Entscheidungsstichwort (Thema)

Rüge verzichtbarer Verfahrensmängel; Erheblichkeit eines Verfahrensmangels

 

Leitsatz (NV)

1. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln ‐ wie der Verletzung der Sachaufklärungspflicht und des rechtlichen Gehörs ‐ geht das Rügerecht durch rügelose Verhandlung zur Sache und damit durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren.

2. Eine Verfahrensrüge kann nur dann Erfolg haben, wenn das Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, §§ 76, 96 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 15.09.2006; Aktenzeichen 2 K 535/05)

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) eine tatsächliche Verständigung vereinbarungsgemäß umgesetzt hat.

Das FA erließ nach der Verständigung unter dem 13. Juni 2005 Änderungsbescheide über Einkommensteuer 1989 bis 1993. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhoben Einspruch, die das FA zurückwies. Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Die Einkünfte des Klägers seien nur insoweit zu ändern gewesen, als dies in der tatsächlichen Verständigung Ausdruck gefunden habe.

Mit der Beschwerde machen die Kläger geltend, dass die Einkünfte des Klägers im Jahr 1993 nicht Gegenstand der tatsächlichen Verständigung vom 29. April 2005 gewesen seien. Der Kläger habe erstmals im Verfahren … eine Erklärung der Einkünfte aus der Vermietung des Campingplatzes erklärt. Das FA habe diese Einkünfte schätzungsweise in Höhe von 72 250 DM erfasst. Zutreffend seien insoweit Einkünfte in Höhe von 25 188 DM. Das FG habe die entsprechende Erklärung nicht berücksichtigt. Die Prozessbevollmächtigte (die Klägerin) sei davon ausgegangen, dass das FG diese Einkünfte nicht zum Gegenstand einer Prüfung durch die Gerichtsprüferin gemacht habe, weil es hierfür keine Notwendigkeit gesehen habe. Somit beruhe das Urteil des FG auf dem Verfahrensfehler "mangelnde Sachaufklärung" und "Verletzung des rechtlichen Gehörs".

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungserfordernissen des § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Soweit die Kläger wegen Einkommensteuer 1989 bis 1992 Beschwerde erhoben haben, haben sie nichts vorgetragen.

2. Wegen Einkommensteuer 1993 können die Kläger mit den gerügten Verfahrensmängeln nicht mehr gehört werden. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln --wie vorliegend der Verletzung der Sachaufklärungspflicht und des rechtlichen Gehörs-- geht das Rügerecht durch rügelose Verhandlung zur Sache und damit das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren, zumal den Klägern die Rechtsauffassung des FG bereits aus dem mit Urteil vom … beendeten Verfahren … bekannt war (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. März 2001 IX B 149/00, BFH/NV 2001, 1037; vom 16. August 2002 VII B 211/01, BFH/NV 2003, 86; vom 29. Oktober 2002 IV B 98/01, BFH/NV 2003, 326; vom 19. Mai 2004 IX B 164/03, juris).

3. Im Übrigen war das FG der Auffassung, dass --abgesehen von den Einkünften, die Gegenstand der tatsächlichen Verständigung waren-- die weiteren Einkünfte unverändert zu übernehmen seien. Es kann daher --auf der Grundlage des maßgeblichen materiell-rechtlichen Standpunkts des FG-- nicht davon ausgegangen werden, dass das Urteil des FG auf den geltend gemachten Verfahrensmängeln beruhen kann (zur Notwendigkeit der Erheblichkeit eines Verfahrensmangels vgl. BFH-Beschluss vom 4. Januar 2001 III B 21/00, BFH/NV 2001, 921; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 96).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1761981

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