Leitsatz (amtlich)
Bei summarischer Prüfung verstößt die Sonderumsatzsteuer auf Lohnveredelung für ausländische Auftraggeber (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AbsichG) nicht gegen Art. 12 und Art. 16 EWGV.
Normenkette
AbsichG § 2 Abs. 1 Nr. 2; EWGVtr Art. 12, 16
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Steuerpflichtige) wurde mit Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid vom ... u. a. zur Sonderumsatzsteuer gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 29. November 1968 - AbsichG - (BStBl I 1968, 1203) in Höhe von ... DM herangezogen. Der Beschwerdegegner (FA) verrechnete diesen Betrag mit einem Umsatzsteuerguthaben der Steuerpflichtigen aus den Monaten Januar bis März 1970.
Nachdem die Steuerpflichtige gegen den Vorauszahlungsbescheid "Einspruch" eingelegt hatte, beantragte sie beim FG Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung in Höhe der angeforderten und verrechneten Sonderumsatzsteuer und deren Auszahlung. Im Laufe des Verfahrens beantragte sie außerdem, das FG möge gemäß Art. 177 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) eine Vorabentscheidung beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) einholen.
Das FG lehnte die Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung und die Vorlage an den EGH ab.
Dagegen hat die Steuerpflichtige Beschwerde erhoben, die sie damit begründet, daß die Sonderumsatzsteuer bei richtiger Auslegung eine den Art. 12, 16 EWGV widersprechende Abgabe sei. Sie verweist außerdem auf den Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 8. Oktober 1970, 3 U 108/70 (Außenwirtschaftsdienst des BB 1971 S. 40), wonach eine Vorlagepflicht gemäß Art. 177 EWGV auch im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung bestehe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die summarische Prüfung, die im Aussetzungsverfahren vorzunehmen ist (Entscheidung des BFH VI B 59/67 vom 22. September 1967, BFH 90, 253, BStBl III 1968, 37), läßt keine gegen die Rechtmäßigkeit des Vorauszahlungsbescheides sprechenden Gründe erkennen, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der hier maßgebenden Rechtsfrage bewirken (BFH-Entscheidung III B 9/66 vom 10. Februar 1967, BFH 87, 547, BStBl III 1967, 182).
Der Senat folgt im Ergebnis der rechtlichen Beurteilung des FG, läßt allerdings dahingestellt, ob die Begründung im einzelnen zutreffend ist.
Nach Auffassung des Senats kommt es bei summarischer Beurteilung entscheidend darauf an, daß die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 AbsichG mit Sonderumsatzsteuer belegte aktive Lohnveredelung eine Werkleistung ist. Gegenstand der Sonderumsatzsteuer ist demnach nicht die veredelte Ware, sondern die vom inländischen Unternehmen erbrachte Werkleistung. Nach dem Inhalt der Akten handelt es sich bei den mit dem angegriffenen Vorauszahlungsbescheid erfaßten Ausfuhren ausschließlich um solche im Rahmen einer Lohnveredelung.
Demgegenüber betrifft das Verbot des Art. 12 EWGV die Einführung oder Erhöhung von Zöllen oder Abgaben gleicher Wirkung. Zölle werden aber nur auf Waren, nicht auf Leistungen erhoben. Auch der EWGV geht von dieser Auffassung aus. Denn das Verbot des Art. 12 und das Gebot des Art. 16, die Ausfuhrzölle aufzuheben, befinden sich in Titel I, der überschrieben ist "Der freie Warenverkehr". Es kann unter diesen Umständen kein Zweifel bestehen, daß die Sonderumsatzsteuer nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 durch das Verbot des Art. 12 und das Gebot des Art. 16 EWGV nicht berührt wird. Eine Vorlagepflicht nach Art. 177 Abs. 3 EWGV an den EGH kommt daher nicht in Betracht, so daß der Senat auch nicht dazu Stellung zu nehmen braucht, ob eine Vorlage an den EGH auch in dem summarischen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO zulässig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 69631 |
BStBl II 1972, 233 |
BFHE 1972, 268 |