Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision wegen Fehlens einer Urteilsbegründung
Leitsatz (NV)
Die Rüge, das Urteil des FG sei ,,nicht mit Gründen versehen" (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), ist nicht schlüssig begründet, wenn lediglich geltend gemacht wird, das FG sei auf gewisse Argumente nicht eingegangen, die Begründung sei deshalb lückenhaft, ungenügend, rechtsfehlerhaft oder nicht überzeugend.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt als . . . eine freiberufliche Praxis. Sie hat in den Streitjahren 1980 bis 1982 im Rahmen ihrer Jahresabschlußbuchungen Beträge in Höhe von 2 760 DM (1980), 2 850 DM (1981) und 3 150 DM (1982) als Lohnzahlungen an ihre Kinder erfaßt. Nach Angaben der Klägerin sollen die Kinder aufgrund mündlich abgeschlossener Arbeitsverträge stundenweise in ihrer Praxis tätig gewesen sein. Die Löhne seien - mangels eigener Betriebsmittel - von ihrem Ehemann, dem Stiefvater der Kinder, gezahlt worden. Aus diesem Grund sei auch die monatliche Buchung der Löhne unterblieben und der Gesamtaufwand für die Löhne jeweils erst am Jahresende als Einlagen und Betriebsausgaben gebucht worden.
Bei der gesonderten Gewinnfeststellung für die Streitjahre erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die als Lohnaufwendungen geltend gemachten Beträge nicht als Betriebsausgaben an.
Die Einsprüche der Klägerin und ihre Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin laut dessen Empfangsbekenntnis am 19. Dezember 1986 zugestellt.
Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 1987, das beim FG noch am selben Tage einging, Revision.
Auf den Hinweis der Senatsgeschäftsstelle, daß die von der Klägerin eingelegte Revision mangels Zulassung nur dann zulässig ist, wenn die Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision i. S. des § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeben sind, führte die Klägerin mit einem am 17. Februar 1987 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schreiben aus, es liege ein Grund für eine zulassungsfreie Revision vor. Das FG sei auf Teile ihres Sachvortrags nicht eingegangen. Darin liege ein wesentlicher Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO (Nichtversehen der Entscheidung mit Gründen).
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, da die Revision nicht zugelassen worden sei und auch die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision (§ 116 FGO) nicht vorlägen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i.d.F. des Gesetzes vom 4. Juli 1985 (BGBl I, 1274, BStBl I, 496) findet die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision der BFH sie zugelassen hat. Hieran hat es im Streitfall gefehlt. Das FG hat die Revision nicht zugelassen; gegen die Nichtzulassung der Revision ist keine Beschwerde (§ 115 Abs. 3 FGO) erhoben worden.
2. Einer Zulassung zur Einlegung der Revision bedarf es lediglich dann nicht, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i. S. des § 116 FGO gerügt werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür waren im Streitfall indessen nicht gegeben.
Für die von der Klägerin erhobene Rüge, die Entscheidung des FG sei i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO ,,nicht mit Gründen versehen", fehlt es an einer schlüssigen Begründung. Denn die Klägerin rügt weder, daß eine Begründung (§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO) überhaupt fehle noch daß das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen habe und damit das Urteil hinsichtlich eines wesentlichen Streitpunkts nicht mit Gründen versehen sei (vgl. BFH-Beschluß vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351).
Die Begriffe des selbständigen Anspruchs und des selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmittels entsprechen denen des Zivilprozeßrechts. Danach muß es sich um einen selbständigen Klagegrund oder um solche Angriffs- oder Verteidigungsmittel handeln, die den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bilden (BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351). Daher ist eine Rüge nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO schlüssig begründet, wenn mit ihr geltend gemacht wird, daß die Vorinstanz einen bestimmten Sachverhaltskomplex überhaupt nicht berücksichtigt oder daß sie nur zum Grund des Steueranspruchs, nicht auch zur Höhe Stellung genommen habe, obgleich auch die Höhe streitig war, oder daß das FG einen Antrag, einen niedrigeren Steuersatz anzuwenden, übergangen habe.
Eine schlüssig begründete Rüge eines Verfahrensmangels nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO liegt dagegen nicht vor, wenn lediglich geltend gemacht wird, das FG sei auf gewisse Argumente eines Verfahrensbeteiligten nicht eingegangen, die Begründung sei deshalb lückenhaft, ungenügend, rechtsfehlerhaft oder nicht überzeugend (Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 116 FGO Tz. 22).
Im Streitfall hat die Klägerin zur Begründung ihrer Verfahrensrüge lediglich ausgeführt, das FG sei auf gewisse Teile ihres Sachvortrags nicht eingegangen; es habe insbesondere nicht berücksichtigt, daß sie im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes zur korrekten Führung eines Kassenbuchs nicht verpflichtet gewesen sei und deshalb die Lohnbeträge nicht in einem Kassenbuch habe festhalten müssen. Diese Ausführungen enthalten nicht die Rüge, daß das FG einen selbständigen Klagegrund übergangen habe.
Fundstellen
Haufe-Index 415283 |
BFH/NV 1988, 245 |