Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Ersatzzustellung, eidesstattliche Versicherung
Leitsatz (NV)
- Seit dem 1. Juli 2002 ist eine Ersatzzustellung auch dann zulässig, wenn der Postbedienstete die Zustellung vergeblich im Geschäftslokal bzw. in der Praxis eines Freiberuflers versucht hat.
- Der zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 3 AO 1977 aufgeforderte Vollstreckungsschuldner kann auch nach Rechtskraft der Aufforderung (noch) einen Antrag auf Aufhebung der Aufforderung nach § 131 Abs. 1 AO 1977 an das FA stellen.
Normenkette
AO 1977 § 284 Abs. 3, § 131 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3; ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 2; ZUSTRG Art. 4
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wegen Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit eines von ihm abgegebenen Verzeichnisses über sein Vermögen mit der Begründung abgewiesen, dass die Ermessensentscheidung wegen der im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung noch bestehenden hohen Steuerrückstände rechtmäßig gewesen sei. Nachdem die Steuerschulden während des Klageverfahrens weggefertigt worden seien, wäre die Verfügung allerdings zum Zeitpunkt der Entscheidung des FG als ermessensfehlerhaft zu beurteilen. Gleichwohl könne die Tatsache, dass der Kläger die Steuerschuld nachträglich beglichen habe, in der Entscheidung des FG nicht mehr berücksichtigt werden, weil es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung ―wozu auch die Aufforderung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) gehöre― auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankomme. Ausdrücklich hat das FG daher den Hinweis gegeben, dass im Falle der nachträglichen Erfüllung der Steuerschuld, die die Grundlage für die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gewesen sei, die Aufhebung des Verwaltungsaktes nach § 131 Abs. 1 AO 1977 in Betracht komme (vgl. Senatsurteil vom 26. März 1991 VII R 66/90, BFHE 164, 7, BStBl II 1991, 545).
Das FG ordnete an, das Urteil mit Postzustellungsurkunde an den Klägervertreter zuzustellen. Auf dieser Postzustellungsurkunde ist vermerkt, dass der Postbedienstete versucht hat, die für Herrn Steuerberater X Y-Straße 4, Z, bestimmte Sendung "in der Wohnung des in der Anschrift bezeichneten Empfängers (Einzelperson, Einzelfirma, Rechtsanwalt usw.) zuzustellen, jedoch niemanden angetroffen habe. Der Postbote habe ―wie bei gewöhnlichen Briefen üblich― die schriftliche Benachrichtigung über die vorgenommene Niederlegung in den Hausbriefkasten eingelegt. Als Datum der Niederlegung ist der 29. November 2001 angegeben. Am 31. Dezember 2001 ging die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Auf den Hinweis der Geschäftsstelle des erkennenden Senats, dass die Beschwerdebegründungsschrift bis zum 29. Januar 2002 nicht eingegangen sei, legte der Klägervertreter die Begründungsschrift am 11. Februar 2002 vor und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist, die er damit begründete, dass er bis zum 18. Dezember 2001 in Urlaub gewesen sei und das Schriftstück erst am 19. Dezember 2001 bei der Post habe abholen können, so dass dieses Empfangsdatum der Fristberechnung zugrunde gelegt werden müsse und nach seiner Ansicht die Beschwerdebegründungsfrist gewahrt sei.
In der Beschwerdebegründung wendet er sich gegen die Entscheidung des FG, allerdings ohne einen der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu benennen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen.
Der Senat lässt offen, ob die Beschwerdebegründung rechtzeitig eingereicht worden ist, weil möglicherweise bei Nichtantreffen des Klägervertreters in den Räumen Y-Straße 4 in Z eine wirksame Ersatzzustellung durch Niederlegung des zuzustellenden Schriftstücks bei der Post und entsprechender Benachrichtigung durch Einlegung in den Hausbriefkasten nicht erfolgt ist. Erst seit dem 1. Juli 2002 ist eine Ersatzzustellung auch dann zulässig, wenn der Postbedienstete die Zustellung vergeblich im Geschäftslokal bzw. in der Praxis eines Freiberuflers (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung ―ZPO―) versucht hat (vgl. Art. 4 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren vom 25. Juni 2001, BGBl I 2001, 1206, BStBl I 2001, 491). Nach dem bis zum 30. Juni 2002 geltenden § 183 ZPO a.F. war für diesen Fall eine Ersatzzustellung durch Niederlegung gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. auch ständige Rechtsprechung des BFH, Beschlüsse vom 31. Mai 2001 V B 40/01, BFH/NV 2001, 1573, und vom 31. Mai 2001 V B 41/01, BFH/NV 2001, 1615; Urteil vom 29. Oktober 1998 XI R 3/98, BFH/NV 1999, 938, m.w.N., sowie Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. November 1975 VIII ZR 73/75, Neue Juristische Wochenschrift 1976, 149); d.h. eine wirksame Ersatzzustellung durch Niederlegung kam nur in Betracht, wenn die Zustellung vergeblich unter der Wohnanschrift versucht worden war. Im vorliegenden Fall kann es jedoch dahinstehen, ob es sich bei der im Adressenfeld der Postzustellungsurkunde angegebenen Zustelladresse des Klägervertreters auch um dessen Wohnanschrift handelt ―wofür vieles spricht― oder ob dort lediglich seine Geschäftsräume belegen sind, die während seines Urlaubes nicht besetzt gewesen waren. Im letzteren Falle wäre die Zustellung unwirksam, der Mangel aber durch die Inempfangnahme des Schriftstückes seitens des Klägervertreters geheilt (§ 9 des Verwaltungszustellungsgesetzes ―VwZG― a.F.); jedoch wären die in § 9 Abs. 2 VwZG in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung benannten Fristen, zu denen auch die Frist für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels gehört, nicht in Lauf gesetzt worden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1573, m.w.N.), so dass die Rechtsmittelbegründungsschrift rechtzeitig eingegangen wäre.
Gleichwohl hat der Senat keine Veranlassung, dieser Frage weiter nachzugehen, denn die Beschwerde ist vor allem deshalb unzulässig, weil keiner der Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO benannt und entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden ist. Die Beschwerdebegründung erschöpft sich vielmehr in Ausführungen aus denen hervorgeht, dass sich der Beklagte und Beschwerdegegner (das Zentralfinanzamt ―FA―) in Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger die Steuerschuld, die zur Aufforderung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung geführt hat, zwischenzeitlich vollständig getilgt hat und obwohl die Richter des FG deutlich gemacht hätten, dass auch sie das Verhalten des FA in Anbetracht des vorliegenden Sachverhalts nicht gut heißen, dem Kläger gegenüber während des gesamten Vollstreckungsverfahrens unverhältnismäßig hart und verletzend verhalten habe. Er trägt dazu weiter vor, das angefochtene Urteil des FG trage abweichend von der in der mündlichen Verhandlung zu Tage getretenen Ansicht der Richter dem deutlichen Ermessensfehlgebrauch des FA nicht Rechnung. Mit diesen Einwendungen, die sich hauptsächlich gegen das Verhalten des FA richten, kann ein Revisionszulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO jedoch ebenso wenig geltend gemacht werden, wie mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des Urteils des FG, das im Übrigen der geltenden Rechtslage und der Rechtsprechung des Senats entspricht (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 164, 7, BStBl II 1991, 545, m.w.N.). Dem Kläger bleibt daher lediglich der bereits vom FG gewiesene Weg, einen Antrag auf Aufhebung der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 131 Abs. 1 AO 1977 an das FA zu stellen.
Fundstellen
Haufe-Index 911439 |
BFH/NV 2003, 587 |