Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung einer Beschwerde durch das FG
Leitsatz (NV)
1. Die Zulassung einer Beschwerde durch das FG muß entweder in der Entscheidungsformel ausgesprochen werden oder erkennbar aus den Entscheidungsgründen hervorgehen. Zweifel an der Zulassung der Beschwerde gehen zu Lasten des Beschwerdeführers.
2. Eine möglicherweise fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung ersetzt die Zulassung der Beschwerde nicht.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 3; FGO n.F. § 128 Abs. 3; FGOÄndG Art. 7 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine ausländische Kapitalgesellschaft ohne Betriebsstätte im Inland, die im 2. Quartal des Jahres 1992 eine Konzerttournee mit dem im Ausland ansässigen Sänger X durch die Bundesrepublik Deutschland veranstaltete. Dazu schloß nur die Antragstellerin mit einer inländischen Konzertagentur (Y-GmbH) einen Vertrag ab, auf Grund dessen die Antragstellerin verpflichtet war, den Sänger zu den festgelegten Konzerten zu stellen. Das für die Konzerte vereinbarte Entgelt war von der Y-GmbH an die Antragstellerin zu bezahlen. Die Y-GmbH behielt von den Vergütungen eine Quellensteuer gemäß § 50a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein und meldete sie am 4. August 1992 beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) an, ohne sie jedoch an denselben abzuführen.
Schon vorher hatte die Antragstellerin beim Bundesamt für Finanzen (BfF) gemäß § 50d Abs. 4 EStG die Freistellung vom Quellensteuerabzug beantragt. Über diesen Antrag ist - soweit bekannt - bisher noch nicht entschieden.
Die Antragstellerin legte gegen die Steueranmeldung der Y-GmbH Einspruch ein. Gleichzeitig beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung. Letzteren Antrag lehnte das FA durch Verfügung vom 24. September 1992 ab.
Die Antragstellerin beantragte deshalb beim Finanzgericht (FG) die Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Diesen Antrag lehnte das FG durch Beschluß vom 26. November 1992 ab, wobei weder die Entscheidungsformel noch die Entscheidungsgründe des Beschlusses eine Aussage über die Zulassung der Beschwerde erkennen lassen. Aus der Rechtsmittelbelehrung ergibt sich allerdings, daß den Beteiligten gegen diesen Beschluß die Beschwerde an den Bundesfinanzhof (BFH) zusteht. Der Beschluß wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin mit einfachem Brief bekanntgegeben. Der Brief wurde am 4. Dezember 1992 beim FG abgesandt.
Die Antragstellerin legte am 17. Dezember 1992 Beschwerde ein, in der sie die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie die Verletzung der Art. 60 Abs. 3 und 62 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) geltend macht.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§ 132 FGO).
1. Nach Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) steht den Beteiligten gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 FGO die Beschwerde nur dann zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO. Der Beschluß des FG vom 26. November 1992 enthält jedoch keine Zulassung der Beschwerde, weshalb die dennoch eingelegte Beschwerde unstatthaft ist.
2. Im Streitfall beurteilt sich die Statthaftigkeit der Beschwerde nach Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG und nicht nach dem inhaltsgleichen § 128 Abs. 3 FGO i.d.F. des Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 21. Dezember 1992 - FGO-Änderungsgesetz - (BGBl I 1992, 2109; BStBl I 1993, 90). Dies folgt aus Art. 7 Satz 2 FGO-Änderungsgesetz. Danach richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung nach den bisher geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem Inkrafttreten des FGO-Änderungsgesetzes von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Im Streitfall wurde der mit der Beschwerde angefochtene Beschluß mit einfachem Brief vom 4. Dezember 1992 zugestellt. Zwar mag die Zustellung nicht den Vorschriften der §§ 53 Abs. 1 und 2 FGO, 3ff. und 14ff. des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) ensprochen haben. Darauf kommt es jedoch für die Anwendung des Art. 7 Satz 2 des Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß das FG die Bekanntgabe durch einfachen Brief als die ordnungsmäßige Form der Zustellung angesehen hat. Die Antragstellerin hat noch vor Inkrafttreten des FGO-Änderungsgesetzes Beschwerde eingelegt. Deren Statthaftigkeit beurteilt sich deshalb nach den bisher geltenden Vorschriften.
3. Die Beschwerde wurde in dem angefochtenen Beschluß nicht zugelassen. Eine Zulassung der Beschwerde wird aus Gründen der Klarheit zweckmäßigerweise in der Entscheidungsformel des Beschlusses ausgesprochen. Ausreichend ist aber auch, wenn sie unter Hinweis auf den Zulassungsgrund oder auf eine gesetzliche Bestimmung erkennbar aus den Entscheidungsgründen hervorgeht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. November 1971 VI R 284/69, BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139; Beschluß vom 26. Mai 1988 VIII R 9/88, BFH/NV 1990, 381). In jedem Fall bedarf die Zulassung der Beschwerde einer ausdrücklichen Entscheidung des FG (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. Juni 1987 VIII B 212/86, BFHE 150, 114, BStBl II 1987, 635; vom 26. August 1987 IV B 27/87, BFHE 150, 403, BStBl II 1987, 786; vom 26. September 1989 IV R 74/89, BFH/NV 1990, 587; vom 24. Februar 1989 IX R 4/89, BFH/NV 1990, 644; vom 15. November 1989 V B 143/89, BFH/NV 1990, 725). Daran fehlt es im Streitfall.
Das FG hat weder in der Entscheidungsformel noch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses die Zulassungsfrage angesprochen. Der einzige Anhaltspunkt für eine mögliche Zulassung der Beschwerde ergibt sich aus der Rechtsmittelbelehrung, die das FG dem Beschluß beigefügt hat. Danach steht den Beteiligten gegen diesen Beschluß die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu. Aus dieser Formulierung ergibt sich die Zulassung der Beschwerde jedoch nicht mit der notwendigen Sicherheit. Die Formulierung in der Rechtsmittelbelehrung kann auch darauf beruhen, daß dem Beschluß eine falsche Rechtsmittelbelehrung beigefügt wurde. Für diese Möglichkeit spricht die Tatsache, daß der angefochtene Beschluß durch einfachen Brief bekanntgegeben wurde. Hätte das FG tatsächlich die Beschwerde zugelassen, dann hätte es seinen Beschluß entsprechend den §§ 3ff. VwZG zustellen müssen (§ 53 Abs. 1 und 2 FGO). Schon der V.Senat des BFH hat in BFH/NV 1990, 725, die Auffassung vertreten, daß eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung, die von der Statthaftigkeit der Beschwerde ausgeht, die Zulassung nicht ersetzt. Nach der Auffassung des erkennenden Senats gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn bezüglich der Rechtsfrage, ob die Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft ist, gewichtige Zweifel bestehen. Die Beschwerde ist nur dann statthaft, wenn sie vom FG zweifelsfrei zugelassen wurde. Das FG kann die Zulassung auch noch nachholfen (BFH-Beschluß vom 10. Oktober 1991 XI B 18/90, BFHE 165, 565, BStBl II 1992, 301). Gerade deshalb gehen Zweifel darüber, ob die Beschwerde zugelassen wurde, zu Lasten des Beschwerdeführers.
4. Ist aber die Beschwerde im Streitfall nicht zugelassen, so ist das von der Antragstellerin eingelegte Rechtsmittel unstatthaft. Es war durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 419189 |
BFH/NV 1994, 54 |