Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision
Leitsatz (NV)
Die Rüge, die Entscheidung des Finanzgerichts sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), ist nur dann schlüssig begründet, wenn dargetan wird, daß eine Begründung überhaupt fehle oder daß das Urteil hinsichtlich eines wesentlichen Streitpunkts nicht mit Gründen versehen sei. Wird lediglich geltend gemacht, ein Antrag auf Zulassung der Revision sei übergangen worden, so fehlt es an einer schlüssig begründeten Rüge.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Praxisgemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, betreibt eine Zahnarztpraxis. Ihre gegen die Gewinnfeststellung 1983 gerichtete Klage wurde vom Finanzgericht (FG) durch Urteil vom 3. Dezember 1986 abgewiesen. Das Urteil wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin laut Empfangsbekenntnis am 2. Februar 1987 zugestellt.
Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin mit Schreiben vom 11. Februar 1987, das beim FG am 13. Februar 1987 einging, Revision. Sie begehrte, die Aufwendungen für die während der Berufsausübung von den beiden Praxisinhabern getragene Kleidung als Betriebsausgaben zum Abzug zuzulassen.
Auf den Hinweis der Senatsgeschäftsstelle, daß die von der Klägerin eingelegte Revision mangels Zulassung nur dann zulässig ist, wenn die Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision im Sinne des § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeben sind, führte die Klägerin mit Schreiben vom 18. März 1987 sinngemäß aus, es liege ein Grund für eine zulassungsfreie Revision vor.
Denn das Urteil des FG sei unvollständig, weil die Zulassung der Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zwar mündlich zugesichert worden sei, ohne daß dies jedoch in dem Urteil zum Ausdruck komme.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, da die Revision nicht zugelassen worden sei und auch die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision (§ 116 FGO) nicht vorlägen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) in der Fassung des Gesetzes vom 4. Juli 1985 (BGBl I, 1274, BStBl I, 496) findet die Revision nur statt, wenn das FG oder auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Hieran hat es im Streitfall gefehlt. Das FG hat die Revision nicht zugelassen; gegen die Nichtzulassung der Revision ist keine Beschwerde (§ 115 Abs. 3 FGO) erhoben worden.
2. Einer Zulassung zur Einlegung der Revision bedarf es lediglich dann nicht, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens im Sinne des § 116 FGO gerügt werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür waren im Streitfall indessen nicht gegeben.
Die Rüge der Klägerin, das FG habe versäumt, die Zulassung der Revision im Urteil auszusprechen, könnte allenfalls als Geltendmachung eines Zulassungsgrundes nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO (Nichtversehen der Entscheidung mit Gründen) aufgefaßt werden. Für die Rüge eines solchen Verfahrensmangels fehlt es indessen an einer schlüssigen Begründung. Denn die Klägerin rügt weder, daß eine Begründung (§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO) überhaupt fehle, noch daß das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen habe und damit das Urteil hinsichtlich eines wesentlichen Streitpunkts nicht mit Gründen versehen sei (vgl. BFH-Beschluß vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStbl II 1977, 351).
Die Begriffe des selbständigen Anspruchs und des selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmittels entsprechen denen des Zivilprozeßrechts. Danach muß es sich um einen selbständigen Klagegrund oder um solche Angriffs- oder Verteidigungsmittel handeln, die den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bilden (BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351). Daher ist eine Rüge nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO schlüssig begründet, wenn mit ihr geltend gemacht wird, daß die Vorinstanz einen bestimmten Sachverhaltskomplex überhaupt nicht berücksichtigt oder daß sie nur zum Grund des Steueranspruchs, nicht auch zur Höhe Stellung genommen habe, obgleich auch die Höhe streitig war, oder daß das FG einen Antrag, einen niedrigeren Steuersatz anzuwenden, übergangen habe. Eine schlüssig begründete Rüge eines Verfahrensmangels nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO liegt indessen nicht vor, wenn lediglich geltend gemacht wird, ein Antrag auf Zulassung der Revision sei übergangen worden. Das Übergehen eines derartigen Antrags könnte zwar unter gewissen Voraussetzungen als Versagung rechtlichen Gehörs angesehen werden; die Versagung rechtlichen Gehörs gehört jedoch nicht zu den Gründen für eine zulassungsfreie Revision.
Fundstellen
Haufe-Index 415128 |
BFH/NV 1989, 106 |