Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung von Fristen
Leitsatz (NV)
§ 108 Abs. 1 AO enthält keine von Normen des BGB abweichende Regelung für die Berechnung einer nach Monaten bemessenen Frist. Das Fristende ist daher nach § 188 Abs. 2 BGB zu berechnen. Dass der für den Beginn einer Frist maßgebliche Tag gem. § 187 Abs. 1 BGB bei der Bemessung der Monatsfrist “nicht mitgerechnet wird”, hat nicht zur Folge, dass sich die Frist entsprechend verlängert.
Normenkette
AO § 108; BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 07.04.2008; Aktenzeichen 5 K 2145/07) |
Tatbestand
I. In dem Finanzrechtsstreit der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wies das Finanzgericht die Klage durch Urteil vom 7. April 2008 ab. Das vollständige Urteil wurde an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 17. April 2008 zugestellt. Die Klägerin legte wegen der Nichtzulassung der Revision fristgerecht Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Mit dem am Folgetag beim BFH eingegangenen Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 24. Juni 2008 wurde beantragt, wegen der Versäumung der Frist für die Stellung des Antrags auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dieser Antrag wurde damit begründet, die Fristversäumung sei unverschuldet. Sie beruhe auf einem Versehen einer mit Sekretariatsarbeiten betrauten Mitarbeiterin. Dem Antrag war (u.a.) eine eidesstattliche Versicherung dieser Mitarbeiterin beigefügt.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2008 teilte der Vorsitzende des angerufenen Senats der Prozessbevollmächtigten mit, eine Anwendung von § 56 FGO unmittelbar auf den versäumten Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist scheide aus. Dieser Antrag sei nicht die von der Klägerin innerhalb der Frist verlangte Rechtshandlung. Wegen der fehlenden Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde und zur Nachholung der versäumten Rechtshandlung wurde in dem Schreiben u.a. auf § 56 FGO verwiesen. Dieses Schreiben wurde am 28. Juni 2008 an die Prozessbevollmächtigte zugestellt. Am 22. Juli 2008 ging beim BFH die Beschwerdebegründung ein.
In der Sache macht die Klägerin geltend, der in Frage stehende Steuerbescheid sei ihr am 30. April 2007 bekanntgegeben worden. Die Einspruchsfrist von einem Monat (§ 355 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--) habe am 1. Mai 2007 zu laufen begonnen. Sie ende daher am 31. Mai 2007, dem Monatsende und nicht mit Ablauf des Vortags. Es bestehe daher ein Widerspruch zwischen § 355 Abs. 1 AO und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Es bedürfe daher einer Entscheidung des BFH, welcher Regelung der Vorzug zu geben sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der angerufene Senat kann offenlassen, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde (§ 116 Abs. 3 FGO) zu gewähren ist. Die Unzulässigkeit ergibt sich bereits daraus, dass die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 FGO genügt.
Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung keine Angaben dazu gemacht, auf welchen Revisionszulassungsgrund sie ihre Beschwerde stützt. Mit ihren Ausführungen, wonach vom BFH zu klären sei, ob im Falle der Zustellung eines Steuerbescheids § 355 Abs. 1 Satz 1 AO gegenüber § 188 Abs. 2 BGB vorrangig sei, macht die Klägerin der Sache nach geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Wird die Beschwerde darauf gestützt, dieser Zulassungsgrund liege vor, dann ist nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung darzutun, aus welchen Gründen die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Hierzu muss substantiiert dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist. Hat der BFH bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss vorgetragen werden, welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der FG und/oder der Literatur gegen die Rechtsaufassung des BFH vorgebracht worden sind (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32 f., m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. In dieser wird lediglich eine bestimmte Rechtsfrage herausgestellt und ohne weitere Begründung deren Klärungsbedürftigkeit behauptet.
Die Klägerin berücksichtigt zudem nicht, dass sich die von ihr aufgeworfene Frage nicht stellt. Gemäß § 108 Abs. 1 AO gelten auch im Anwendungsbereich der AO für die Berechnung von Fristen die §§ 187 bis 193 BGB entsprechend, soweit in § 108 Abs. 2 bis 5 AO nichts anderes bestimmt ist. Eine von den Normen des BGB abweichende Regelung für die Berechnung des Endes einer nach Monaten bemessenen Frist enthält § 108 AO nicht. Aus diesem Grund ergibt sich infolge der Verweisung in § 108 Abs. 1 AO, dass das Fristende nach § 188 Abs. 2 BGB zu berechnen ist (Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 355 AO Rz 10 zur Berechnung und Wahrung der Einspruchsfrist).
Aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, dass das Ende einer Monatsfrist mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats eintritt, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis (hier: Bekanntgabe des Steuerbescheids) fällt. Dass der für den Beginn einer Frist maßgebliche Tag bei der Bemessung der Monatsfrist "nicht mitgerechnet" wird (§ 187 Abs. 1 BGB), bedeutet nicht, dass sich die Frist entsprechend verlängert (Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1997 X S 5/97, BFH/NV 1998, 725).
Fundstellen