Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltliche Anforderungen an die Revisionsbegründung
Leitsatz (NV)
Die Revisionsbegründung muß aus sich heraus erkennen lassen, daß der Revisionskläger anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils sein bisheriges Vorbringen überprüft hat. Die wörtliche Wiederholung von Teilen der Klagebegründung oder die bloße Bezugnahme auf einen vor Erlaß des angefochtenen Urteils eingereichten Schriftsatz reicht deshalb grundsätzlich nicht aus.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist niedergelassener Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Hausfrau. Die Veranlagung zur Einkommensteuer für die Jahre 1980 und 1981 erfolgte mangels Abgabe von Steuererklärungen durch Schätzung der Besteuerungsgrundlagen; diese Steuerfestsetzungen wurden bestandskräftig. Auch für das Streitjahr 1982 wurden die Besteuerungsgrundlagen mangels Abgabe einer Steuererklärung geschätzt. Durch die am 15. Dezember 1983 zur Post gegebenen Steuerbescheide, die in getrennter Ausfertigung gegen jeden der beiden Kläger gerichtet waren, wurde unter Zusammenveranlagung eine Einkommensteuerschuld von 123 824 DM festgesetzt. Die Abschlußzahlung von 73 560 DM führte zu einer Pfändung bei der Apotheker- und Ärztebank (vom 17. Februar 1984).
Mit Schreiben vom 1. März 1984 legte die Steuerberaterin A gegen die Einkommensteuerfestsetzung 1982 Einspruch ein und beantragte für den Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 der Abgabenordnung (AO 1977). Zur Begründung wurde vorgetragen, die Steuerbescheide seien zwar von der Klägerin in der Post vorgefunden worden, aber aufgrund ihrer psychischen Situation in ihrer Bedeutung nicht erkannt worden. Zur Erläuterung der psychischen Situation der Klägerin wurden im Laufe des Einspruchsverfahrens ärztliche und andere gutachtliche Äußerungen eingereicht; aus einem dieser Gutachten ergibt sich, daß die Klägerin seit 1980 in psychiatrischer Behandlung steht. Gleichzeitig wurde dargetan, daß der Kläger keine Kenntnis vom Eingang der Steuerbescheide gehabt habe und daß bei dem vorübergehenden Charakter der Erkrankung der Klägerin keine Veranlassung gesehen wurde, für die steuerlichen Angelegenheiten einen Bevollmächtigten zu bestellen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) wies den Einspruch als verspätet zurück; Wiedereinsetzungsgründe seien nicht gegeben.
Im Klageverfahren haben die Kläger ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es führt aus, daß dem Kläger die Fristversäumnis angelastet werden müsse. Bereits seit Jahren habe er die Erfüllung der steuerlichen Pflichten vernachlässigt. Das FA habe ihn unter Zwangsgeldandrohung mit Verfügung vom 14. Oktober 1983 letztmalig gemahnt, die Einkommensteuererklärung 1982 abzugeben. Dem Kläger sei anzulasten, daß er sich einerseits um seine steuerlichen Angelegenheiten nicht gekümmert habe und andererseits keinerlei Vorsorge zur Wahrnehmung seiner steuerlichen Pflichten (durch Beauftragung einer sachkundigen Person) getroffen habe, obwohl ihm (als Arzt) klar gewesen sei, daß seiner Ehefrau aufgrund Unerfahrenheit und gesundheitlicher Situation zumindest dieser Arbeitsbereich nicht mehr zur verantwortlichen Erledigung hätte anvertraut werden können. Auch der Klägerin sei eine schuldhafte Versäumung der Einspruchsfrist vorzuhalten. Aus den ärztlichen und sonstigen Gutachten ergäben sich keine Anhaltspunkte für die Aufhebung ihrer Einsichtsfähigkeit dergestalt, daß sie nicht hätte erfassen können, daß Steuerbescheide zugegangen waren, welche Zahlungspflichten auslösten und zu deren Überprüfung sachkundige Personen hätten eingeschaltet werden müssen. Der Einwand, wegen nur vorübergehender Erkrankung hätte es einer solchen erforderlichen Bestellung eines Bevollmächtigten nicht bedurft, sei durch die Gutachten widerlegt, denen zufolge eine länger anhaltende Erkrankung vorgelegen habe. Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Steuerberaterin A, die den innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingereichten Revisionsbegründungsschriftsatz vom 4. Juli 1985 vorgelegt hat, hat im Laufe des Revisionsverfahrens ihr Mandat niedergelegt. Zum neuen Bevollmächtigten hat sich der jetzige Prozeßbevollmächtigte unter Einreichung einer weiteren Revisionsbegründung bestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO muß die innerhalb der maßgeblichen Begründungsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO eingereichte Revisionsbegründung die verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Darüber hinaus muß sich der Revisionskläger nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zumindest kurz und unter Überprüfung seines bisherigen Standpunkts mit der Begründung des angefochtenen Urteils auseinandersetzen. Die Revisionsbegründung muß aus sich heraus erkennen lassen, daß der Revisionskläger anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils sein bisheriges Vorbringen überprüft hat. Die wörtliche Wiederholung von Teilen der Klagebegründung oder die bloße Bezugnahme auf vor Erlaß des angefochtenen Urteils eingereichte Schriftsätze reicht deshalb grundsätzlich nicht aus (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 28. April 1987 IX R 7/83, BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814).
Das Erfordernis, die Revision zu begründen, dient - außer der Entlastung des Revisionsgerichts - dazu, den Revisionskläger zu zwingen, sein Vorbringen und seine Rechtsansicht im Hinblick auf die abweichenden Auffassungen des FA und des FG zu überprüfen und dem Revisionsgericht das Ergebnis dieser Prüfung in einer Form zu unterbreiten, daß sich hieraus ergibt, welche Ausführungen der Vorinstanz aus welchen Gründen unrichtig sein sollen, welche Punkte des finanzgerichtlichen Urteils als änderungsbedürftig angesehen werden und aus welchen Gründen im einzelnen die Änderung für geboten erachtet wird (vgl. BFH-Urteil vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470).
Diesen Anforderungen genügt der innerhalb der maßgeblichen Begründungsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO eingereichte Schriftsatz, mit dem die Revision begründet werden sollte, nicht. Der Schriftsatz vom 4. Juli 1985 wiederholt zunächst in groben Zügen den bekannten Tatbestand. Diese Ausführungen, die bis auf die Mitte der Seite 2 des vorbezeichneten Schriftsatzes reichen, stimmen - zum größeren Teil wörtlich, zumindest aber inhaltlich - mit den Ausführungen in den während des Einspruchsverfahrens gefertigten Schriftsätzen vom 1. März und 4. Mai 1984 sowie den Ausführungen in der Klagebegründung vom 6. Juli 1984 überein. Die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 4. Juli 1985 finden sich bereits in der Klageschrift vom 6. Juli 1984.
An keiner Stelle des Revisionsbegründungsschriftsatzes vom 4. Juli 1985 findet sich eine Auseinandersetzung mit den Gründen des FG-Urteils. Zum Vorwurf der verschuldeten Säumnis des Klägers hatte bereits das FA darauf hingewiesen, daß der Kläger als Arzt sich wegen des ihm bekannten Gesundheitszustandes seiner Ehefrau (der Klägerin) um seine steuerlichen Angelegenheiten hätte selbst kümmern müssen, und sei es durch die Bestellung eines Bevollmächtigten. Hierauf hat sich auch das FG in seiner Klageabweisung tragend gestützt. Auf diesen Vorwurf geht die Revisionsbegründungsschrift nur mit der Wiederholung bisherigen Vorbringens ein, der Kläger sei infolge äußerer Umstände an der Wahrung einer gesetzlichen Frist verhindert gewesen. Dies kann nicht als eine - wenn auch nur andeutungsweise vorgenommene - Auseinandersetzung mit den Gründen des FG-Urteils gewertet werden; es wird nicht erkennbar, aus welchen Gründen das FG-Urteil unrichtig sein soll.
Diese Beurteilung trifft auch auf das Revisionsvorbringen zu, das sich mit den Ausführungen des FG-Urteils zum Vorwurf der schuldhaften Fristversäumnis durch die Klägerin auseinandersetzt. Das FG hat hierzu ausgeführt, aus dem durch Gutachten gestützten Vorbringen der Kläger ergebe sich nicht, daß die Klägerin nicht mehr fähig gewesen sei zu erkennen, daß es sich bei der eingegangenen Post um Steuerbescheide gehandelt habe, die sie wegen ihrer Wichtigkeit anderen Personen hätte überlassen müssen. Auch hier wiederholt die Revisionsbegründung lediglich ihr Vorbringen aus der Klageschrift, daß die gesundheitliche Situation der Klägerin zu einem Nichterkennen der Bedeutung von Steuerbescheiden geführt habe. Diese Wiederholung ist keine Auseinandersetzung mit der abweichenden Meinung des FG.
Das erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist beim BFH eingegangene (mit dem Datum 10. Juni 1986 versehene) Schreiben des nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten kann bei der Entscheidung nicht mehr berücksichtigt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 415481 |
BFH/NV 1989, 639 |