Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Verlängerung einer gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzten Ausschlußfrist
Leitsatz (NV)
1. Der Pflicht des Antragstellers zur Glaubhaftmachung erheblicher Gründe für eine Fristverlängerung (§ 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO) wird durch bloßes Erbieten zur Glaubhaftmachung nicht genügt.
2. Auch eine ablehnende Entscheidung über einen Antrag auf Fristverlängerung ist -- formlos -- so rechtzeitig bekanntzugeben, daß der Antragsteller die angemahnte befristete Prozeßhandlung noch in offener Frist vornehmen kann. Dies gilt nicht, wenn der Antrag so spät gestellt war, daß er vor Fristablauf nicht mehr beschieden werden konnte oder jedenfalls dem Antragsteller die Nachholung der befristeten Prozeßhandlung nicht mehr möglich war.
Normenkette
FGO § 54 Abs. 2, § 65 Abs. 2 Sätze 1-2, § 155; ZPO § 224 Abs. 2, § 225 Abs. 1, § 329 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhob Klage wegen Einkommensteuer 1990 und 1991. Die Klageschrift enthielt jeweils keine ausreichende Bezeichnung des Klagegegenstandes. Auf gerichtliche Aufforderung erfolgte keine Ergänzung. Darauf wurde die Klägerin gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unter Setzung einer Ausschlußfrist bis zum 24. Februar 1995 aufgefordert, den Gegenstand des Klagebegehrens beider Verfahren zu bezeichnen. Hierauf antworteten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin durch am 24. Februar 1995 beim Finanzgericht (FG) eingegangenes Fax, wiederum ohne Bezeichnung des Klagebegehrens. Sie verwiesen auf eine psychische Erkrankung der Klägerin und baten um eine angemessene Fristverlängerung. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung haben sie Terminsverlegung beantragt. Dem hat das FG -- unter Hinweis auf die Versäumung der gesetzten Ausschlußfrist und deren Folge der Unzulässigkeit der Klagen -- nicht entsprochen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung war die Klägerin nicht vertreten.
Das FG wies die Klagen als unzulässig ab. Es führte aus, in den Klageschriften seien lediglich der angefochtene Verwaltungsakt und die Einspruchsentscheidung des FA bezeichnet worden. Dies genüge nicht dem Erfordernis der Darlegung des Gegenstandes des Klagebegehrens i. S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO. Daher sei die Klägerin zur Ergänzung der Klage aufgefordert (§ 65 Abs. 2 Satz 1 FGO) und ihr darauf eine Frist mit ausschließender Wirkung gesetzt worden (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO). Da die erforderliche Ergänzung nicht erfolgt und ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gestellt worden sei, seien die Klagen endgültig unzulässig geworden.
Bei dieser Sachlage sei auch eine Terminsverlegung nicht geboten gewesen, da die Verfahren dadurch nicht hätten gefördert werden können.
Letztlich sei das FG nicht überzeugt, daß die Klägerin durch ihre Krankheit ständig daran gehindert gewesen sei, ihren steuerlichen und prozessualen Pflichten nachzukommen. In den Streitjahren sei sie ihrer anspruchsvollen Berufstätigkeit als Steuerberaterin nachgekommen. Im übrigen liege es am Prozeßbevollmächtigten, ggf. nach Aktenlage die Rechtsverletzungen im angegriffenen Bescheid zu ermitteln und entsprechend vorzutragen.
Mit ihren Beschwerden begehrt die Klägerin jeweils die Zulassung der Revision. Sie rügt Verletzung von Verfahrensrecht (§§ 65 Abs. 2, 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 224 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --) und macht geltend, das FG hätte, nachdem bereits in einem früheren Schriftsatz auf ihre Erkrankung hingewiesen worden sei, auf den Antrag auf Fristverlängerung hin auf Glaubhaftmachung der Gründe hinwirken, jedenfalls aber einen Bescheid erteilen müssen. Der Beschwerde ist eine ärztliche Bescheinigung und ein Attest beigefügt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) hält die Beschwerden für unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
Entscheidungsgründe
1. Die Verfahren XI B 149/95 (Einkommensteuer 1990) und XI B 150/95 (Einkommensteuer 1991) betreffen den gleichen Gegenstand und werden daher zur gemeinsamen Entscheidung verbunden (§ 73 FGO).
2. Die Beschwerden sind nicht zulässig erhoben. Mit ihrer Rüge hat die Klägerin keinen Verfahrensmangel der Vorinstanz bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Zwar kann auch eine gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzte Ausschlußfrist verlängert werden (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Februar 1980 V R 71-- 73/79, BFHE 130, 240, BStBl II 1980, 457). Allein der Antrag auf Fristverlängerung macht diese Ausschlußfrist jedoch nicht hinfällig (BFH-Beschluß vom 9. Juni 1995 VII B 20/95, BFH/NV 1996, 50), über ihn muß entschieden werden (§ 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 225 Abs. 1 ZPO). Dabei kann ein pflichtwidriger richterlicher Ermessensgebrauch, wenn die Ausschließung und die Abweisung der Klage als unzulässig darauf beruhen, auch zur Verletzung des rechtlichen Gehörs i. S. des Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO führen (BFH-Urteil vom 13. August 1982 VI R 99/79 nicht veröffentlicht). Dies setzt aber jedenfalls die Glaubhaftmachung erheblicher Gründe für die Fristverlängerung voraus (§ 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO). Die Klägerin macht nicht geltend, erhebliche Gründe hinreichend vorgetragen zu haben, sondern rügt lediglich, das Gericht hätte seinerseits auf Glaubhaftmachung hinwirken müssen. Eine derartige Verpflichtung des Gerichts bestand indessen nicht. Die Glaubhaftmachung erheblicher Gründe für die Verlängerung einer gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzten Frist obliegt dem Antragsteller im Rahmen einer gesteigerten Mitwirkungspflicht. Diese Pflicht zur Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) schränkt den im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz ein (Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 114 FGO Tz. 40). Ein bloßes Erbieten zur Glaubhaftmachung ist unbeachtlich (vgl. auch Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 53. Aufl., § 294 Rdnr. 8). Eine der Vorschrift des § 227 Abs. 3 ZPO vergleichbare Regelung ist in § 224 Abs. 2 ZPO nicht enthalten. Die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller hat darüber hinaus rechtzeitig, d. h. noch vor Ablauf der gesetzten Frist zu erfolgen (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 65 Anm. 63).
Auch mit ihrer Rüge unterbliebener Bescheidung des Antrags hat die Klägerin keinen Verfahrensfehler schlüssig gerügt.
Zwar ist auch eine ablehnende Entscheidung über einen Antrag auf Fristverlängerung -- formlos -- bekanntzugeben (§ 155 FGO i. V. m. § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dabei fordert der Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör grundsätzlich, sie so rechtzeitig mitzuteilen, daß der Antragsteller die angemahnte befristete Prozeßhandlung noch in offener Frist vornehmen kann (vgl. Zöller, Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 225 Rdnr. 2, m. w. N.; vgl. auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerwG -- vom 3. November 1987 9 C 235/86, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1988, 1280). Dieser Grundsatz muß aber offensichtlich eine Ausnahme erfahren, wenn der Antrag auf Fristverlängerung so spät gestellt war, daß er vor Fristablauf nicht mehr beschieden werden konnte oder jedenfalls dem Antragsteller die Nachholung der befristeten Prozeßhandlung nicht mehr möglich war (Zöller, a. a. O.). So aber liegt der Streitfall; der Antrag der Klägerin auf Fristverlängerung ist erst am Tage des Fristablaufs beim FG eingegangen.
Allerdings ergibt sich aus dem Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör auch in diesem Falle eine Verpflichtung des Gerichts zur Bescheidung des Antrags vor der Entscheidung zur Hauptsache (vgl. den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 7. Juni 1982 II ZB 7/81, Versicherungsrecht 1982, 1191; BVerwG-Beschluß in NJW 1980, 1280; Baumbach/Lauterbach, a. a. O., .§ 225 Rdnr. 5). Denn eine Fristverlängerung kann auch nachträglich noch in Betracht kommen. Im Streitfall ist eine solche Bescheidung aber jedenfalls mit der Begründung der Ablehnung der Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung und damit vor der Entscheidung zur Hauptsache erfolgt. Auf diese Verfügung und in der anberaumten mündlichen Verhandlung hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt, sich (ggf. durch ihre Prozeßbevollmächtigten) zu ihrem Antrag auf Fristverlängerung -- oder einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO -- ausreichend zu äußern (vgl. BFH-Beschluß vom 24. März 1995 VIII B 155/94, BFH/NV 1995, 908). Im übrigen hat die Klägerin nicht, was für eine schlüssige Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erforderlich wäre (Gräber/Ruban, a. a. O., § 119 Anm. 13), dargelegt, inwieweit die Vorentscheidung auf dem von ihr gerügten Verfahrensmangel der Nichtbescheidung beruhen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 421689 |
BFH/NV 1997, 131 |