Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Sachrüge; keine Pflicht des Instanzgerichts zur Vorlage an den EuGH
Leitsatz (NV)
1. Revisionsrechtliche Erfordernisse für Sachrüge (hier: gegen Urteil über die zolltarifliche Einordnung eines ,,Bearbeitungszentrums").
2. Das FG ist als nicht letztinstanzliches Gericht nicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet (Bestätigung der Rechtsprechung).
Normenkette
FGO § 120 Abs. 2; EWGV Art. 177; GZT Tarifstr. 84.45 C II a, C V a
Tatbestand
Gestritten wird über die zolltarifliche Einordnung eines von der Klägerin und Revisionsklägerin 1983 eingeführten ,,Bearbeitungszentrums", das zunächst, entsprechend der Zollanmeldung, als ,,Waagerecht-Bohr- und Fräswerk", durch Code-Angaben gesteuert, der Tarifst. 84.45 C II a des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zum freien Verkehr abgefertigt, später jedoch von dem beklagten und revisionsbeklagten Hauptzollamt als (Senkrecht-) ,,Fräs- und Bohrmaschine", durch Code-Angaben gesteuert, der Tarifstr. 84.45 C V a beurteilt wurde, mit der Folge einer entsprechenden Nacherhebung von Zoll. Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es führte aus, das ,,Bearbeitungszentrum" sei aufgrund seiner Beschaffenheit (zwei Spindeln), wie auch durch Zeugenaussage bestätigt, ohne weiteres zu Vertikal- und Horizontalbearbeitungen in der Lage; damit liege kein bloßes Waagerecht-Bohr- und Fräswerk vor, auch nicht ein solches, das mittels einer ,,besonderen Vorrichtung" auch senkrecht arbeiten könne.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das FG hätte nach Einvernahme des sachverständigen Zeugen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, da eine Maschine bestellt worden sei, die überwiegend waagerecht bohren und fräsen sollte. Es sei überdies verpflichtet gewesen, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) einzuholen. Materiellrechtlich sei zu beanstanden, daß das FG die vom Zeugen bestätigte Ausstattung des ,,Bearbeitungszentrums" mit einem Drehtisch nicht als zulässige besondere Vorrichtung eines Waagerecht-Bohr- und Fräswerks gewürdigt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen (§ 124, § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil ihre Begründung nicht den Erfordernissen nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO entspricht.
Unzulässig sind zunächst die Verfahrensrügen.
Wird - wie hier - mangelnde Sachaufklärung (§ 76 FGO) mit der Begründung gerügt, das Gericht habe auch ohne Beweisantritt, also von Amts wegen, aufklären müssen, so ist anzugeben, wo Tatsachen vorgetragen worden sind, denen das Gericht hätte nachgehen müssen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 120 Anm. 40; vgl. auch Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, 1986, Rdnr. 171; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, 1986, Rdnr. 228). Da entsprechende Ausführungen fehlen, ist der von der Klägerin behauptete Verfahrensverstoß nicht gehörig gerügt. Ob es auf die von der Klägerin für aufklärungsbedürftig gehaltene Frage überhaupt angekommen wäre, kann offenbleiben. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob sich für das FG Zweifel hinsichtlich der Auslegung der maßgebenden zolltariflichen Vorschriften des GZT ergeben konnten. Selbst wenn dies anzunehmen wäre, war das FG als nicht letztinstanzliches Gericht nicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet (Senat, Beschlüsse vom 3. Februar 1987 VII B 129/86, BFHE 148, 489, BStBl II 1987, 305, und vom 25. Juni 1991 VII B 33/91, BFH/NV 1992, 286).
Auch die Sachrüge entspricht nicht den revisionsrechtlichen Anforderungen. Der Revisionskläger muß insoweit dartun, welche Ausführungen der Vorinstanz aus welchen Gründen unrichtig sein sollen, welche Punkte des angefochtenen Urteils für änderungsbedürftig angesehen werden und aus welchen Gründen die Änderung im einzelnen für geboten erachtet wird; auch muß die Begründung erkennen lassen, daß der Revisionskläger anhand der Gründe des erstinstanzlichen Urteils sein bisheriges Vorbringen überprüft hat (ständige Rechtsprechung; z.B. Senat, Urteil vom 5. September 1989 VII R 15/87, BFH/NV 1990, 580; Beschluß vom 19. 12. 1989 VII R 74/88, BFH/NV 1990, 656, m.w.N.). Hier fehlt es an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der die Vorentscheidung tragenden Erwägung, das ,,Bearbeitungszentrum" sei bauartbedingt, aufgrund der Funktion der beiden Spindeln, auch für Senkrechtbearbeitungen eingerichtet und damit als (technisch höher entwickelte) Maschine der Tarifst. 84.45 C V a GZT anzusehen. Es ist nach der Revisionsbegründung nicht erkennbar, inwieweit diese auf revisionsrechtlich bindenden Tatsachenfeststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) beruhende Beurteilung dadurch in Frage gestellt werden könnte, daß die Maschine nach der Bekundung des Zeugen auch mit einem ,,Drehtisch" ausgestattet ist. Die Klägerin hat nicht die Funktion des Drehtisches dargelegt und auch nicht ausgeführt, daß es sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen insoweit nur um die bloße Ergänzung eines Waagerecht-Werks zur Vornahme von Senkrechtbearbeitungen (,,besondere Vorrichtung" i.S. der zolltariflichen Erläuterungen zu Tarifnr. 84.45 Teil II Rz. 21) handele. Ohne entsprechende Darlegungen und eine daran anschließende Erörterung kann aber der Hinweis auf die Ausstattung der Maschine nicht als hinreichende Auseinandersetzung mit den Gründen der Vorentscheidung (Waagerecht-Senkrecht-Fräsmaschine; Erläuterungen, a.a.O., Rz. 74) angesehen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 418526 |
BFH/NV 1993, 70 |