (vgl. Beschluß vom 6. Februar 1991 II B 137/90, BFH/NV 1992, 175).
Eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO käme allenfalls dann in Betracht, wenn die umstrittene Rechtsfrage nicht schon durch den BFH geklärt ist (vgl. BFH- Beschluß vom 5. September 1990 IV B 169/89, BFHE 161, 547, BStBl II 1990, 1059, 1060; in BFH/NV 1992, 175).
2. Es kann offenbleiben, ob die weitere Divergenzrüge, wonach es bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Freiwilligkeit der Rechtsverpflichtung i. S. von § 12 Nr. 2 EStG (dazu BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612, 614) nicht auf die "Entscheidungslage des Erblassers", sondern nach der Divergenzentscheidung des BFH auf die des Erben ankomme, und es sich im übrigen bei testamentarisch angeordneten Zuwendungen um keine auf einer freiwillig begründeten Rechtspflicht beruhenden Leistung handele, einen Zulassungsgrund i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO hinreichend bezeichnet.
Stützt das FG sein Urteil auf zwei selbständige rechtliche Erwägungen, setzt die Zulassung der Nichtzulassungsbeschwerde voraus, daß bezüglich jeder dieser Begründungen ein Grund für die Zulassung der Revision in Form des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargetan wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Oktober 1992 III B 17/92, BFH/NV 1993, 546; vom 5. Oktober 1992 V B 88/92, BFH/NV 1993, 426; in BFH/NV 1992, 175, ständige Rechtsprechung). Andernfalls könnte die Frage nicht in einem sich anschließenden Revisionsverfahren geklärt werden.
Das FG hat in dem angefochtenen Urteil gerade auf die fehlende wirtschaftliche Belastung abgestellt, sofern keine nur freiwillig begründete Rechtspflicht anzunehmen sei. Bezüglich dieser zweiten Begründung fehlt es indessen -- wie unter Ziff. 1 ausgeführt worden ist -- an hinreichend geltend gemachten Zulassungsgründen.
3. Die Beschwerde hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage herausgearbeitet (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 3 FGO).
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn in dem zuzulassenden Revisionsverfahren eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall voraussichtlich klärungsfähig ist (vgl. BFH- Beschluß vom 14. Juni 1994 VII B 239/93, BFH/NV 1995, 89, 90, m. w. N., ständige Rechtsprechung).
Die Beschwerde hat insoweit lediglich geltend gemacht, sofern der Senat eine Divergenz verneine, komme der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Beschwerde legt jedoch nicht dar, weshalb auch bei einem Sachverhalt, wie er dem Streitfall zugrunde liegt, und der sich -- wie unter Ziff. 1 dargestellt worden ist -- von den den angeführten BFH-Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalten wesentlich unterscheidet, dennoch in gleicher Weise eine Wertverrechnung mit dem Ver mögensstamm vorzunehmen sei. Die von der Beschwerde angeführten Autoren (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 12 Rz. 39; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 EStG Rz. 56 e, und Hutter in Blümich, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 10 Rz. 149) zitieren die Rechtsprechung des BFH, ohne sich indessen mit der hier entscheidungserheblichen Frage zu befassen.
Der bloße Hinweis, die Rechtsfrage sei für eine größere Zahl von Fällen bedeutsam, genügt ebensowenig zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. November 1992 X B 85/92, BFH/NV 1993, 373; vom 10. September 1991 V B 102/91, BFH/NV 1992, 320) wie für sich allein das Fehlen einer speziell diese Sachverhaltsvariante betreffenden Entscheidung des BFH (vgl. BFH-Beschluß vom 26. August 1992 II B 100/92, BFH/NV 1993, 662, 663). Vielmehr muß die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungs bedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen.
Im Kern macht die Beschwerde nur geltend, das FG habe die höchstrichterliche Rechtsprechung fehlerhaft angewendet. Die -- behauptete -- Rechtsfehlerhaftigkeit eines Urteils stellt indessen für sich genommen noch keinen Zulassungsgrund i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO dar (vgl. BFH-Beschluß vom 13. Mai 1992 II B 131/91, BFH/NV 1992, 762, m. w. N.).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 421609 |
BFH/NV 1997, 26 |